Gefesselt ins Polizeiauto: Münchnerin klagt an

Pia E. fährt mit dem Radl bei Rot über die Ampel. Zwei Polizisten nehmen sie fest. „Ich wurde geschlagen“, sagt die Münchnerin
Schwabing - Pia E. (54) bekommt Panikattacken, wenn sie mit ihrem Rad in die Nähe der Herzogstraße an der Ecke zur Belgradstraße kommt: „Hier haben mich zwei Polizisten misshandelt, gefesselt und zur Blutentnahme gebracht – nur weil ich mit dem Rad bei Rot über die Ampel bin.“
Jetzt beschäftigt der Fall das Münchner Landgericht für Zivilsachen. Die ehemalige Gastronomin zieht sich bei dem Polizeieinsatz zahlreiche blaue Flecken am Rücken und Armen zu.
4000 Euro Schmerzensgeld fordert sie vom Freistaat Bayern. Polizist Nikolaj H. (38) sagt im Zeugenstand: „Wir haben gesagt, wenn sie sich weigert, müssen wir Zwangsmaßnahmen anwenden. Dabei haben wir nur Maßnahmen angewendet, die notwendig waren. Auf gut Deutsch: körperliche Gewalt.“
Gezielte Schläge mit Faust und Füßen will der Beamte allerdings nicht bestätigen.
Nach einem schönen Abendessen am 28. April 2011 will sich Pia E. noch etwas bewegen: „Ich bin eine leidenschaftliche Radlerin.“ Gegen 21.30 Uhr fährt sie los: „Ich hatte zum Essen ein Viertel Rotwein, fühlte mich noch fahrtüchtig.“ Sie fährt Richtung Innenstadt und biegt bei Rot nach rechts von der Belgrad- in die Herzogstraße ein: „Ich habe weder mich noch andere in Gefahr gebracht.“
Ihr Pech: zwei Polizisten sind in der Nähe im Streifenwagen unterwegs. Nikolaj H. sitzt am Steuer: „Mein Kollege sah es. Ich habe gleich gewendet und wir sind hinterher.“ Der Zeuge: „Wir haben ihr den Tatvorwurf eröffnet. Ihre Sprache war verwaschen. Wir vermuteten 1,6 Promille, wollten einem Atemalkoholtest durchführen.“ Ohne Erfolg. Sie wollen Pia E. in die Gerichtsmedizin zur Blutentnahme mitnehmen.
Nikolaj H.: „Sie hat viel lamentiert. Mehrfach haben wir ihr gesagt, dass das mit dem Rotlicht nichts mehr zu tun hat. Das war eine Trunkenheitsfahrt.“ Er und sein Kollegen legen ihr schließlich Handschellen an und bringen sie in die Gerichtsmedizin. Dort löst man die Fesselung und droht: „Wir legen sie wieder an, wenn Sie sich wieder sträuben.“ Als die Ärztin kommt, soll Pia E. sich geweigert haben den rechten Arm frei zu machen.
Es kommt zum Gerangel. Pia E. wird zu Boden gedrückt. Einer zieht mit Gewalt ihren rechten Arm hoch. Der Kollege fixiert sie mit Bein und Händen am Boden. Pia E. kann sich nicht mehr bewegen. Blut wird entnommen.
Danach kommt Pia E. in Fesseln auf die PI 13. „Als sie wieder ruhig war, durfte sie gehen“, sagt Nikolaj H. „Ich lag schon in der Herzogstraße am Boden und ich wurde geschlagen“, sagt Pia E. „Man hat mich behandelt wie einen Schwerverbrecher. Ich hatte tagelang Schmerzen Der Arzt meinte noch, ich hatte Glück, dass man mich nicht gleich erschossen hat.“ Die Blutprobe ergibt 0,7 Promille.
Da das Strafverfahren gegen die Beamten eingestellt ist, zielt Anwältin Gisela Gelies auf die Rechtswidrigkeit der Festnahme: „Ihre Rechte wurden ihr nicht richtig erklärt und kein Richter ist über den Gewahrsam informiert worden.“ Das schreibt die Strafprozessordnung vor. Nur bei Gefahr in Verzug darf die Polizei sofort handeln. Im Fall Pia E. ist die Vorschrift weit ausgedehnt.
Am 18. Dezember fällt das Urteil.
Rechtslage - Das darf die Polizei
In der Strafprozessordnung ist auch geregelt, wann die Polizei eine Blutentnahme anordnen darf.
Der Wortlaut des Paragrafen 81a: (1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (dazu gehören auch Polizisten, die Red.) zu.