Einsatz extrem! So trainiert die Münchner Polizei

Altstadt - André schlägt seine Frau. Und seinen Bruder. Er randaliert in der Wohnung, rastet bei Verkehrskontrollen aus und rennt der Polizei davon. André dreht auch durch, mit Messer, Hammer oder Axt. Oder läuft Amok. André ist der Albtraum aller Polizisten. Aber nur fünf Tage in der Woche.
Dann schlägt, schreit und schießt der 38-Jährige im Polizeilichen Einsatztraining (PE) im Münchner Polizeipräsidium. Seit 2011 trainiert der Ausbilder dort Beamte. André arbeitet meist unter Tage, im Keller des Präsidiums in der Ettstraße: weiße Wände, blauer Schaumstoff an Ecken und Kanten, graublaues Linoleum.
Über eine Treppe geht es runter zu vier Szenario-Zimmern. In einem steht ein zugemüllter Schreibtisch, in einem anderen ist ein Wohnzimmer – die Möbel sehen aus wie vom Sperrmüll, an den Wänden hängen Filmplakate („Immer Drama um Tamara“).
Hier trainiert ein großer Teil der rund 6800 Bediensteten mehrmals im Jahr – sogar Polizeipräsident Hubertus Andrä und sein Vize Robert Kopp lassen sich hier mindestens einmal im Jahr blicken. Alle üben das Gleiche: richtiges Verhalten unter Stress.
Wie man richtig mit „Störern“ spricht: die Hände vor der Brust, Sicherheitsabstand halten, nicht duzen. Wann man Gewalt anwendet: nur bei „unmittelbarem Zwang“ – ein dehnbarer Begriff. Laut Trainer Christian Strobel (36) soll ein Polizist einlenken und beruhigen, „irgendwann aber muss ich die Grenze setzen.“ Sonst fühle sich der andere vielleicht ermutigt, selbst anzugreifen.
Wie man Pfefferspray einsetzt: Auf Daumendruck spritzt das Spray einen harten, zielgenauen Strahl – und trifft auf mehrere Meter. In echten Einsätzen wirkt der aber nicht immer – weil viele wegen des Adrenalins keine Schmerzen verspüren. „Ich habe es bisher dreimal benutzt, und es hat dreimal nicht funktioniert“, sagt Ausbilder Strobel.
Wie man Türen eintritt: nur mit dem Fuß! Die Schulter? „Äußerst schmerzhaft“, sagt der Verantwortliche fürs PE-Training, Franz Hindl. Aufschießen? „Hab’ noch nie davon gehört.“ Manchmal geht’s auch ganz leicht: Hindl blieb mal mit dem Bein in der Billig-Tür stecken. Die AZ macht den Test: Ein Tritt, und die Tür fliegt auf. Nicht so schwer wie gedacht, aber: Das geht ganz schön auf den Rücken.
Wie man schießt: Das üben die Polizisten mit Farb-Patronen – „das tut weh“, sagt Hindl, Mit 120 Metern pro Sekunde klatschen sie auf die Kleidung oder die Motorradhelme, die die Beamten dabei tragen. Danach haben viele Ausbilder blaue Flecken am Körper. Gezielt wird auf Oberschenkel oder Knie, falls der Angreifer weiter weg ist. Kommt er näher, dann auf Herz oder Kopf – so oft, bis er stehen bleibt oder zusammenbricht.
Wie oft ein Polizist abdrücken muss, ist immer unterschiedlich: In Extremsituationen fliegen Getroffene nämlich nicht rückwärts durch die Luft wie im Film. Im Gegenteil, viele rennen einfach weiter. Selbst nach Herztreffern sind manche Menschen noch gefährlich – bis zu sieben Sekunden lang.