Frau von Müllwagen totgefahren: Witwer wütend auf Stadt München

München - Drei kleine Buben haben an einem Tag im Juli 2009 ihre Mutter verloren. Natalie Ciletti war an der Kreuzung Türken-/Schellingstraße mit ihrem Fahrrad in den toten Winkel eines Müllwagens geraten und überrollt worden. Die 38-Jährige war bekannt im Viertel. Wochen nach dem Unglück erinnern Lichter und Blumen am Straßenrand an den Tod der Frau. Ihr Mann Markus (51) betreibt bis heute die Gaststätte "Schall und Rauch". Nur wenige Meter von dem Unglücksort entfernt.
Er erinnert sich: "Es ist ein schöner, warmer Sommertag im Jahr 2009, als sich Natalie vor der Bar verabschiedete." Minuten später klingelt sein Handy, es ist eine Freundin seiner Frau: "Komm schnell, es ist etwas Schreckliches passiert!"
Natalie stirbt in seinen Armen
Markus Ciletti rennt los und findet seine Frau auf der Straße vor, überfahren von einem städtischen Müllauto. "Sie wollte nur mit ihrem Fahrrad vor einem parkendem Müllwagen die Straße überqueren. Der Fahrer hat sich einfach nicht nach vorne gebeugt, um den toten Winkel zu kontrollieren, und ist einfach losgefahren."
Natalie stirbt in den Armen ihres Mannes. Eine Welt bricht zusammen. Für Markus Ciletti und für die drei Söhne. "Bis heute habe ich mit der Stadt München vor Gericht für eine Entschädigung meiner Kinder gestritten, bekommen haben sie nichts."

Keine Antwort von Alt-OB Ude
Die Stadt beruft sich aufgrund einer versäumten Fristverlängerung von Cilettis damaligen Anwalt auf Verjährung. Zuvor hatte sie ihm mehrere Monate lang in Aussicht gestellt, die Kinder trotz der Verjährung aus einem Sozialfonds zu entschädigen. Dann hieß es plötzlich, es gäbe keinen Cent.
"Ich habe eine wahnsinnige Wut auf die Stadt", sagt Ciletti. Der Vater wendet sich an Alt-OB Christian Ude, der ihm damals in einem persönlichen Schreiben kondoliert hatte. Doch er erhält keine Antwort, berichtet der Witwer.
Sieben Jahre voller Trauer
"Ich gehe jeden Tag an der Stelle vorbei", sagt Markus Ciletti, der sich in seiner Kneipe mit dem AZ-Reporter verabredet hat. Die Trauer habe lange gedauert. Die Kinder - die drei Buben waren damals ein Jahr, fünf und zwölf Jahre alt - waren traumatisiert. Er selber fühlte sich aus der Bahn geworfen, musste aber als Vater weiter funktionieren.
All die Zukunftspläne, die er mit Natalie hatte – zerstört. Sieben Jahre habe die Trauerphase gedauert, sagt der Wirt. Und ganz vorbei ist sie immer noch nicht: "Das trägt man immer mit sich rum." Auch finanziell ist es seit damals enger geworden. Zwar bekam er 50.000 Euro Entschädigung zugesprochen. "Aber allein die Haushaltshilfen kosteten das Doppelte", sagt Ciletti.
AWM zahlte einmalig einen hohen Betrag
Zwar sieht man bei den Abfallwirtschaftbetrieben (AWM), dass der Unfall mit ihrem Müllwagen tragisch war. "Der Abfallwirtschaftsbetrieb kann den Schmerz der Familie sehr gut verstehen", erklärt Pressesprecherin Evi Thiermann auf AZ-Nachfrage. Aber: "Rein rechtlich ist der Fall abgeschlossen." Den Fahrer habe keine Schuld getroffen, das sei festgestellt worden.
Trotzdem wurde Ciletti aufgrund der Betriebsgefahr, die von einem Müllwagen ausgeht, eine Zahlung von 50.000 Euro zugestanden. Ähnliches müsste auch für die Unterhaltsansprüche der drei Kinder gelten, findet Ciletti. Doch da ist bekanntlich eine Frist nicht eingehalten worden.
Wer trägt Schuld daran, dass die Kinder kein Geld bekommen haben?
Der Tipp der AWM: Verantwortlich für die Verjährung der Unterhaltsansprüche der Kinder sei ja ein früherer Anwalt Cilettis: "Dieser Anwalt könnte für dieses Versäumnis belangt werden." Außerdem habe man sich seitens der Stadt bereits kulant gezeigt: "In einem 2018 geschlossenen Vergleich, dem alle Parteien zugestimmt haben, wurden an Herrn Ciletti Zahlungen geleistet und kulanterweise auch eine Summe für die Kinder."
Dem widerspricht der jetzige Anwalt Cilettis, Florian Haußleiter: "Bei dem Abfindungsbetrag von 50.000 Euro wurden ausschließlich die Ansprüche des Herrn Ciletti reguliert. Ganz sicher wurde kein Euro für die Kinder bezahlt. Weder explizit noch kulanterweise. Die Aussage der Stadt ist hier falsch. Objektiv falsch."
Moralisch mehr als fragwürdig, findet der Witwer
Das sagt auch Markus Ciletti: "Welches Geld ist denn an meine Kinder geflossen? Jeder bekommt ein paar Euro Waisenrente, sonst nichts. Moralisch ist das alles mehr als fragwürdig." Gibt es vielleicht angesichts des tragischen Unfalls den Willen, der Familie des Opfers zu helfen? Thiermann: "Weitere Zahlungen kann der AWM nicht leisten, weil diese ja aus dem öffentlichen Gebührenhaushalt finanziert werden müssten; und das ist ohne Rechtsgrundlage leider nicht möglich."
Markus Ciletti ist ein Münchner Kindl, im Schwabinger Krankenhaus geboren. Doch wenn er das erzählt, klingt jetzt Bitterkeit in seiner Stimme mit: "Von wegen Weltstadt mit Herz. Ich fühle mich herzlos behandelt."