Bogenhausen: Wer darf ins letzte Grab?

Die Schickeria gehört zu München wie die Isar oder das Oktoberfest. Wer zeigt sich wo? Und mit wem? In der Bussi-Bussi-Gesellschaft können das ganz entscheidende Fragen sein – die einen lebenslänglich beschäftigen. Und noch darüber hinaus. Denn wer ein echter VIP ist, der mag natürlich nicht irgendwo zur ewigen Ruhe gebettet werden.
Nun gilt: Es gibt definitiv schlechtere Gesellschaft für die Ewigkeit als Liesl Karlstadt, Erich Kästner, Rainer Werner Fassbinder oder Oskar Maria Graf. So kommt es, dass der Bogenhausener Friedhof derzeit bei betagteren Promis hoch im Kurs steht.
Das berichtet niemand anderes als Oberbürgermeister Christian Ude, an den die Wünsche nach einem Platzerl auf Münchens nobelstem Totenacker herangetragen werden. „Die gesamte Münchner Schickeria, die über 80 ist, redet nicht mehr über VIP-Lounges, sondern über Bogenhausen“, erzählt der OB in gewohnt kabarettistischer Zuspitzung.
Doch da gibt es ein Problem: In Bogenhausen ist derzeit nur noch ein einziges Erdgrab frei. Reservierungen dafür werden nicht angenommen. Selbst wenn Interessenten den OB davon zu überzeugen versuchen, dass ein Gehirnschlag bei ihnen „quasi stündlich“ zu erwarten sei. Ude bleibt dann nichts zu antworten als: „Ich wünsche Ihnen ein langes Leben – und dann einen freien Platz.“
Warum hat er in dieser Frage überhaupt ein Mitspracherecht? Der flächenmäßig kleinste Münchner Friedhof liegt um die Kirche St. Georg und hat gerade mal 240 Gräber. Nur wer durchgängig 30 Jahre lang im „Bestattungsbezirk Bogenhausen“ gelebt hat, kann sich Hoffnungen auf eines davon machen.
Es sei denn, bei dem Verstorbenen handelt es sich „um eine besonders bekannte Persönlichkeit, die sich um die Stadt verdient gemacht hat“. In dem Fall darf die Stadtspitze entscheiden, ob Bogenhausen für den verblichenen Prominenten die letzte, angemessene Adresse wird. Also OB Ude.
Wenn nun auch noch das letzte Grab vergeben ist, dann ist sozusagen Sense. Dann werden die Toten, ob sie nun langjährige Bogenhauser waren oder nicht, andernorts bestattet. Wobei Katrin Zettler, Pressesprecherin des städtischen Gesundheits- und Umweltreferats sagt: „Es werden immer mal wieder Gräber frei.“ Nach einer Mindest-Ruhezeit von 15 Jahren können die Angehörigen eines Toten das Grab auflösen – wenn sie das denn überhaupt wollen.
Bleibt festzuhalten: Wer unbedingt nach Bogenhausen möchte, braucht ein gutes Timing. Wobei immer zu bedenken ist: Wer früher stirbt, ist länger tot.
Der Oberbürgermeister selbst hat nach eigenem Bekunden übrigens kein Interesse daran, in Bogenhausen beerdigt werden. Schließlich ist er Schwabinger. Und das will er auch bleiben.