Boazn-Tour in Giesing: Wo man noch anschreiben kann

Vor dem Lockdown tranken in Giesing viele Stammgäste noch auf den Deckel. Die AZ auf Tour durch leere Boazn mit Giesinger-Bräu-Chef Steffen Marx, der zu Weihnachten die Schulden begleicht.
von  Ruth Frömmer
Steffen Marx (links) vom Giesinger Bräu begleicht am leeren Tresen die offenen Deckel der Bar Bajanni. Toni Valasakis und sein Sohn Leon freuen sich.
Steffen Marx (links) vom Giesinger Bräu begleicht am leeren Tresen die offenen Deckel der Bar Bajanni. Toni Valasakis und sein Sohn Leon freuen sich. © Daniel von Loeper

Giesing - Zugegeben, von den Boazn gibt's in diesen Zeiten wenig Gutes zu berichten. Der Lockdown macht gerade den kleinen, gemütlichen Schankbetrieben zu schaffen. Neben den fehlenden Einnahmen machen vielen Wirten auch die vielen offenen Deckel von Stammkunden Probleme.

Wenn das einer mitfühlen kann, dann Steffen Marx. Der Chef vom Giesinger Bräu ist neulich nachts aufgewacht und hatte eine Idee: "Ich muss was tun. Jahrelang bin ich selbst durch all die netten kleinen Boazn getingelt. Jetzt will ich mal was zurückgeben!" Und so nahm er Geld in die Hand und bezahlte zehn Giesinger Stadtteilschänken einen Teil der offenen Deckel.

Geyerwally: Neuer Schanigarten bringt's

Max Heisler von der Geyerwally (nicht ganz in Giesing, sondern in der Geyerstraße 17) ist eigentlich guter Dinge. Immerhin hat er mit seinem neuen Schanigarten den besten Sommer aller Zeiten hinter sich. "Die Nachbarn und Stammgäste haben den Außenbereich im Sommer sehr gut angenommen. Ich kann ihn mir eigentlich nicht mehr wegdenken", sagt er.

Der Lockdown schmerzt ihn dennoch. Eine Kundin drückte ihm kurz vorher noch 50 Euro in die Hand. Trotzdem gibt es insgesamt noch zwölf offene Deckel in Höhe von knapp 200 Euro. "Mit der Spende von Giesinger Bräu ist jetzt alles beglichen, das freut mich wirklich sehr!" Die Kunden bekommen ihr Bier weiterhin: Er und seine Kollegen liefern per Fahrrad aus.

Viele Stammgäste können ihre Deckel nicht bezahlen

Nicht so rosig sieht es bei "Bei Ingrid" in ihrem Bierstüberl (Pilgersheimer Straße 78) aus. Ingrid Herrmann, von Marx liebevoll Oma genannt, hat viele Stammkunden, denen es nicht gut geht.

Sogar ein paar Leckerli für die Zamperl hat sie am Tresen immer parat. Ingrid Herrmann hat ein großes Herz und so durften einige Stammkunden in den vergangenen Monaten ihr Bier anschreiben lassen. Einige haben ihre Deckel vor dem Lockdown noch beglichen. Aber viele können das im Moment einfach nicht, sagt Herrmann.

Und so haben sich offene Deckel von fast 4000 Euro angehäuft. Einen Teil davon hat Marx nun immerhin beglichen. Ingrid ist gerührt: "Steffen, das ist so super von dir!" Viele Stammgäste trifft Herrmann auf der Straße, sie rufen an und erzählen, was ihnen auf dem Herzen liegt.

Jede Giesinger Boazn hat ihr ganz eigenes Flair

Ein paar Meter weiter hat Toni Valasakis seine Bar Bajanni an der Pilgersheimer Straße 70. "Seit 13 Jahren gibt's das Bajanni schon. Wir sind wie eine große Familie!", sagt er.

In der Boazn geht es normalerweise lustig zu, die Leute spielen Würfel und Schafkopf und dürfen anschreiben. Nebenbei betreibt er eine Wäscherei. Die läuft gerade auch nicht gut. Wenigstens halten sich die Deckel-Schulden in Grenzen. Trotzdem freut er sich, als ihm Marx 300 Euro überreicht.

"Zum Tonys Portogiesinger": Anzahl an Deckeln hält sich in Grenzen

Weiter geht's zum nächsten Tony. Die Boazn "Zum Tonys Portogiesinger" (Schönstraße 21) gibt es erst seit Oktober 2019. Vorher hatte der Wirt Antonio De Almeida ein Lokal oben an der Martin-Luther-Straße. Seine Boazn stand von Anfang an unter keinem guten Stern. "Wir haben einfach Pech gehabt. Zuerst hat sich am Anfang alles hingezogen mit den Genehmigungen und Organisatorischem, und dann kam Corona", sagt Tony.

Viele hätten sich aus Angst vor dem Virus auch im Sommer nicht mehr in sein Lokal getraut. Die Anzahl an Deckeln hielt sich also in Grenzen. Aber immerhin sind sie dank Marx nun beglichen, das hilft dem Wirt sehr.

Peter Seidl: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll"

Weiter geht's ins Dart Bistro Harlekin an der Oefelestraße 21. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist wirklich sehr großzügig, lieber Steffen", bedankt sich der Wirt Peter Seidl für die 500 Euro-Spende.

Der 57-jährige Dart-Weltmeister betreibt sein Lokal seit 22 Jahren mit Leidenschaft. Hier finden auch Turniere und Trainings statt. Aber auch, wer nicht gerne spickert, ist willkommen. Marx zieht weiter - zu den Boazn "Schau ma moi" (Tegernseer Landstraße 82), Schön-Stüberl (Schönstraße 4), Ambar (Tegernseer Landstraße 25), Kastaniengarten (Martin-Luther-Straße 11), Bar No.1 (Freibadstraße 1). Alles in Giesing. Da, wo es noch üblich ist, dass die Stammgäste anschreiben können.

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