Chaos um Turnhalle: Eltern-Aufstand an Gymnasium in München

Au-Haidhausen - Nur eine Doppelstunde Sport pro Woche haben die meisten Jahrgänge an den bayerischen Gymnasien. Das ist ohnehin schon nicht besonders viel. Besonders ungut ist es aber, wenn diese Stunden dann auch noch zu großen Teilen für die Anfahrt zum Unterricht draufgehen.
Am Pestalozzi-Gymnasium in der Au ist das der Fall – sehr zum Ärger von Schülern, Eltern und Lehrern. Das Problem: Das "Lozzi", das einzige rein musische Gymnasium der Stadt, hat trotz des musischen Zweigs keine geeignet großen Probenräume für seine großen Orchester und Ensembles. Dafür müssen nachmittags, und teils auch vormittags, die Turnhallen genutzt werden.
Bis 2022 nutzte das Pestalozzi-Gymnasium die Sporthallen des TSV München Ost in Haidhausen
Weil aber die Hallen vormittags nicht für den Schulsport für alle bald wieder neun Jahrgangsstufen mit je vier Klassen reichen, weicht die Schule für den Sportunterricht auf externe Turnhallen aus. Bisher hatte man dafür eine ganz gute Lösung gefunden: Bis zum Schuljahr 2021/22 nutzte die Schule die Turnhallen des TSV München Ost an der Sieboldstraße in Haidhausen. Der ist vom Pestalozzi-Gymnasium an der Eduard-Schmid-Straße aus in zwei Stationen mit dem Bus oder auch fußläufig erreichbar.
Doch im gerade zu Ende gegangenen Schuljahr 2022/23 teilte die Stadt der Schule plötzlich eine städtische Turnhalle an der St.-Cajetan-Straße zu. Auf AZ-Nachfrage begründet die Stadt dies mit den Kosten. Die Halle in der St.-Cajetan-Straße sei eine Sporthalle der Landeshauptstadt München, somit in der Nutzung kostenfrei für den Schulsport und mit großer Kapazität und Verfügbarkeit.
Neue Sporthalle für das Pestalozzi-Gymnasium: Doch der Weg dorthin ist weit und teuer
"Die Halle des TSV München Ost ist eine private Vereinshalle und verursacht Kosten in der Anmietung; gleichzeitig ist die Halle auch von anderen Schulen stark nachgefragt, dies begrenzt unter anderem die Kapazität beim TSV München Ost", heißt es aus dem Schulreferat. Zu Fuß, aber auch mit dem ÖPNV war der Weg zur Halle für die Schüler nun deutlich länger. Die Folge: Von den 90 Minuten Sportunterricht blieben oft nur 30 bis 40 Minuten übrig. Daran änderte auch ein Busservice nichts, der extra eingerichtet wurde – und die Stadt Geld kostet.
Brigitte Seytter, Vorsitzende des Elternbeirats, erklärt, es habe gute sechs Wochen gedauert, bis der Bus überhaupt zur Verfügung stand, und auch dann sei er zu unzuverlässig gewesen, zu klein oder zu spät etwa wegen Staus. "Es hat nicht funktioniert", so Seytter. Fürs kommende Schuljahr wollen die Eltern deshalb eine andere Lösung.
Sie ergreifen die Initiative, wenden sich ans zuständige Referat für Bildung und Sport (RBS), und fragen schon mal beim TSV München Ost an, ob Kapazitäten vorhanden wären. Die Signale von dort sind positiv, aber "der Verein kann uns die Hallen natürlich nicht aufheben", erklärt Brigitte Seytter.
Eltern sammeln Unterschriften: Schüler des Pestalozzi-Gymnasium sollen wieder vollen Sportunterricht haben
Und vor allem rufen sie eine Petition ins Leben: "Sport machen statt Busfahren!". Das Ziel: Die Verantwortlichen sollen der Schule wieder eine näher gelegene Sportstätte zuweisen. So könnten die Kinder endlich wieder den vollen Sportunterricht genießen. Und die Stadt könnte nebenbei die Kosten für den Bus einsparen und umweltfreundlicher wäre dies auch, argumentieren die Eltern.
Bis Anfang August kommen über 1.200 Unterschriften zusammen. In der vorvergangenen Woche versammelten sich schließlich Eltern, Schüler, sowie Vertreter des BA Haidhausen vor dem Schulreferat in der Bayerstraße. Stadtschulrat Florian Kraus (Grüne) sollte ihre Unterschriften öffentlich entgegen nehmen. Und das klappte auch.
"Waren positiv überrascht": Zum neuen Schuljahr könnte wieder beim TSV München Ost Sport gemacht werden
"Wir wurden nett empfangen und alle, die dabei waren, konnten mit rein kommen", erzählt Elternbeirätin Brigitte Seytter der AZ. Auf die Schnelle wurde ein Raum zur Verfügung gestellt. "Man hat sich viel Zeit genommen für uns, das war schon sehr wertschätzend – gerade auch den Schülern gegenüber, die teils auch selbst gesprochen haben." Und: Das Ergebnis sei "sehr erfreulich", so Seytter. "Wir waren insgesamt positiv überrascht."
"Die Schule ist nun autorisiert, wieder beim TSV Hallen zu buchen. Wir hoffen, dass nun noch ausreichend Kapazitäten beim Verein vorhanden sind, um den Bedarf unserer Schule abzudecken", erklärt Brigitte Seytter. "Inwieweit dies der Fall ist, können wir erst zum Beginn des neuen Schuljahres berichten, wenn die Stundenpläne endgültig stehen."
Stadtschulrat Florian Kraus (Grüne) verspricht Unterstützung
Stadtschulrat Kraus sicherte jedenfalls zudem zu, dass das RBS dabei unterstützt, um den stundenplantechnischen Bedarf des Gymnasiums möglichst gut zu decken. Der Schwerpunkt liege dabei erstmal auf dem Unterricht für die Unter- und Mittelstufe. Reichen die Kapazitäten beim TSV nicht für die gesamte Schule aus, wird für die Oberstufe die Halle in der St.-Cajetan-Straße als weitere Variante beibehalten.
Auch aus Nachhaltigkeitsgründen werde auf den Busservice verzichtet, die Oberstufenschüler könnten auf andere Transportmöglichkeiten wie eigene Fahrräder oder ÖPNV umsteigen. Gegebenenfalls könnte über das Klimaschutzbudget des RBS auch die Anschaffung von Fahrrädern für die Schule unterstützt werden, heißt es aus dem Referat.
Auch die Turnhalle am Mariahilfplatz könnte bald eine Option werden
Insgesamt kann die Schule nun also mittel- und langfristig mit dem TSV München Ost planen. Und eine weitere Option hat sich aufgetan. Denkbar wäre, dass auch die Turnhalle der ums Eck gelegenen Grundschule am Mariahilfplatz von den Pestalozzi-Schülern mitgenutzt werden könnte, wenn sie einmal fertiggestellt ist. "Das wäre natürlich eine super Option", so die Elternbeirätin.
Bei aller Freude über den guten Ausgang: "Dass man als Eltern erst den Aufwand einer solchen Petition betreiben muss", sei "schon schade", sagt Brigitte Seytter. "Vor der Petition wurden wir überhaupt nicht gehört." Der Platzmangel am Pestalozzigymnasium ist schon lange bekannt. Dass hier nicht wirklich etwas voran geht, sei "ein bisschen frustrierend." Zwar läuft aktuell eine Machbarkeitsstudie für einen Um- oder gar Neubau der Schule. Doch Brigitte Seytter ist "sehr skeptisch".
Stadt München prüft Umbau des Pestalozzi-Gymnasiums
"Es ist schon die zweite Machbarkeitsstudie, die ich erlebe, seit ich mit meinen Kindern an der Schule bin", erklärt sie. "Ich weiß nicht, ob uns die neue Studie hoffen lassen sollte und dann wieder nur alles im Sande verläuft." Die Schule sei damit schon fast im dritten Schulbauprogramm gewesen, wurde dann aber nicht priorisiert und fiel raus.
Das Schulreferat bestätigt die Priorisierung der Maßnahmen im Schulbauprogramm, da "leider nicht alle Projekte gleichzeitig vorangetrieben werden können. Man betont aber, "bauliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Raumsituation des Pestalozzi-Gymnasiums werden derzeit untersucht."