Gasteig München: Architekturbüro verliert Zuschlag

Noch eine Verzögerung beim Gasteig: Die Vergabekammer gibt den beiden unterlegenen Architekten recht. Nun muss das Verfahren wiederholt werden.
Robert Braunmüller |
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Architektur Henn/Visualisierungen MIR

München - Bei Großprojekten wie der Gasteig-Sanierung geht es um eine Menge Geld. Nicht nur für den Steuerzahler, sondern auch bei den Architekten. Die investieren viel Zeit und Mittel in die Teilnahme eines Wettbewerbs, fliegen in der letzten Runde raus und bleiben von der wirklich lukrativen Ausführung des Baus ausgeschlossen.

Dagegen kann man sich wehren, wenn man den Eindruck gewinnt, dass beim Verfahren formale Fehler passiert sind. Die unterlegenen Büros Auer Weber (München) und Wulf (Stuttgart) haben das im Fall der Gasteig-Sanierung getan. Sie reichten erst eine Beschwerde ein. Nach deren Ablehnung ließen sie das auf den Wettbewerb folgende Vergabeverfahren bei der Vergabekammer der Regierung von Oberbayern überprüfen.

Kritik an der Aufhebung der Anonymität

Die schloss sich nun den Argumenten der Beschwerdeführer an und hob die Vergabe der Gasteig-Sanierung an das Architekturbüro Henn auf. Das Vergabeverfahren muss also wiederholt werden, weil Fehler bei der Dokumentation der Vergabe gemacht wurden und die Bewertung der Vergabekommission in ihren Kriterien nicht transparent gewesen sei.

Die Regierungskammer kritisierte auch die Aufhebung der Anonymität der drei Siegerbüros in der zweiten Phase der Ausschreibung. Sie habe als Belastung auf dem folgenden Verfahren der Überarbeitung und Bewertung gelegen. Dabei seien die Kriterien zum Teil zu weit gefasst gewesen. Nun muss das Vergabeverfahren mit neu überarbeiteten Entwürfen wiederholt werden. Dass die Architekten das Verfahren prüfen ließen, hat mit dem unerwarteten Ausgang des Wettbewerbs vor Pfingsten 2018 zu tun. Das mit Architekten und Vertretern der Stadt besetzte Preisgericht kürte damals noch keinen klaren Sieger, sondern vergab drei erste Preise.

Kammer sieht Nachbesserungsbedarf

Dem damals entstandenen Eindruck fundamentaler Uneinigkeit traten gut informierte Kreise mit dem Hinweis auf die Komplexität der mit einem Umbau verbundenen Sanierung entgegen, bei der die Neugliederung der Innenräume wichtiger wie die glänzende Außenseite sei. In diesem Punkt habe es bei allen Projekten Nachbesserungsbedarf gegeben, weshalb es keinen klaren Sieger gegeben habe. Auf das Preisgericht folgte das Vergabeverfahren, bei dem die Preisrichter nur noch beratend beteiligt waren.

Auf der Zielgeraden kam dann noch das Urheberrecht ins Spiel. Ursprünglich hatte es geheißen, dass das Architektenteam Raue, Rollenhagen, Lindemann und Grossmann, das zu Beginn der 1980er Jahre den Gasteig entworfen hatte, auch für radikale Lösungen offen sei. Ende September wollte Rollenhagen plötzlich den verhassten Trutzburg-Charakter erhalten wissen. Der wäre in den letztlich unterlegenen Projekten von Auer Weber und Wulf stärker aufgebrochen worden als beim Entwurf des Büros Henn, der dann prompt im Vergabeverfahren siegte.

Sondersitzung im Aufsichtsrat geplant

In der Schlussphase des Vergabeverfahrens war eine Präferenz der Gasteig-Urheber für den Entwurf von Henn durchgesickert. Für ein gewisses Störfeuer sorgte auch die SPD im Rathaus, die dem für den Landtag kandidierenden Gasteig-Aufsichtsratschef Josef Schmid (CSU) ärgern wollte. Außerdem stellte sich der Eindruck ein, das Büro Henn habe durch frühere Aufträge für Voruntersuchungen über einen Wissensvorsprung verfügt. Andererseits versicherten Insider nach der Entscheidung, dass Henn am ehesten bereit gegessen sei, auf die Wünsche der Gasteig-Nutzer einzugehen und dass die Urheberrechtsfrage zuletzt eine geringe Rolle gespielt habe.

Der neue Gasteig-Aufsichtsratschef Manuel Pretzl will "zeitnah eine Sondersitzung des Aufsichtsrates einberufen. In dieser sollen die Gasteig GmbH und beauftragte Rechtsanwälte einen detaillierten Bericht, Aufklärung sowie die Darstellung des weiteren Verfahrens abliefern. Dann wird über weitere Schritte entschieden."

Gasteig wird Entscheidung nicht anfechten

Aus dem Gasteig selbst tönt es gelassener. Dem Vernehmen nach will man die Entscheidung, dass neu getagt werden muss, akzeptieren. So wird das Vergabeverfahren also noch einmal neu durchgeführt. Theoretisch wäre es dabei aber möglich, dass am Ende ein anderer Sieger feststeht. "Aber wir gehen davon aus, dass wir in etwa vier Monaten den Prozess für die Entscheidung für ein Architekturbüro aus den drei Wettbewerbsgewinnern abgeschlossen haben werden", sagt Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner.  Das Großprojekt "Der neue Gasteig" sehe eine Fertigstellung bis Ende 2025 vor. "Wir sind zuversichtlich", so Wagner, "dass wir in den knapp sieben Jahren diese Verzögerung aufholen und den Zeitplan halten können".

Man kann sich dennoch fragen, wieso erfahrenen Architekten und Experten der Stadt solche Verfahrensfehler passieren. Die Frage ist berechtigt, aber zugleich ein bisschen naiv: Architekturwettbewerbe sind hochkomplex. Gasteig-Chef Max Wagner versichert jedenfalls: Teurer wird die teure Gasteig-Sanierung durch diese Verzögerung nicht. Hoffen wir, dass das stimmt.

Beim Wettbewerb für die andere Großbaustelle – den staatlichen Konzertsaalneubau im Werksviertel – hatte Stephan Braunfels zwar vergeblich gegen das Vergabeverfahren geklagt, was aber zu einer Verzögerung von einem halben Jahr führte.

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