Bitburger-Werbung: Ausverkauf der Eisbach-Welle?

Die Stimmung im Englischen Garten ist auf dem Tiefpunkt, seitdem einige Wellenreiter für eine Brauerei aus der Eifel Werbung machen.
Lehel - Grün und klar schimmert das Wasser, am Ufer des Eisbachs stoßen junge Menschen in geselliger Runde mit Bier an, im Hintergrund rauscht die Welle unter einem springenden Surfer hindurch: Diese ungewöhnliche Szene mitten in der Stadt gibt es nur in München, die Wellenreiter auf der Eisbach-Welle am Haus der Kunst gehören mittlerweile zum Stadtbild wie der Olympiapark. Lange Zeit galt der Spot als Geheimtipp, doch das ist jetzt vorbei.
Die Kulisse aus dem Englischen Garten ist ab jetzt überall in Deutschland auf Plakat-Wänden und TV-Spots zu sehen. Sie ist Teil der neuen Werbe-Kampagne von Bitburger, mit der Produktion von rund vier Millionen Hektoliter Bier eine der größten Brauereien Deutschlands. Auf der Homepage des rheinland-pfälzischen Unternehmens sind die Surfer bereits jetzt zu sehen.
Münchner Original und Bier aus der Eifel, wie passt das zusammen? „Der Spot wirbt für unsere neue alkoholfreie Produktrange Bitburger 0,0%“, teilt Henner Höper, Direktor Markenmanagement der Bitburger Braugruppe, auf AZ-Anfrage mit. „Mit der Eisbachszene sollen vor allem die sportliche Komponente des Getränks sowie der Erfrischungsfaktor in den Vordergrund gestellt werden. Für den Sport Surfen haben wir uns entschieden, weil er durch die Verbindung zu Wasser das Thema Erfrischung sehr gut transportiert und außerdem eine junge, ungewöhnliche Sportart ist.“
Die abgebildeten Personen sind selbst Mitglieder der hiesigen Riversurf-Szene, Bitburger habe sie ausgesucht, „weil sie überzeugte Sportler sind und als solche eine Vorbildfunktion für junge Menschen haben“.
Genau das stößt manch anderem Münchner Wellenreiter sauer auf. „Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl der Eisbach-Surfer an“, sagt Petra Offermanns, „so eine Werbung ist da kontraproduktiv. Uns ist diese ganze Publicity viel zu viel geworden.“ Die Sprecherin der Interessengemeinschaft Surfen in München (IGSM) schätzt die Zahl der Stadt-Surfer auf 1000 bis 2000 Surfer. „Die Stimmung an der Welle ist oft schlecht, weil es zu voll ist.“
An schönen Tagen stehen dort über 20 in Neopren gehüllte Leute Schlange, um nacheinander ihr Brett übers schnell strömende Wasser gleiten zu lassen. Offermanns kämpft daher seit langem leidenschaftlich für mehr surfbare Wellen in München. „Die Kapazität ist vollständig ausgeschöpft“, sagt sie, „jetzt kann es sogar im Winter manchmal eng werden.“
Offermanns Kritik richtet sich vor allem an die Werbe-Surfer um Quirin Rohleder (ganz links im Bild), die nach AZ-Informationen für die am 14. September 2012 in neun Stunden entstandenen Aufnahmen zwischen 4000 und 15 000 Euro Gage (Bitburger: „Eine kleine Aufwandsentschädigung“) erhielten: „Das ist ein Ausverkauf unserer Welle, so sehen das die meisten von uns.“
Surf-Ikone Rohleder, der den Werbe-Deal einfädelte, sei zwar „ohne Zweifel jemand, der ebenfalls das Surfen liebt, aber ich würde meine Leidenschaft nicht für Geld ausschlachten. Der Schaden für die Allgemeinheit, der durch solche Reklame angerichtet wird, übersteigt den persönlichen Nutzen bei weitem.“
Rohleder befindet sich derzeit in Australien und war daher für die AZ bislang nicht zu erreichen, doch auch Tao Schirrmacher kann die Kritik nicht verstehen. Der 30-Jährige gehört zu den besten Eisbach-Surfern und ließ sich als im Hintergrund springender Darsteller ebenfalls von Bitburger bezahlen. „Ausverkauf? Das ist maßlos übertrieben. Surfen ist ein kommerzieller Sport – schon seit den Sechziger Jahren“, meint Schirrmacher.
„Bis auf ganz wenige Idealisten hätte jeder das Geld genommen. Wenn wir's nicht machen, macht es jemand anderes.“ Das Argument, Reklame locke mehr Leute zur Welle, sei „Schwachsinn“, meint er, "ob in Australien, Chile oder Brasilien: jeder Surfer kennt mittlerweile den Spot. Der Eisbach steht eh in jedem Münchner Touristenführer.“ Zu den Profiteuren des Surf-Booms gehört auch Ronaldo Friesen, ihm gehört der Boardshop „Santoloco“ in der Innenstadt. „Ich glaube, hier handelt es sich vor allem um eine Neiddebatte“, sagt Friesen, „aber natürlich hätte es wohl jedem besser gefallen, wenn es Werbung für ein Münchner Bier wäre.“
Bitburger und die Eisbach-Surfer, es bleibt ein schaler Beigeschmack.