Interview

Ein Gondoliere im Schlosspark erzählt: "Am Ende haben beide geweint"

Der Kanal, das Boot und die Liebe: Ein AZ-Sommergespräch mit Maximilian Koch, dem Gondoliere im Nymphenburger Schlosspark.
von  Irene Kleber
Dass Gondoliere singen, sei ein Klischee, sagt Maximilian Koch. Er hat für Gesangswünsche den Tenor Giuseppe Del Duca an Bord.
Dass Gondoliere singen, sei ein Klischee, sagt Maximilian Koch. Er hat für Gesangswünsche den Tenor Giuseppe Del Duca an Bord. © Bernd Wackerbauer

Nymphenburg - Ein Sommerdienstag im Schlosspark, im Süden ist das Gewitter vorbeigezogen. Jetzt hängt ein milchiger Himmel über Nymphenburg. Ein paar Spaziergänger streifen über die schnürlgeraden Kieswege, manche setzen sich auf ein Bankerl und atmen die Ruhe ein.

Und dann sieht man sie schon, die Gondel, schlank und schwarz und glänzend, am Ufer des Mittelkanals. Servus, sagt Maximilian Koch, der ein Münchner Gewächs ist, obwohl er auch gut den Venezianer geben kann, so braungebrannt im blauweiß-geringelten Shirt der Gondoliere, die halblangen Haare hinters Ohr geklemmt.
Vorsichtig schwankend steigt man ein, staunt über das satt schimmernde Grün der Wasserfläche, in der sich die Uferbäume spiegeln, die steinernen Ziervasen und die Schlosskulisse. Das Wasser gluckst, als das Ruder eintaucht und die Gondel einen ersten, sanften Schub bekommt. Jetzt könnte man einfach schweigen, schauen, lauschen. Aber gut, es war ja Reden ausgemacht.

AZ: Herr Koch, was machen Sie hier den ganzen Tag, so ohne Touristen? Die sind ja gar nicht da, die vielen Gäste aus Asien, die Amerikaner, die sonst zu Ihnen kommen.
MAXIMILIAN KOCH: Da werden Sie gleich staunen. Jetzt kommen die Münchner zu mir. Die entdecken gerade ihre Stadt ganz neu. Und übrigens kommen oft Damen ganz allein, damit sie mal ihre Ruhe haben.

Ganz allein fahren die Gondel?
Ganz allein. Ganz still. Die möchten dann nicht reden und nicht zuhören, sondern nur den Moment genießen.

Maximilian Koch am Ruder seiner Gondel vor der Kulisse von Schloss Nymphenburg. Das schwarz glänzende Gefährt, das wirklich aus Venedig kommt, ist elf Meter lang.
Maximilian Koch am Ruder seiner Gondel vor der Kulisse von Schloss Nymphenburg. Das schwarz glänzende Gefährt, das wirklich aus Venedig kommt, ist elf Meter lang. © Bernd Wackerbauer

Dabei könnten Sie so viel erzählen. Über den Kurfürst Max Emanuel, und wie hier damals 80 Gondeln auf dem Kanal herumgefahren sind.
Ich erzähle das auch, wenn's die Leute hören wollen. Aber manchmal schaue ich auch einfach nur zu, was passiert.

Chris de Burgh war an Bord

Was passiert denn?
Einmal hat ein Kamerateam im Park gefilmt. Die hatten einen kleinen dunkelhaarigen Mann dabei, der vom Ufer hergewunken hat, dass er Gondel fahren will. Die Kameraleute haben ihn gebeten, ob er nicht was singen mag, und er sang "Don't Pay The Ferryman".

Oh.
Ja, oh. Da hab ich erst gemerkt: Ich hab Chris de Burgh an Bord.

Den Echten?
Ja, den Superstar.

Trinkgeldschale auf der Gondel, man darf gerne was hineinwerfen.
Trinkgeldschale auf der Gondel, man darf gerne was hineinwerfen. © Bernd Wackerbauer

Wie oft kommt das vor, dass sich Prominente auf Ihre Gondel zurückziehen?
Ach, wissen Sie. Wenn ein älterer bekannter Mann eine sehr junge Geliebte hat, dann weiß ich das meistens schon recht früh. Aber weiter fragen dürfen Sie jetzt da nicht.

Drei Heiratsanträge an einem Tag

Okay. Was ist die schönste Liebesgeschichte, die Sie hier erlebt haben?
Der Tag, an dem ich drei Heiratsanträge erlebt hab. Zuerst ein Spanier mit einer Münchnerin. Er hat sich hingekniet und einen Ring herausgezogen.

Hat sie Ja gesagt?
Oh ja! Danach kamen zwei Frauen, die eine hat die andere um ihre Hand gebeten. Und auf der dritten Fahrt hat eine Frau einem Mann einen Antrag gemacht. Das war echt rührend.

Was ist passiert?
Ich habe von hier hinten aus ja ein paar Meter Abstand und höre nicht, was gesprochen wird, aber sehen kann ich alles. Sie hat ihm erst einen Brief gezeigt, danach einen Ring überreicht. Der Mann war so glücklich, dass er's Weinen angefangen hat. Man hat gemerkt, dass bei ihm so etwas Unerfülltes gewesen ist, was endlich in Erfüllung gegangen ist. Am Ende haben sie beide geweint.

Auch Brautpaare buchen die Gondelfahrten freilich gerne. Wie hier dieses Pärchen aus Holzkirchen, das wir netterweise fotografieren dürfen.
Auch Brautpaare buchen die Gondelfahrten freilich gerne. Wie hier dieses Pärchen aus Holzkirchen, das wir netterweise fotografieren dürfen. © Bernd Wackerbauer

War das Ihr emotionalster Moment hier auf dem Kanal?
Nein, den hatte ich mit meinem Sohn. Das war der Tag, an dem der Bub mit 15 oder 16 zum ersten Mal das Ruder selber in die Hand genommen hat und ich gemerkt habe: Der hat dieses Gefühl fürs Wasser. Für das Boot. Er hat die ruhige Hand, mit nur einem Ruder diese elf Meter lange Gondel zu steuern. Genau wie ich.

Dann war das der Moment, in dem Ihr Kind für Sie erwachsen geworden ist?
Ja, genau. Andere Eltern fühlen das, wenn ihr Kind zum ersten Mal alleine Schritte geht. Ich hatte das, als mein Sohn zum ersten Mal Gondoliere war.

Wo kommt das her, Ihre Liebe zur Gondel?
Ich habe meine Hochzeitsreise 1997 nach Venedig gemacht. Da war ich überglücklich. Ich habe eine sehr schöne Frau geheiratet - und trotzdem die ganze Zeit den Gondoliere anschauen müssen. Als der in den Kanälen so um die Ecken gefahren ist, ist mir aufgefallen, was das für eine tolle Kunst ist. Ich war früher Regattasegler, auch Welt- und Europameister.

Koch durfte auch schon in Venedig fahren

Und dann haben Sie beschlossen, dass Sie Gondelfahren auch noch lernen wollen?
Am Wörthsee, wo ich wohne, hatte Ingo Stahl einen Gondelbetrieb. Den habe ich gefragt, ob er's mir beibringt. Und wie's der Zufall so will, kriege ich 2010 eine Gondel geschenkt. Die hatte ein Bauträger im Klein-Venedig von Pasing zu Werbezwecken im Würmkanal liegen, der wollte sie irgendwann loswerden.

Aha, ein Zeichen . . .
Genau, ein Zeichen. Die Gondel war ziemlich hinüber, ich habe sie schwimmfähig machen lassen und dann hatte ich meine erste Gondel.

Dürften Sie eigentlich als bayerischer Gondoliere in Venedig auch Gondelfahren?
Nein. Ich habe zwar hier einen Personenbeförderungsschein und meine Gondel hat Tüv. Aber in Venedig sind die Gondoliere eine stolze eigene Zunft mit einer Ausbildung, die zwei Jahre dauert. Eine sehr geschlossene Gesellschaft.

Die würden Sie nicht aufnehmen?
Nein. Aber neulich bin ich trotzdem gefahren. Drei Mal im Jahr mache ich das mit meinem Sohn. Ich habe einen Gondolierefreund in Venedig. Der lässt mich fahren, aber er ist mit an Bord. Das ist ein großes Privileg.

Innen ist die Gondel reich bemalt, die goldenen Details stammen von älteren ausrangierten Booten.
Innen ist die Gondel reich bemalt, die goldenen Details stammen von älteren ausrangierten Booten. © Bernd Wackerbauer

Und ist es schöner dort? Hier können Sie ja nur 500 Meter rauf bis zur Kaskade und wieder runter fahren.
Es lässt sich nicht vergleichen. In Venedig ist immer was los. Hier dagegen haben wir die Atmosphäre der Barockzeit, wir haben die Stille.

Sie machen hier auch keine Gaudifahrten wie Junggesellenabschiede, oder sowas?
Nein, das passt nicht zur Würde dieses Ortes. Aber wen ich gerne fahre, sind Gruppen vom Verein Kulturraum. Mit Menschen, die sich meine Tickets nicht leisten können. Denen erzähle ich dann was über bayerische Geschichte. Schauen Sie mal, wenn man hinten von der Brücke losfährt, aufs Schloss zu, hat man das Gefühl, es geht auf dem Kanal bergauf. Das haben die Landschaftsgärtner extra so gebaut. Das Schloss hat dadurch so eine Erhabenheit. Genau so ist das doch schön.

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