Gentrifizierung in München: Erhaltungssatzung im Schlachthofviertel ausweiten?

Im Schlachthofviertel läuft im März 2018 die Erhaltungssatzung aus: Der BA will sie jedoch lieber noch ausweiten – Richtung Poccistraße und zum Sendlinger Tor.
von  Eva von Steinburg
Auch hier an der Kapuzinerstraße will der Bezirksausschuss künftig weniger Luxussanierungen möglich machen.
Auch hier an der Kapuzinerstraße will der Bezirksausschuss künftig weniger Luxussanierungen möglich machen. © Daniel von Loeper

Isarvorstadt - Seit 1990 hat sich das Viertel am Südfriedhof stark verändert – das Schlachthofviertel mit seinem rustikalen Charme, roten Backsteinmauern und mit dem großen Altbaubestand ist um Längen schicker geworden – und damit viel, viel teurer.

Diese Entwicklung soll nicht Überhand gewinnen. Deshalb hat der BA Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt jetzt bei der Stadt München beantragt, die "Erhaltungssatzung" (siehe unten) für das Schlachthofviertel zu verlängern. Der Milieu-Schutz gilt seit 1998, am 11. März 2018 läuft er aus. "Die Chancen auf weiteren Schutz stehen aber gut", gibt sich BA-Chef Alexander Miklósy (Die Grünen/Rosa Liste) gelassen.

Gegen Gentrifizierung und Mietervertreibung: Erhaltungssatzung soll gesunde Mischung erhalten

Kritischer ist die Forderung der Stadtteilparlamentarier, das Schutzgebiet zu erweitern: Erstens: Um das Gebiet nördlich der Lindwurmstraße zwischen Poccistraße und Goetheplatz. Zweitens: über die Thalkirchner Straße hinaus, nach Westen, für die Häuser in den Straßen zwischen Kapuzinerstraße und Sendlinger-Tor-Platz. Gerhard Metzger, Grüne/Rosa Liste, ist Initiator dieser Anfrage: "Wir merken, wie die Spekulanten reindrängen. Die Erhaltungssatzung ist eines der wenigen Mittel gegen Gentrifizierung und Mietervertreibung."

Die Chancen, mehr Straßen im Viertel in die Erhaltungssatzung zu integrieren, sieht BA-Chef Miklósy allerdings als "30 zu 70 gegen uns". Der Grund für seine Skepsis: Die Stadt will mit ihrer Erhaltungssatzung vor allem angestammte Mieter vor Luxussanierung und Vertreibung schützen, damit eine Mischung aus Alten, Jungen, Singles, Familien, Armen und Reichen erhalten bleibt.

"In den neu-beantragten Gebieten sind Anwesen mit überteuerten Mietpreisen dabei. Wenn Mieten sehr hoch sind, werden diese Häuser als Ausreißer aus der Satzung herausgenommen", weiß Miklósy. Als Hindernis sieht er, dass etwa zwischen Poccistraße und Goetheplatz "zu viele Häuser saniert sind und ein sehr hoher Mietpreis auf dem Markt durchgesetzt wurde".

Negativbeispiel Lehel

Zu den Erfolgsaussichten kann das Planungsreferat noch nichts sagen: "Der Antrag wird nach Eingang überprüft", sagt Thorsten Vogel, Sprecher im Planungsreferat. Ein unrühmliches Beispiel ist die Entwicklung im Lehel – trotz Erhaltungssatzung: Das Lehel ist schon viel früher von Immobilienhaien überfallen worden.

So ist es als Milieuschutz-Gebiet bereits 2004 aus der Erhaltungssatzung herausgefallen. Drei Schutzgebiete, die der BA Altstadt-Lehel 2016 neu für das hübsche Viertel beantragt hatte, hat die Stadtverwaltung nicht genehmigt. Tragischerweise, weil in dem begehrten Wohngebiet die Bevölkerungsmischung eben nicht mehr stimmt. Im Lehel wohnen sowieso nur noch Rechtsanwälte, Ärzte und Architekten, so der Eindruck vieler Münchner.

Bernd Plank, Sprecher des Kommunalreferats: "Normalsterbliche können sich im Lehel weder eine Miet- noch eine Eigentumswohnung leisten. Ist das noch das Milieu, das wir schützen wollen?"

Übrigens: 2018 läuft auch der Schutz für die Alte Heide, Harras/Passauer Straße, die Hohenzollernstraße mit dem Hohenzollernplatz und das St.-Benno-Viertel aus.


Erhaltungssatzungen: Gebiete gegen Luxus-Auswüchse

Der Münchner Stadtrat hat 21 Gebiete innerhalb des Mittleren Rings als "Milieu-Schutzgebiete" deklariert. Das bedeutet: Hier sollen alteingesessene Mieter vor Vertreibung und Luxussanierung geschützt werden. Denn hier gilt die sogenannte Erhaltungssatzung. Doch:

Was ist ein Erhaltungssatzungs-Gebiet genau? Drei Punkte unterscheiden die Schutzgebiete von normalen Wohngebieten:

  • Luxussanierungen sind nicht erlaubt: Wer in Erhaltungssatzungs-Gebieten umbauen oder sanieren will, braucht eine Genehmigung der Stadt. Nicht verboten ist eine Modernisierung auf einen üblichen Standard, wie neue Fenster oder ein neues Bad.
  • Aufteilungen sind verboten: Seit 1. März 2014 ist es im Schutzgebiet nicht erlaubt, ein Mietshaus in Eigentumswohnungen aufzuteilen – und dann einzeln zu verkaufen. Für diese Regelung haben Mieterverbände lange gekämpft.
  • Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht: Wenn in einem Gebiet, für das die Erhaltungssatzung gilt, ein Mietshaus verkauft wird, hat die Stadt das Recht auf den Erstzugriff. Die Stadt kann ihre Ankäufe den städtischen Wohn-Gesellschaften GWG und Gewofag übertragen, die auf Dauer günstige Mieten garantieren.

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