Flüchtlingsunterkunft: BA-Sitzung unter Polizeischutz

Nach rassistischen Kommentaren im Internet befürchtet der Vorsitzende des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach einen Neonazi-Aufmarsch und alarmiert die Beamten.
Natalie Kettinger, Gabriele Mühlthaler |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Auf diesem Feld südlich der Nailastraße in Neuperlach soll bis März 2015 eine Gemeinschaftsunterkunft entstehen.
www.neila.neuperlach.de Auf diesem Feld südlich der Nailastraße in Neuperlach soll bis März 2015 eine Gemeinschaftsunterkunft entstehen.

München - Seitdem bekannt ist, dass die Stadt an der Nailastraße in Neuperlach eine Gemeinschaftsunterkunft für 275 Flüchtlinge und Obdachlose errichten will, geschieht im 16. Bezirk Bedenkliches. „Eine Minderheit der Bewohner hat eine wahre Kampagne entfaltet, die vor volksverhetzenden und rassistischen Argumenten nicht zurückschreckt“, erzählt ein Anwohner. Auch über Hausbesuche sei versucht worden, „die Nachbarn in diesem Sinne zu beeinflussen“.

Trauriger Höhepunkt der ausländerfeindlichen Stimmungsmache: Für die letzte Sitzung des Bezirksaussschusses (BA) forderte Vize-Vorsitzender Guido Bucholtz Polizeischutz an – aus Angst, die Versammlung könnte von Neonazis gestürmt werden.

Auslöser seiner Bedenken war eine Unterschriftenliste im Netz, deren Unterzeichner den Bayerischen Landtag dazu auffordern, das geplante Flüchtlingsheim gar nicht oder deutlich kleiner zu bauen. „Ich habe nichts dagegen, dass jemand eine Petition startet“, sagt Guido Bucholtz. „Aber der Verantwortliche sollte darauf achten, dass sie nicht zur Plattform von Rechtsradikalen wird.“

Lesen Sie hier: Braunes Haus: Neonazis müssen raus

In den Kommentaren zu besagter Liste finden sich jedoch etliche fremdenfeindliche Aussagen. Wenn die Asylanten nach Neuperlach kämen, würde in Schulen und öffentlichen Verkehrsmitteln bald kein Deutsch mehr gesprochen, befürchtet einer. Ein anderer Unterzeichner glaubt, dass im Viertel dann vermehrt geklaut werde. Ein dritter bangt um die Sicherheit seiner Kinder.

Unerwähnt bleibt, dass sich das Sozialreferat mit einem Info-Blatt an die Anwohner gewandt hat, in dem auch die Sicherheitsfrage thematisiert wird: „Nach der bisherigen Erfahrung konnten in der nahen Umgebung solcher Einrichtungen weder in München noch in anderen deutschen Städten gesteigerte Kriminalitätsraten oder andere Auswirkungen festgestellt werden.“

Als die Initiatorin der Petition die BA-Sitzung vergangene Woche fälschlich als „Bürgerversammlung“ ankündigte, versuchte Guido Bucholtz, sie zu kontaktieren – zumal sie im Internet dazu aufgerufen hatte, „mit genügend Präsenz zu zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen“.

Guido Bucholtz: „Ich konnte sie weder telefonisch noch über das Internet ausfindig machen.“ Deshalb habe er begonnen, sich zu fragen, ob hinter dem Namen vielleicht jemand ganz anderes stecken könnte: „Irgendeiner von der braunen Soße“.

Deswegen, sagt der Viertel-Politiker, habe er sich an die örtliche Polizeiinspektion gewandt und um Schutz gebeten. „Meine Aufgabe war es, den Sitzungsverlauf sicherzustellen und dem bin ich nachgegangen. Ich wollte einen eventuellen Aufmarsch dieser Gestalten verhindern.“

Kurz vor Beginn der Veranstaltung im Kulturhaus am Hanns-Seidl-Platz bezogen deshalb zwei Streifenwagen vor der Tür Position. „Aufgrund der Falschinformation kamen etwa 40 bis 50 Leute“, erzählt Bucholtz. „Ob Rechte dabei waren, weiß ich nicht. Sie haben sich zumindest nicht zu erkennen gegeben.“ Die meisten Anwesenden hätten sich um die Sicherheit, den Wert ihrer Immobilie oder die Größe der Einrichtung gesorgt.„Dass es Bedenken und Ängste gibt, verstehe ich ja“, sagt Bucholtz. Deshalb hätten er und seine Kollegen ja ausführlich mit den Menschen diskutiert.

Denn die Mitglieder des Bezirks-Gremiums sind mit den Plänen des Sozialreferates ebenfalls nicht vollends zufrieden. Sie fordern unter anderem mehr Sanitäranlagen, mehr Aufenthaltsräume und ausreichend Betreuer für die Flüchtlinge. Zudem wurde bekannt, dass in der Woferlstraße und „Im Gefilde“ 410 weitere Asylbewerber untergebracht werden sollen – auch hier dürfte es noch Gesprächsbedarf geben.

Die Polizisten mussten bei der BA-Sitzung übrigens nicht eingreifen. Ein ungutes Gefühl bleibt dennoch. „Ich bin seit 20 Jahren im BA“, sagt Guido Bucholtz. „Aber so etwas hatten wir noch nie.“

 

 

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.