Ein Volkstheater zieht um: Iberl-Bühne jetzt im Augustiner

Neues Volkstheater in der Innenstadt: Die Iberl-Bühne ist in die Herzogspitalstraße gezogen. Ein Portrait des Gründers, Georg Maier, zum Neustart in der City
Andrea Fuhrmann |
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Raphaela Maier, Richard Süßmeier und Wolfgang Prinz.
Bernd Wackerbauer 4 Raphaela Maier, Richard Süßmeier und Wolfgang Prinz.
Die Chefin der Zwergerl-Bühne, Georgia Maier, mit Gerd Käfer.
Bernd Wackerbauer 4 Die Chefin der Zwergerl-Bühne, Georgia Maier, mit Gerd Käfer.
Gut gelaunt: Dunja Siegel und Eckart Freiherr von Luttitz.
Bernd Wackerbauer 4 Gut gelaunt: Dunja Siegel und Eckart Freiherr von Luttitz.
Pfarrer Rainer Maria Schießler kam zum Eröffnungsabend.
Bernd Wackerbauer 4 Pfarrer Rainer Maria Schießler kam zum Eröffnungsabend.

Altstadt - „Klassische Musik hab ich nach dem Krieg immer mit Hitler verbunden. Diese Disziplin und dieses Spielen nach Noten.“ Mittlerweile hört Georg Maier auch die Klassiker. Seine Frau ist Sopranistin, sie hat ihn dazu gebracht. Vielleicht ist er ja ruhiger geworden. Im Gegenzug hat er sie für Jazz begeistert. „Du hörst zwei Instrumente spielen und es ist wie ein Gespräch“ – eine Interaktion und immer überraschend. Wenn Georg Maier von Musik schwärmt, versteht man die Leidenschaft für seine Arbeit.

Das Wetter könnte schöner nicht sein, der Promi des Münchner Volkstheaters sitzt vor dem Cafe Kustermann und kann schon wieder nicht in Ruhe Zeitung lesen. Man winkt und manche kommen an seinem Tisch vorbei. Sie sprechen über das Theater und wie es fehlen wird.

Die Iberl-Bühne war eine Institution in Solln und Georg Maier ist ihr Gründer. Jetzt ist Münchens großes Mundart-Theater aus dem Stadtteil in die Innenstadt gezogen – ins Augustiner Stammhaus in der Herzogspitalstraße, direkt am Stachus.

Für Georg Maier ist das eine aufregende Veränderung, er mag die Offenheit des Neuanfangs. Und er liebt seine Bühne, erzählt leidenschaftlich von ihr. Die Iberl-Bühne erzähle Geschichten des Volkes, von Träumen und Ängsten mit einer großen Portion ganz normalen Wahnsinns. Platte Lacher und Schenkelklopferei meide das Ensemble. Sogenannte Komödienstadl widern Georg Maier an: „Wir Bayern sind immer die Depperl.“

Volkstheater statt Bierbrauen

Volkstheater ist für Georg Maier gesellschaftskritisch. Es halte dem Menschen den berühmt-berüchtigten Spiegel vor. „Ich versuche da nicht plakativ zu werden. Wer’s kapiert, dem bleibt das Lachen im Halse stecken“, sagt der 71-jährige, der die Mundart für ein unverzichtbares Kulturgut hält. „Wie kann sich jemand denn besser darstellen als über seine Sprache?“, fragt der Chef der Iberl-Bühne. „Wenn die verloren geht, dann verschwindet ganz viel von uns.“

Deshalb sollen auch die jungen Münchner schon Theater erleben: Georgia Maier, die seit ihrer Geburt zur Iberl Bühne gehört, leitet die Iberl-Zwergerl-Bühne. Hier gibt es kindgerechtes Theater – natürlich in Mundart. Und das funktioniert – selbst in einer Zuwandererstadt wie München. „Wir machen Mitmachtheater. Die Kinder können hinter die Kulissen schauen und sich als Schauspieler versuchen“, sagt Georgia Maier und man merkt, dass die Leidenschaft in der Familie liegt. Auch wenn die väterlichen Zukunftspläne zunächst anders aussahen: „Mein Vater wollte immer, dass ich Bierbrauerin werde.“ Das sei aber nie ihre Sache gewesen, eher das Fotografieren hatte es ihr angetan. Schließlich ist sie aber doch zur Schauspielerei gekommen und kümmert sich neben dem Bühnenbild auch darum, dass die Schauspieler die perfekten Kostüme tragen.

Auf die Details komme es an: „Da scheitert's oft bei Laientheatern: Da sind wunderbar talentierte Schauspieler, aber Haferlschuhe mit Gummisohle zur Jahrhundertwende – da geht ganz viel Atmosphäre verloren.“ Theater sei wie Jazz: Bei aller Interpretation und aller Unberechenbarkeit müssten die Kleinigkeiten passen, die den Unterschied machen. „Wenn ich einen Satz aufschreibe, dann kann man ihn so oder so sprechen und es kommt etwas völlig anderes dabei heraus“, sagt Georg Maier. Deshalb achtet der Chef bei den Proben auch ganz genau auf Tonalität und Melodie.

Floskeln aus dem Mund eines Theaterwissenschaftlers? Nein, Georg Maier meint was er sagt. Was er gelernt hat, das hat er erlebt. Als junger Kneipenbesitzer war die Bühnenschauspielerei kein Thema – das Kino hat ihn da mehr fasziniert. Zum Theater kam er „aus der Not heraus.“ Zuerst hat er Jazzmusiker bei spielen lassen, doch schon bald ging es ihm „finanziell nass nei“ – als letzte Rettung traten dann Schauspieler in der Kneipe auf. Die anfängliche Abneigung verflog und Georg Maier entdeckte die Unmittelbarkeit, die Authentizität der Bühne als seine Sprache und brachte sich selbst bei, was er brauchte. Wenn er seine Theke verlassen konnte, sah er in den Bavaria Filmstudios beim Drehen zu. Die Profis bestärkten ihn, dass er schon vieles richtig gemacht hatte, „aus’m Bauch raus.“

Ein Perfektionist sei er und mit selbstverliebten Schauspiel-Sternchen könne er nicht viel anfangen. „Ich brauche keine Selbstdarsteller, sondern jemanden, der seine Rolle lebt“, sagt Georg Maier. „Meistens habe ich schon jemanden im Kopf, wenn ich eine Figur schreibe.“

"Alle Frauen in den Stücken entstammen meiner Erinnerung"

Und rastlos, das ist Georg Meier auch. Die Frage „Wohin geht’s weiter?“ beschäftigt ihn auch immer wieder in seinen Werken. Überhaupt wirkt er mit 72 Jahren nicht wie ein Mann, der vorhat sich bald zur Ruhe zu setzen. Erst kürzlich hat er wieder geheiratet, fährt seine Corvette durch den engen Stadtverkehr und produziert nicht nur neue Theaterstücke, sondern schreibt gemeinsam mit seiner Frau auch an einem Buch.

„Miliö“ soll es heißen und von einem Boxer aus dem Schlachthofviertel handeln. Von einem der sich durch Inflation und Ersten Weltkrieg boxt und davon träumt, aus dem trüben Nazideutschland in die USA zu gelangen, um im Madison Square Garden zu kämpfen. Ein gefeierter Profi will er werden, doch ihm haftet der Makel des Losers an. Selbst seine große Romanze nimmt ein zartbitteres Ende.

Er ist keine glänzende Figur und auch kein fleckenfreies "role model" – wie die meisten Figuren aus Georg Maiers Feder. Und gerade das macht sie so reizvoll, die Schnorrer und Leierkastenmänner, Pfandleier und Boaznwirte.

„Bei meinen Theaterstücken ist keine Figur auf der Bühne, die ich nicht gekannt habe“, sagt er. „Zum Beispiel alle Frauen in meinen Stücken: alle entstammen einer Erinnerung, manche besseren und andere schlechteren.“ Er lacht, als er das sagt. Die Hochzeit mit dem kreativen Multitalent Raphaela Hinterberger ist noch ganz frisch. Die gelernte Sopranistin ist neben ihrem schauspielerischen Engagement mit dem musikalischen Trio Vox Humana unterwegs. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder.

Musik ist ein wiederkehrendes Motiv bei der Iberl-Bühne. Georg Maier hat sich früh in die Musik der amerikanischen Besatzer verliebt und in der Kneipenszene die unberechenbaren, exotischen Rhythmen des Jazz und Blues aufgesogen. Der Sohn einer amerikanischen Mutter und eines niederbayerischen Vaters schöpft seine Kreativität aus Bekanntschaften und Weggefährten, aus Elementen seines bewegten Lebens. Seine Jugend im Schlachthofviertel der Nachkriegszeit hat ihn tief geprägt. Er hat den schönen Schein und das die große Armut gesehen und eine tiefe Bewunderung für all jenes entwickelt, das ehrlich und ungeschönt ist.

Mit der Corvette durch den Stadtverkehr

Georg Maier hat seine Jugend schon hier verbracht, erzählt er, während er seine Corvette durch die Straßen lenkt, er erzählt von der Nachkriegskindheit und von seiner ersten Kneipe, die er bereits mit 15 Jahren geleitet habe. Auch er habe sich durchgeboxt, habe harte Zeiten erlebt. 2001 hat er von Edmund Stoiber das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Während anderen da der Kamm schwellen würde, gibt sich Georg Maier lieber bescheiden. Stolz sei er auf andere Auszeichnungen: "Für mich ist natürlich der Ernst-Hoferichter-Literaturpreis der wichtigste und danach kommt gleich der Poetentaler. Wenn man von Kollegen ausgezeichnet wird, ist das doch das Schönste.“

Georg Maier hat die Iberl-Bühne jetzt ins Herz der Münchens gebracht. Mundart im Zentrum der Millionenstadt. Macht er sich trotzdem Sorgen um das Bairische? „Hier in der Stadt, ja. Draußen auf dem Land, da geht mir das Herz auf.“ In der Metropole würde unter den Jugendlichen aber nur noch weniger als ein Prozent Mundart sprechen, dabei sei sie nicht nur Kulturträger sondern auch noch attraktiv. „Unser Bairisch ist melodisch. Indem wir das „ch“ vermeiden – dadurch swingt die Sprache.“ Und da ist er wieder, der Musikliebhaber.

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