"Das wird ein Geschrei ohne Ende!"

Im Glockenbachviertel sollen wohnungslose Münchner Familien untergebracht werden. Auch dieses Projekt stößt eher auf Ablehnung.
Isarvorstadt - Mitten im schicken Glockenbachviertel stehen entlang der Thalkirchner Straße schöne alte Häuser. Es gibt große Laubbäume, Szenecafés und Alexandras Obst- und Gemüseladen. Der Mietspiegel liegt zwischen 15 und 28 Euro pro Quadratmeter. Und ein Stück die Straße runter liegt es – Haus Nummer 9.
Wenn man die Anwohner darauf anspricht, nicken sie wissend mit dem Kopf. Hier sollen bald Notunterkünfte für wohnungslose Familien entstehen (AZ berichtete). Das Gebäude ist längst Gesprächsstoff in der Gegend.
Vor einem Café sitzt eine Gruppe beim Nachmittagskaffee. Die Frage nach der Nummer 9 löst sofort eine Diskussion aus. Das Projekt Sofortunterkunft für Wohnungslose stößt auf Skepsis in der Nachbarschaft, teilweise auch auf scharfe Ablehnung.
Die Menschen erinnern sich an Probleme vor acht Jahren, als in dem Haus ein Heim für Asylbewerber betrieben wurde. „Hier war ständig die Polizei, teilweise so richtig mit Sondereinsatzkommando“, sagt Katharina Bichler, die im Friseursalon „Adrenalin“ gleich gegenüber arbeitet.
Doch nun sollen Münchner Familien einziehen. „Was dann passiert, wissen wir natürlich nicht. Gegen Familien können wir natürlich nichts sagen“, sagt Katharina Bichler.
Auch der Betreiber des „Shadows Multimediashops“ fürchtet sich vor Kriminalität und Imageschaden im Nobelquartier. „Ich glaube nicht, dass das hier der richtige Standort ist“, macht er klar.
In einer kleinen Boutique erzählt die Verkäuferin aufgeregt von einer Petition, die bereits eingereicht wurde: „Als ich nachgefragt habe, habe ich gehört, dass 250 Leute dort einziehen sollen.“
Lesen Sie auch: Ein neues Heim
Martina Hartmann ist Geschäftsführerin des Regionalen Netzwerkes für Soziale Arbeit „Regsam“ und kennt die Lage. Sie sagt: „Es müssen nun einmal viele Leute Wohnraum finden. Bei uns werden sie dann so betreut, dass sie möglichst schnell wieder selbstständig wohnen können.“ In dem Haus gibt es 95 Appartements. Insgesamt 250 Betten sollen dort stehen, 179 davon für Familien, der Rest für alleinstehende Frauen und Paare.
Eine völlige Überbelegung, finden viele Leute in den Cafés und Läden. „100 Kinder dort im Hof und auf der Straße – das wird ein Geschrei ohne Ende“, befürchtet eine Frau. Zum Spielen lädt der Hinterhof der Nummer neun allerdings nicht ein. Hier stehen Müllcontainer, eine Abfahrt führt in die Tiefgarage. Die große Buche wird bald ihre Blätter fallen lassen. Der Betreiber der Unterkunft, das evangelischen Hilfswerk (EHW), und seine Kooperationspartner haben die Betreuung der Kleinen in ihrem Personalschlüssel eingeplant. „Es wird Aufenthaltsräume für die Kinder geben. Sie sollen auch nicht die ganze Zeit im Haus sein, die Betreuer werden mit ihnen in die Stadtviertel gehen und etwas unternehmen“, erklärt Martina Hartmann. Zudem soll die Unterkunft für die Familien keine Dauerlösung werden, das macht auch EHW-Geschäftsführer Gordon Bürk klar: „Wir wollen den Leuten so schnell wie möglich helfen, eine eigene Wohnung zu finden.“
Die Menschen in der Thalkirchner Straße sind durchaus dafür, Familien in Not zu helfen. Ein Kellner im Szenecafé, der hier nicht wohnt, aber arbeitet, zeigt Verständnis: „Irgendwo muss die Stadt die Familien ja unterbringen. In diesem Fall eben hier. Wenn sie sich anständig benehmen, ist das okay für mich.“
Noch sind die Nachbarn also nicht sicher, was sie vom neuen Projekt der Stadt halten sollen. Im Oktober laden die Verantwortlichen zu einem Runden Tisch ein, um die Anwohner zu informieren. Martina Hartmann kündigt an: „Wir wollen die Sorgen der Anwohner aufgreifen und darüber reden. Wir haben schon in anderen Bereichen erlebt, dass die Nachbarn kritisch waren. Dann schaut man, wie man gemeinsam Regeln finden kann.“