Geschichtslehrer spürt vergessenes Kraftwerk in Münchner Altstadt auf
München - Sogar im "Teknisk Ukeblad" ist ein Artikel erschienen über das spektakuläre Netz in München: Ende des 19. Jahrhunderts verfügte die Stadt über das größte städtische Stromversorgungsnetz des Kontinents – das sprach sich bis Norwegen herum.
Kleinere E-Werke in Schwabing
Alles begann, als 1893 das Werk in der Westenriederstraße in Betrieb ging. Der Katzenbach trieb hier zwei Jonval-Turbinen mit insgesamt 90 PS an. Fertiggestellt war es eigentlich schon zwei Jahre zuvor, doch es dauerte noch, bis auch die Infrastruktur in der Stadt verlegt war.
Dass man mit 90 PS aber nicht weit kommt, war auch Oskar von Miller schon klar – und er hatte bereits die Idee für das Maximilianswerk im Kopf. Zusammen mit dem Muffatwerk baute sich München in kurzer Zeit das für damalige Verhältnisse imposante Stromversorgungsnetz auf.
Zwar hatte es schon zuvor kleinere E-Werke und auch elektrische Straßenbeleuchtung gegeben – zum Beispiel in Schwabing, das damals noch nicht Teil von München und somit nicht an die Gasbeleuchtungsgesellschaften gebunden war. Doch erst mit dem Westenriederwerk ganz in der Nähe des Viktualienmarkts gab es einen zentralen Standort für ein städtisches Netz.
Kraftwerk im Keller einer Schule
Schon 1897 nahm die Stadt das kleine Werk aber wieder vom Netz, bis 1913 pachtete und nutzte es noch die Verlagsanstalt Dr. Haas. Die Nutzung durch den Verleger rettete das E-Werk auch vor dem Abriss – stattdessen wurde es in die neu errichtete Wirtschaftsschule eingebunden. 1913 kamen die Turbinen endgültig zum Stillstand. Seither ist das Westenriederwerk in Vergessenheit geraten, kaum jemand weiß, dass zwar die Turbinen verschwunden, der Bau aber noch erhalten ist.
Von außen sieht man der städtischen Riemerschmid- und Friedricht-List-Wirtschaftsschule nicht an, dass in ihrem Keller noch Reste des Kraftwerks zu sehen sind. Wer aber weiß, welche Luke man öffnen muss, gelangt mitten in der Stadt in eine überraschende, unterirdische Welt, die Sie auf den Fotos auf dieser Seite bestaunen können.
Durch Zufall ist Alexander Rotter auf das Werk gestoßen – denn der Keller seines Wohnhauses liegt im trockengelegten Bett des Katzenbachs. Aus privater Neugier habe er angefangen zu recherchieren und am Buch über das alte Werk zu schreiben, erzählt der Geschichtslehrer. Dann traf er Christoph Konrad – und der Verleger war so begeistert vom Stoff, dass er das Buch drucken wollte.
Wasserqualität aus dem Mangfalltal gegen Cholera
Herausgekommen ist der Band "Wasser und Strom für München" mit dem Untertitel "Vom Cholera-Nest zur leuchtenden Metropole". Denn dort, wo das E-Werk gebaut wurde, befand sich davor ein Grundwasserbrunnen – mit einer Wasserqualität, die zu den schlimmen Choleraepidemien in München ihren Teil beigetragen hatte. Die Umstellung auf die Wasserversorgung aus dem Mangfalltal brachte den Münchnern erst ihre gute Gesundheit.
Und durch die Nutzung der freigewordenen Brunnenhäuser als E-Werke kam dann auch noch die Straßenbeleuchtung hinzu, über die Boulevardblätter und norwegische Fachmagazine in Verzückung gerieten.
"Wasser und Strom für München – Vom Cholera-Nest zur leuchtenden Metropole", 34,95 Euro, www.konrad-verlag.de
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