Entführter Chester wird Suchhund
München - Endlich lernen sie Chester kennen. Chester, dessen konservierten Duft sie aus einem Marmeladenglas eingeatmet haben. Chester, dessen Spur sie vom Gollierplatz bis zum Goetheplatz gefolgt sind. Chester, der am 23. Dezember am Romanplatz entführt wurde. Chester, der am 19. Januar wiedergefunden wurde, weil seine Familie und die Suchhundestaffel K-9 nicht aufgegeben haben. Chester, der jetzt an der Leine zieht und Terrierdame Rommy am Hintern schnüffelt.
Rommy ist mit zehn Jahren die Erfahrenste in der Hundestaffel. Seit acht Jahren sucht sie vermisste Hunde, ist rot geprüft, wie ihr Frauchen, Tierärztin Andrea Thiess-Blanke erklärt. Die Farben sind ähnlich wie beim Judo und Rot ist die vorletzte Stufe. Manchmal sind sie mehrmals die Woche unterwegs und suchen vermisste Hunde. Nur selten finden sie die Tiere. Aber sie können den Besitzern eine Richtung sagen, in die der Hund unterwegs ist. Sie geben Hoffnung, dass er lebt – etwa wenn Rommy bellend anschlägt, wie bei Chester.
Wenn sie eine Spur aufgenommen haben, ziehen die Hunde so sehr, dass die Hundeführer Hilfe brauchen: Birgit Winkler und Michaela Hadek sind Suchgruppenhelfer und immer dabei. Sie achten auf Radler, Autos, Fußgänger und sichern die Suchstrecke ab. Über der Theresienhöhe folgte Rommy am 10. Januar einer Spur. Da war Chester schon fast drei Wochen entführt. An der Bavaria bellte sie einen Mann aus, einen Junkie. Er behauptete, Chester nicht zu kennen. Neun Tage später stellte Chesters Herrchen an einer Methadonausgabestelle im Westend ein drogenabhängiges Paar, das mit Chester unterwegs war. Das Ehepaar Schumacher war ständig im Westend unterwegs, weil es Hinweise von Anrufern und von den Suchhunden gab, dass Chester dort ist.
Vier Hunde haben nach dem 23 Monate alten Rüden gesucht. Sie erschnüffelten seine Spur, aber nicht ihn. Am Dienstag haben sie Chester kennengelernt. Frauchen Nicoline Schumacher kam mit ihren fünf Kindern nach Gräfelfing, um die Suchhundestaffel kennenzulernen. Sie brachte Sekt und Leckerlis. Noch einmal wurde Chester versteckt. Nacheinander folgten Therapiehund Joy mit Gusti Kittlinger, die erfahrene Rommy mit Dr. Andrea Thiess-Blanke und die spanische Mischlingsdame Nova mit Karin Orle der Spur und fanden ihn. Dieses Erfolgserlebnis ist wichtig.
Die Hundestaffel arbeitet ehrenamtlich, seit 2004 unterstützen die Hundeexperten sogar die Polizei. Chester ist ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Suche: „Die Schumachers haben plakatiert und geflyert, so hatten wir Hinweise von Münchnern, die Chester gesehen hatten. Nicoline hat sich mit ihnen getroffen und sich genau zeigen lassen, wo der Labrador war. Von dort konnten wir mit der Suche starten“, sagt Karin Orle.
K-9 Suchhundezentren gibt es deutschlandweit. Sie finanzieren sich über Kurse für Hund und Herrchen: Für viele Spurensucher ist das so genannte „Mantrailing“ ein Hobby, dem sie gemeinsam mit ihrem dort ausgebildeten Tier nachgehen. Gesucht wird ehrenamtlich: Nach vermissten Hunden, Katzen, aber auch suizidgefährdeten Menschen, Dementen und Toten. Die Familie Schumacher ist so begeistert von der Arbeit der Suchhunde, dass Chester jetzt auch ausgebildet wird.
Am Dienstag wurde ihm seine erste Spur gelegt. Der dreizehnjährige Moritz hat sich ein Taschentuch ins Gesicht gerieben. Dann hat er das nasse Gras angefasst und sich fünfzehn Meter entfernt im Gebüsch versteckt. Chester schnüffelte kurz am Taschentuch, erkannte seinen Moritz. Und fand ihn im Gebüsch mit vielen Leckerlis. Für Chester, die Familie Schumacher und ihre fünf Kinder ist das erst der Anfang. Sie wollen regelmäßig zum Training kommen und in etwa zwei Jahren selbst bei der Suche nach Vermissten helfen.
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