Die Wohn-Kapelle im Lehel

München - Verwaiste Klöster und Kapellen werden immer öfter zu Wohnungen. Baugrund ist knapp - und die Kombination aus Alt und Neu hat ihren besonderen Reiz. In München sind überflüssige Sakralbauten zwar höchst selten. In einer ruhigen Straße im Lehel gibt es jedoch ein Beispiel: Die ehemalige „Kapelle der Ehrenwache Mariens“, Knöbelstraße 29, dient heute der achtköpfigen Familie von Architekt Andreas Hild als geräumige Wohnküche. Die Katzen Mog und Munkel gehören auch zu den Bewohnern.
Der Münchner Architekturprofessor hat das Haus nahe dem Maxmonument vor fünf Jahren in Erbpacht von der St. Anna Pfarrei übernommen. Die verwaiste Kapelle, die in den 30er Jahren im Erdgeschoss eingebaut worden war, wurde zum Wohnen „umgenutzt“.
Die katholische Kirche hatte nichts gegen die „Profanisierung“ der 60 Quadratmeter. Der kleine Kirchenraum in der Wohnstraße war kaum besucht – außerdem düster und ohne Heizung. Zuletzt war die Marienkapelle in einem unattraktiven 70er-Jahre Stil eingerichtet – mit klobigen Stühlen und einem schäbigen Läufer.
Andreas Hild, Architekturpreisträger der Stadt München 2012, lässt Licht herein. Die dunkelbraune Holztür ersetzt er durch Glas. Bodendielen geben dem Raum eine warme Atmosphäre. Zentral ist nun nicht mehr der Altar, sondern ein schwarzer Esstisch, an dem zehn Leute Platz haben. Mit seiner Frau Margret Schlör - und den sechs gemeinsamen Kindern – zieht er 2010 ein.
Vier Heiligen-Figuren, darunter Maria mit dem Jesuskind und Antonius, Beschützer der Familien, nimmt die St. Anna Pfarrei zurück. Wie auch Pult und Altar. „Ganz am Anfang fand ich es befremdlich, in einer katholischen Sakristei zu schlafen“, sagt Margret Schlör (51). Aber die Familie gewöhnte sich schnell daran. Andreas Hild jedenfalls hat nie eine besonders heilige Atmosphäre in seiner Wohnküche gespürt: „Wissen Sie, die vielen kleinen und großen Streitigkeiten unserer sechs Kinder hier am Tisch, haben die Kapelle längst friedlich säkularisiert“, meint der Architekt augenzwinkernd.
Nichts Erhabenes, dafür eine gemütliche Stimmung, gastliche Atmosphäre und eine Prise Weltläufigkeit strahlt die moderne Wohnküche der Hilds heute aus. Ein spezielles Deko-Element ist der grüne Urzeitfisch, den Sohn Ben (7) gemalt hat. Das Bild hängt über einem Mauerbogen der alten Kapelle.
Zweite Besonderheit: Die hohen Regale bis zur Decke. Angefüllt sind sie mit Keramik-Krügen oder Origami-Schachteln aus italienischem Papier, die Margret Schlör faltet. Außerdem: Porzellanmalkunst der ältesten Hild-Tochter (21), die in der Nymphenburger Porzellanmanufaktur in Ausbildung ist.