Das "Sendlinger": Aus für Traditionswirtschaft
Das „Sendlinger“, 1927 als „Lercherl“ eröffnet, schließt am Monatsende und wird abgerissen. Hier sollen Wohnungen entstehen
München - Auch um die Kastanien tut es Susanne Götte leid. Immerhin wurden die vier Prachtstücke gepflanzt, als das „Lercherl“ 1927 eröffnet wurde, und damit sind sie beinahe 90 Jahre alt – wie das Wirtshaus, in dessen Biergarten sie stehen.
60 Jahre lang war die Gaststätte in der Bannwaldseestraße ein Familienbetrieb der Familie Lerchenberger, heute führen die Göttes, Susanne und ihr Mann Reto die Gaststätte. „Sendlinger“ heißt sie seit 1998. „Wir haben uns unser Leben hier aufgebaut“, sagt Susi Götte.
Mit ihren drei Kindern leben sie in der Wirtewohnung oberhalb der Gaststätte, zwei gehen hier zur Schule. Bayerische und Schweizer Küche servieren sie, für 50 Gäste ist drinnen Platz, hundert können im Biergarten unter Kastanien Platz nehmen. Aber nur noch fünf Tage lang.
Ende Mai ist Schluss für die Traditionsgaststätte. Das Haus wird abgerissen. Hier sollen Wohnungen entstehen. Die Anwohner sind traurig bis entsetzt: „Für ein traditionelles Wirtshaus mit einem alten eingewachsenem Biergarten, einem Treffpunkt für ganz Obersendling, bedeutet dies das Aus“, schreibt eine AZ-Leserin.
Das „Sendlinger“ sucht seinesgleichen in der Umgebung, Gaststätten sind hier rar. Weswegen das liebevoll restaurierte Wirtshaus mit Spielplatz im Biergarten und das herzliche Wirtepaar den Leuten ans Herz gewachsen sind.
Gepachtet haben die Göttes die Gaststätte von der Spaten-Brauerei, das Gebäude gehört der Sedlmayr Grund und Immobilien KGaA. Die hat es vor Jahren den Vorbesitzern abgekauft. „Ich bin ja theoretisch Fan von Stadtteilwirtschaften“, sagt Chef Jobst Kayser-Eichberg. „Aber das Sendlinger dümpelte mit 68 Hektolitern im Jahr vor sich hin. Solche Schließungen erfolgen in Absprache mit der Brauerei.“
Den Göttes ist ihr Vertrag odnungsgemäß im Herbst letzten Jahres gekündigt worden. „Wir hatten jetzt gehofft, wir könnten das Schuljahr hier fertig machen“, sagt Susi Götte. Sie haben eine Perspektive, haben eine Gaststätte in Berg gepachet, das Manthaler. Die ist aber noch im Bau, und bis die Familie einziehen kann, dauert es noch gute zwei Monate.
„Unser Anwalt hat gerade einen Brief aufgesetzt, in dem wir anbieten, das Sendlinger noch weiter zu betreiben, falls das Bauvorhaben noch nicht akut ist“, sagt Susi Götte. Dann könnten ihre Kinder das Schuljahr hier fertig machen.
Kayser-Eichberg versteht die Aufregung nicht ganz. „Wir hätten dort erheblich sanieren müssen und sehen die Möglichkeit, stattdessen Wohnraum zu schaffen, der in München im Gegensatz zu Wirtschaften ja fehlt“, sagt Kayser-Eichberg. „Keine Luxuswohnungen. Es ist eine Wohngegend. Die Anwohner werden sich daran gewöhnen.“