Domagkpark in Freimann: Zu viel Beton, zu wenig Grün

Wer durch den Domagkpark schlendert, wundert sich über die Stille. Das Leben hier muss wohl erst langsam aufblühen.
von  Hüseyin Ince
Stefan Krieger wohnt seit 2016 im Neubaugebiet Domagkpark. Als Projektentwickler konnte er das Areal teilweise mitgestalten.
Stefan Krieger wohnt seit 2016 im Neubaugebiet Domagkpark. Als Projektentwickler konnte er das Areal teilweise mitgestalten. © Hüseyin Ince

Freimann - Klar, an so einem regnerischen Freitag, mitten in der Sommerferienzeit, ist jedes Wohngebiet etwas leerer. Man hat ohnehin das Gefühl, dass zur Zeit die halbe Stadt in Italien, Österreich oder Frankreich unterwegs ist. Trotzdem erstaunt es, dass im Neubaugebiet Domagkpark der Hall vereinzelter Geräusche zu hören ist, wenn etwa jemand den Ständer seines Fahrrades ausklappt, nachmittags, an der Fritz-Winter-Straße. Oder wenn der Bauarbeiter nebenan auf einer der letzten Baustellen des Areals den Hammer schwingt.

2.431 Erwachsene Bewohner sind im Domagkviertel gemeldet (Stand März 2019). Und auf der Fritz-Winter-Straße sollte eigentlich besonders viel los sein. Hier ist die Mobilitäts- und Car-Sharing-Station des Viertels, das als eine Art europäisches Vorzeigeprojekt gilt und auch von der EU gefördert wird. Auch andere Neubaugebiete wie der Prinz-Eugen-Park und die Bayernkaserne sind Teil des Projekts. Die E-Sharing-Station an der Fritz-Winter-Straße war im Juni 2016 die allererste Münchens und wurde von Oberbürgermeister (OB) Dieter Reiter persönlich eröffnet, verewigt mit einem Foto, auf dem der OB auf einem roten E-Roller sitzt.

Domagkviertel: "Es ist schön ruhig"

"Die versprochenen Wertstoffinseln stehen immer noch nicht." Von Pedelecs bis E-Autos können alle Bewohner alles ausleihen. Die offiziellen Zahlen des Kreisverwaltungsreferates, verteilt auf zwei Mobilitätsstationen, lauten: vier E-Räder, drei E-Lastenräder, zwei bis fünf E-Roller vom Anbieter "Emmy", zwei E-Pkw, fünf Stattauto-Pkw, zehn MVG-Leihräder, vier Leihräder von Donkey Republic. Fragt sich, wie die Anwohner das Angebot nutzen.

Trotz der Sommerferien sind im Domagkviertel alle in Eile. "Keine Zeit" sagt eine E-Lastenradlerin in Regenmontur, die samt Kind im Gepäck vorbeizischt. Eine Frau mit Kinderwagen würde gerne mehr erzählen, aber ihr zweites Kind auf dem Laufrad fährt einfach davon. Sie hechelt hinterher, sagt aber noch, dass sie hier seit drei Jahren mit ihrer Familie wohne – und: "Ich bin total zufrieden. Es ist schön ruhig, so wie ich es mir vorgestellt habe."

Noch keine Wertstoffinseln im Domagkviertel

Ein groß gewachsener, lockiger Mann, etwa Mitte 40, holt gerade sein Kind aus der Tagesstätte an der Fritz-Winter-Straße ab. Er wirkt ebenfalls zufrieden mit der Wohnsituation, weiß aber sofort, was ihm nicht gefällt: "Die Wertstoffinseln!", sagt er knapp, "die schon längst versprochenen Wertstoffinseln stehen immer noch nicht. Wir müssen recht weit laufen, um unseren Müll zu entsorgen."

Es geht nicht nur ihm so: Bei der Bürgerversammlung für Freimann am 18. Juli waren die Wertstoffinseln ebenfalls Thema. Dort berichtete eine Frau, dass sie ihren Verpackungsmüll zwei Mal pro Woche mit der Tram in die Arbeit nehme und dann in der Herzogspitalstraße entsorge.

"Alles wird zusammen entschieden, ganz basisdemokratisch"

Ein Mann schlendert gerade mit seiner vierjährigen Tochter vom Park aus nach Hause an der Gertrud-Grunow-Straße. Es ist Stefan Krieger, ein diplomierter Kaufmann und Projektentwickler. Krieger hat gerade seine Tochter aus dem Kindergarten abgeholt. Er war einer der ersten Bewohner, die hier eingezogen sind.

Um zu erahnen, wie gut das Neubaugebiet funktioniert, ist er ein Glücksfall. Er weiß viel über die Planung des Areals. "Den Bau von zwei Häusern habe ich als Projektentwickler mitbetreut", sagt Krieger. In einem der beiden Häuser wohnt er jetzt. Insgesamt 26 Wohnungen befinden sich darin, mit etwa 50 Erwachsenen und 50 Kindern.

Stefan Krieger wohnt seit 2016 im Neubaugebiet Domagkpark. Als Projektentwickler konnte er das Areal teilweise mitgestalten.
Stefan Krieger wohnt seit 2016 im Neubaugebiet Domagkpark. Als Projektentwickler konnte er das Areal teilweise mitgestalten. © Hüseyin Ince

Krieger führt zum Gemeinschaftsraum seines Häuserblocks an der Gertrud-Grunow-Straße. Etwa 40 bis 50 Quadratmeter ist der Raum groß. Ein Drittel besteht aus einer Küchenzeile mit Empore, zwei Drittel der Fläche wirkt wie eine Mini-Turnhalle, wo eben eine Tischtennisplatte problemlos aufgebaut werden kann.

"Hier finden manchmal auch Yoga-Stunden statt", sagt er, "aber auch Geburtstagsfeiern oder Besprechungen der Hausgemeinschaft." Kinderfeiern oder Fußballabende mit Beamer seien auch nicht selten. Hinter der Küchenzeile kann man eine Leinwand ausfahren. "Wir haben wirklich eine tolle Hausgemeinschaft", sagt Krieger, "alles wird zusammen entschieden, ganz basisdemokratisch. Das schweißt zusammen." Auch die Tatsache, dass der Gemeinschaftsraum als Gästezimmer genutzt werden kann, findet er sehr praktisch und sympathisch. Was ihm abgesehen vom Gemeinschaftsraum besonders gut gefalle? "Baugemeinschaften, Wohnungsgenossenschaften, freier Markt ... Durch diese Mischung hat man hier auch einen guten Milieu-Mix. Im Domagkpark leben unterschiedlichste soziale Schichten und Nationalitäten. Ich finde das sehr angenehm. Das sagen auch die Nachbarn", sagt Krieger.

Kneipen, Läden und Cafés fehlen noch

Doch gerade als jemand, der das Areal beruflich bedingt mitgestalten konnte, kann er auch sofort sagen, was eher schlechter gelungen ist. Als Erstes nennt er die Streifen, direkt an den Häusern. "Ich verstehe nicht, warum Fußgänger direkt an den Erdgeschoss-Wohnungen vorbeigehen können. Das hätte man deutlich eleganter lösen können", sagt Krieger, "nämlich durch einen Grünstreifen, bis zu einem Meter breit, mit Sträuchern. Platz wäre ja genügend da."

Ohnehin sei die Erdgeschoss-Gegend nicht sonderlich belebt. "Es fehlen Kneipen, Läden und Cafés", sagt er. Ganz in der Nähe befindet sich zwar das "Gasthaus Domagk", aber es ist ab dem späten Nachmittag geschlossen. Für die Sommerferien kündigt der Betreiber einen wochenlangen Betriebsurlaub an, per handgeschriebenem Aushang an der Türe. Das Ganze wirkt wie das Henne-Ei-Problem: Kurze Öffnungszeiten wegen zu wenigen Gästen oder zu wenige Gäste wegen zu kurzen Öffnungszeiten? Aber immerhin: "Ich habe gehört, das Mittagsgeschäft läuft ganz gut. Die Büromitarbeiter aus der Gegend gehen dort wohl regelmäßig essen." "Letztlich wollen doch alle zur gleichen Zeit ein Fahrzeug ausleihen" Beim Thema "Grün" muss Krieger auch loben. "Die Parkanlage ist wirklich gelungen und wird viel genutzt", sagt er, "es gibt auch viele Spielplätze." Die dreieckige Parkanlage nimmt auf dem Neubaugebiet einen sehr großen Raum ein. Am östlichen Ende ist auch ein Fußballplatz samt Laufbahn und Tennisplatz angelegt. Auf Satellitenbildern ist das alles deutlich erkennbar.

Von den Mobilitätszentren scheint Krieger nicht sonderlich überzeugt zu sein. Er selbst nutzt das Angebot kaum. "Letztlich wollen doch alle zu ähnlichen Stoßzeiten ein Fahrzeug ausleihen", sagt er, "nur die wenigsten aus der Nachbarschaft haben auf ihr eigenes Auto deshalb verzichtet." Aber immerhin: Etwa zehn Prozent seiner Nachbarn haben laut Krieger kein eigenes Auto mehr. "Entscheidend ist natürlich auch, dass nur 20 von 26 Parteien einen eigenen Stellplatz haben", sagt Krieger.

Unzufriedene Bewohner: Im ganzen Viertel verteilt hängt dieses Plakat.
Unzufriedene Bewohner: Im ganzen Viertel verteilt hängt dieses Plakat. © Hüseyin Ince

Zu wenige Bäume, zu viel Beton, zu große Gehwege, versiegelt und zugepflastert: Die Kritik der ersten Stunde im Domagkviertel hält also weiter an. Doch Bewohner wie Krieger sehen Fortschritt: "Mit der Zeit wird das sicher besser", sagt er. Man darf auch nicht vergessen, dass die vielen gepflanzten Bäume noch sehr schmal und niedrig sind und in einigen Jahren deutlich mehr Schatten spenden werden.

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