Das Ex-Glasscherbenviertel

Früher bemitleidet, inzwischen heiß begehrt: Museumsleiter Hermann Wilhelm über einen Münchner Stadtteil im Wandel  
von  Hermann Wilhelm
Das versteckteste Schloss: In der Grütznerstraße steht die Villa des Malers Eduard Grützner, der durch Klosterszenen berühmt wurde.
Das versteckteste Schloss: In der Grütznerstraße steht die Villa des Malers Eduard Grützner, der durch Klosterszenen berühmt wurde. © Daniel von Loeper

Früher bemitleidet, inzwischen heiß begehrt: Museumsleiter Hermann Wilhelm über einen Münchner Stadtteil im Wandel

Früher waren’s Handwerker, jetzt sind’s Krawatten“, sagt der Niedermeier über seine neue Kundschaft. Und der darf so reden: Denn zwischen Friedensengel und Müllerschem Volksbad gibt es keine bessere „rote Currywurst“.

Seit 35 Jahren stehen er und seine Frau Johanna in ihrem Standl am Wiener Platz. Nobel sind wir in Haidhausen in dieser Zeit geworden, da hat er schon Recht. Dabei galt Haidhausen noch bis zu Beginn der 70er Jahre vielen Münchnern als Glasscherbenviertel. Tatsächlich war es in den Nachkriegsjahren ein düsteres Viertel. Auch dass die alten Herbergshäuser „An der Kreppe“ erst vor knapp 40 Jahren an die Kanalisation angeschlossen wurden, mag heute kaum noch einer glauben, der durch die schmucke Gegend rund um den Wiener Platz flaniert.

Aber so war’s. Der alte Pumpbrunnen steht bis heute. Alle Bewohner der umstehenden Herbergen versorgten sich hier mit Wasser. Die beiden Klohäuschen sind aber verschwunden. Überhaupt die 70er. Da hab’ ich angefangen, mich für das Viertel zu engagieren, in dem ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Damals war Haidhausen vielleicht das spannendste Viertel der Stadt. In den Bürgerversammlungen gab’s nicht selten tumultartige Szenen: Stichwort „Sanierung“, „Umwandlungsspekulation“ oder „Großbauten“ wie der Gasteig.

Das Viertel hat sich auch sonst in den letzten zwanzig, dreißig Jahren rasant – und nicht immer zum Vorteil – entwickelt. Auch in der Inneren Wiener Straße kann man das gut beobachten. An Stelle der Gebäude der Hofbrauerei mit Sudhaus ist in den 90er Jahren ein neues „Quartier“ für „gehobenes Wohnen“ entstanden. Haidhausen wird immer attraktiver – und teurer.

 

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