Freiham: Wie diese Frau ein Traditionsunternehmen in die Moderne führt

Catrin Graf führt ein Traditionsunternehmen in die Moderne. Für ihr Engagement wurde sie jetzt ausgezeichnet, bleibt aber bescheiden.
von  Paul Nöllke
Catrin Graf mit Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner beim LaMonachia-Preis.
Catrin Graf mit Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner beim LaMonachia-Preis. © Erol Gurian

Freiham - Ein Geschäft für Dichtungsleisten stellt man sich eigentlich anders vor. Doch im Unternehmen von Catrin Graf ist vieles anders. Das merkt man schon, wenn man in ihren Laden kommt: In dem modernen Haus duzen sich die Angestellten, die Türen zu den Räumen stehen offen und bunte Graffiti-Kunst schmückt die Wände.

Grafs Firma könnte ein modernes Start-up in einem hippen Stadtviertel von Berlin sein. Tatsächlich ist es ein traditionelles Familienunternehmen in Freiham.

Angefangen hat alles in einem Eisenwarenladen in der Sendlinger Straße. Damals verkauften Grafs Eltern dort Schrauben und Beschläge. "Leider versäumten es, meine Eltern mit der Zeit zu gehen und mussten verkaufen", bedauert Graf. Sie hat sich vorgenommen: Das passiert ihr nicht.

Catrin Graf mit Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner beim LaMonachia-Preis.
Catrin Graf mit Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner beim LaMonachia-Preis. © Erol Gurian

Catrin Graf: "Wir müssen vorne dabei sein"

Auch deshalb arbeitet sie so innovativ: "Stellen Sie sich vor, in fünf Jahren hat plötzlich jeder einen 3D-Drucker im Wohnzimmer und druckt selbst Dichtungsleisten. Dann passe ich mich entweder an, oder mache den Laden zu. Vielleicht stellen wir in fünf Jahren keine Dichtungen her, sondern 3D-Drucker. Wir müssen vorne dabei sein."

Diese Einstellung hat sich für Graf bewährt. Ihre Eltern gründeten das Dichtungsgeschäft in der Landsberger Straße nach dem Verkauf des Eisenwarenladens. "Meine Mutter hatte im Laden einen Spiegel angebracht, damit der Raum größer schien. Eigentlich war das ein Schaufenster mit angebautem Klo", sagt Graf.

Die Unternehmerin beschloss, den Laden bei der Rid-Stiftung zu bewerben, um dort Fortbildungen zum Thema E-Commerce machen zu können. "In unserer Bewerbung schrieb ich, wir hätten drei Angestellte. Einer war nur eine Aushilfe. Wir waren ein winziges Geschäft."

Catrin Graf: Respektiert in einer Männer-Domäne

Heute kann davon keine Rede mehr sein: Graf Dichtungen residiert in einem großen Neubau in Freiham, auf dem Nachbargrundstück wird eine Erweiterung gebaut. Der Onlineshop floriert und in Berlin hat Graf heute zwei Filialen. Der Erfolg von Catrin Graf ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass sie als Unternehmerin in einem eher konservativen und männerdominierten Umfeld tätig ist.

Sie selbst geht damit gelassen um: "Mir ist aufgefallen, dass ich fast immer respektiert werde." Dass Leute bei ihr anrufen und mit dem Geschäftsführer Herrn Graf verbunden werden wollen, passiere auch nicht mehr oft. "Ich glaube, dass so etwas in Zukunft immer unwichtiger wird." Manchmal komme es allerdings vor, dass ein Mann im Laden anruft und nur von einem Mann beraten werden will. "Dann leiten wir ihn halt an einen männlichen Verkäufer weiter", kommentiert Graf.

So pragmatisch geht Graf mit den meisten ihrer Probleme um. Als sie im elterlichen Geschäft den Onlinehandel einführte, war sie alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen. "Irgendwie hat das geklappt, sagt die Unternehmerin. "Es war natürlich nicht immer einfach. Ich glaube aber, dass Frauen eher als Männer immer noch einen Plan B und C haben. Wenn dann ein Problem auftritt, hält man sich nicht lange damit auf, sondern arbeitet an der Lösung."

Das alte Eisenwarengeschäft der Familie Graf in der Sendlinger Straße.
Das alte Eisenwarengeschäft der Familie Graf in der Sendlinger Straße. © privat

Catrin Graf: Die Sache mit der Auszeit

Einmal wurde es aber auch für Catrin Graf zu viel. "Vor fünf Jahren brauchte ich eine Auszeit. Damals kam viel zusammen", erzählt sie. "Wir waren kurz davor, aus unserem alten Geschäft auszuziehen und in Freiham zu bauen. Ich wollte immer mal in den USA leben, und wusste, wenn ich das jetzt nicht mache, schaffe ich das nie. Ich war dann drei Monate weg. Als ich wieder nach Hause kam, war ich gespannt, wie es gelaufen war. Meine Mitarbeiter hatten alles geregelt, das Geschäft war weitergelaufen."

Seitdem hat Graf volles Vertrauen in ihre Angestellten. Es ist ihr wichtig, zu betonen, wie viel sie anderen verdankt: der Rid-Stiftung, ihrer Familie und ihren Mitarbeitern. Den LaMonachia-Preis, den Catrin Graf für ihren Erfolg als Unternehmerin bekommen hat, erwähnt sie kaum. Und vielleicht ist genau das, was man am meisten an ihr bewundert: dass sie trotz ihres Erfolgs so bescheiden geblieben ist.

Kurz erklärt: E-Commerce

E-Commerce ist ein Sammelbegriff für den elektronischen Handel im Internet. Bekannte E-Commerce-Firmen sind zum Beispiel Ebay und Amazon, auf deren Webseiten man im Internet Waren kaufen kann. Schätzungen zufolge macht E-Commerce bereits zehn Prozent des deutschen Einzelhandels aus, dieser Anteil wird in Zukunft aber wohl noch steigen.

Das ist der LaMonachia-Preis

Der LaMonachia-Preis ist ein Wirtschaftspreis der Stadt für Frauen. Er wurde 2018 zum ersten Mal verliehen. Herausragende Geschäftsleistungen, Innovationsfähigkeit und Engagement sind Kriterien für die Juroren. Die Preisträgerinnen erhalten Geld und eine Brosche, die eine Löwin darstellen soll. Heuer war Catrin Graf eine der zwei Gewinnerinnen.

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