„Einfache Sprache, aber vernünftig“

„Es geht um Teilhabe“, erklärt Diana Stachowitz, die Beiratsvorsitzende der Stiftung „Wort und Tat“, wie es zur Übergabe der Wahlprüfsteine von Menschen mit Behinderung im Rathaus kam.
Altstadt - Am Montag kam eine Gruppe von Menschen mit Behinderung, begleitet von der „Offenen Behindertenarbeit“ (OBA) und der Stiftung „Wort und Tat“, ins Münchner Rathaus, um den drei Stadtratsfraktionen Wahlprüfsteine zu behindertenspezifischen Themen zu überreichen.
Die Kommunalpolitiker von SPD, Grünen und CSU staunten, denn die Besucher vertraten ihre Interessen mit Leidenschaft und die geplante Gesprächszeit reichte kaum zur Beantwortung der vielen Fragen und Anliegen aus, die auf Reinhard Bauer, SPD, Jutta Koller, Bündnis 90/Die Grünen und Marian Offman und Manuel Pretzl von der CSU einstürmten.
Es ging um Wohnen, Arbeit und Freizeit, vor allem aber um die Möglichkeiten der Teilhabe. „Wir wollen soviel verdienen, dass wir davon realistisch leben können“, forderte ein Teilnehmer. Bei der Arbeit in den Werkstätten verdienen Menschen mit Behinderung meist lediglich ein Taschengeld, oftmals wird der Lohn auch noch auf ihre Erwerbsminderungsrente angerechnet.
Eine Besucherin beklagte, dass sie zusätzlich zu ihrer Rente und ihrem Nebenverdienst aus der Arbeit Sozialhilfe beantragen müsse: „Das ist doch nicht menschenwürdig!“
So sieht es auch die SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz. Ihrer Ansicht nach müssen die finanziellen Mittel, die Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen, erhöht werden: „Man muss auch mal im Lokal einen Cappuccino trinken können“.
Sehr wichtig war den Besuchern auch das Thema Wohnen: zu große Wohngruppen, zu wenig Rückzugsräume. Auch Menschen mit Behinderung bekommen den Wohnraummangel in München zu spüren. Alle Besucher äußerten deutlich ihren Willen zu mehr Selbst- und Mitbestimmung: „Wir können mehr, als man uns zutraut!“
Und wie lauteten die Antworten der Politik? Die Vertreter der CSU verwiesen auf zahlreiche Anträge zum Thema Wohnraum, die sie bereits in der Fraktion gestellt hätten. Sie werden die vorgebrachten Anliegen in der Fraktion behandeln, so ihre Zusicherung.
Laut Jutta Koller überprüfen sich die Grünen gerade selbst auf ihre Barrierefreiheit: Gibt es beispielsweise auf Parteiveranstaltungen Zugänge für Rollstuhlfahrer oder Gebärdendolmetscher? Auch die SPD arbeitet an ihrer Barrierefreiheit, es gibt bereits ein Parteiprogramm in „einfacher Sprache“?
Reinhard Bauer berichtete von der Arbeit des Behindertenbeirats, der mittlerweile bei zahlreichen politischen Entscheidungen gehört wird. Dennoch gebe es noch viel zu tun. Teilhabe ist heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen noch nicht verwirklicht, lautete das Fazit der Sozialpolitikerin Stachowitz nach der Veranstaltung.
Die Sprache der Politiker ist für Menschen mit Handicap oft nicht verständlich, diese Menschen bleiben also von der Politik ausgeschlossen – was letztlich der Demokratie schadet. So entstand die Idee der Wahlprüfsteine.
Unter der Leitung von Simon Friedt von der OBA beschäftigten sich die Teilnehmer des Projekts monatelang mit Themen rund um Politik und Demokratie und erstellten schließlich einen Fragenkatalog, den die Kommunalpolitiker nun ausfüllen sollen – in einfacher Sprache.
„Die Antworten müssen so sein, dass die Zielgruppe sie versteht“, fordert Diana Stachowitz, „das mindert aber nicht die Qualität der Antwort“. An Ihre Kollegen vom Stadtrat appelliert die Sozialpolitikerin, das Gespräch mit den Menschen zu suchen, beispielsweise beim „politischen Sofa“ der OBA, bei dem Politiker zu Diskussionen mit Menschen mit Behinderung eingeladen werden: „Setzen Sie sich dem Feuer aus, das da kommt!“
Wer mit diesen Menschen rede, werde auch neu über die Frage der rechtlichen Betreuung nachdenken, denn oftmals genüge eine Teilbetreuung: „Sie wissen genau, sie wollen!“