Biotopia-Festival: "Hören, wie Zellen Musik machen"

Neuhausen-Nymphenburg - Mit dem Vogelflugsimulator Bayern von oben sehen. Das geht, und zwar an diesem Wochenende. Beim Biotopia-Festival "Sinne - die Welt durch andere Augen sehen" am 1. und 2. Oktober ist der Eintritt frei.
Festival-Kuratorin Nina Möllers lädt Groß und Klein ein ganzes Wochenende ein
An der Schnittstelle von Bio-Wissenschaft, Natur, Kunst und Umweltthemen können Kinder und Erwachsene das Leben auf der Erde an vier Orten in Neuhausen-Nymphenburg neu entdecken.

Modernste Wissenschaft macht das Biotopia-Festival auf unterhaltsame Weise erlebbar. Festival-Kuratorin Nina Möllers (45) lädt Groß und Klein ein ganzes Wochenende ein; ins Biotopia Lab, den Botanischen Garten, ins Museum Mensch und Natur und nach Schloss Nymphenburg, wo die Gäste zu Besuchs-Beginn die Festivalbändchen erhalten.
AZ: Frau Möllers, die zwei Tage möchten mehr bieten als klassische Naturkunde. Gibt es überhaupt ein ausgestopftes Tier?
NINA MÖLLERS: Ja, eine Fledermaus, die Große Hufeisennase. Sie ist im Orangerie-Saal von Schloss Nymphenburg zu sehen, am Stand des Landesbunds für Vogelschutz. Eine vollbefiederte Schleiereule wird ebenfalls gezeigt - weil dieser Vogel ein Sinneswunder ist: Die Eule setzt ihre Ohren anders ein, um im Dunkeln ihre Beute zu orten.
Nina Möllers: "Es gibt auch ein lebendes Chamäleon"
Sie haben aber auch lebende Tiere. Welche denn?
Wir zeigen eine echte Spinne am großen Display, die man natürlich nicht anfassen darf. Denn Spinnen spüren Vibration und orientieren sich dadurch im Netz. Teilnehmer können sich dann im Raum, unter Anleitung, wie eine Spinne bewegen. Es gibt auch ein lebendes Chamäleon. Die Augen dieser Tiere bewegen sich nämlich unabhängig voneinander. Und wie das funktioniert, ist noch relativ unerforscht...
Möllers: "Man kann Düfte von ausgestorbenen Pflanzen riechen"
Das Festival bietet 60 Programmpunkte, Mitmach-Werkstätten, Ausstellungen, Vorträge. Was ist Ihr persönliches Highlight?
Wir fassen Naturkunde etwas weiter und schauen auf die Schnittstellen von Wissenschaften, Kunst, Design und Gesellschaft. Persönlich total spannend finde ich die Installation "CellF", die wir im Museum Mensch und Natur zeigen. Neuronen, die aus einer Zelle gewonnen wurden, hat ein Künstler an ein Musikinstrument angeschlossen, einen Synthesizer. Hören Sie zu, wie Zellen mehrfach am Tag Musik machen! Zudem kommt eine Opernsängerin. Das ist ein wunderbares avantgardistisches Format an der Schnittstelle zwischen Biowissenschaften und Kunst.
Wie ein temporärer Verlust unseres Geruchssinns uns beeinflusst, hat Corona vielen Münchnern gezeigt. Was passiert im Geruchslabor des Biotopia-Festivals?
Düfte lösen starke Gefühle in uns aus. Ohne Anmeldung können Besucher mit einer Berliner Geruchskünstlerin in Schloss Nymphenburg kreativ eigene Gerüche komponieren. Eröffnet wird auch die Installation "Verlorene Düfte" im Biotopia Lab, bei der der Duft einer ausgestorbenen Pflanze erlebt werden kann. Ziel ist es, hier zum Thema Artensterben zu mobilisieren.
Das Festival geht um die Welt der Wahrnehmung. Auch viele Künstler sind dieses Mal involviert.
Das ist der Clou an der Sache. Es gibt wahnsinnig viele Künstler, die sich mit biowissenschaftliche Themen auseinandersetzten und eine wachsende Bereitschaft der Wissenschaft, sich zu öffnen und transdisziplinär zu arbeiten, um in die Gesellschaft hinein zu wirken. Denn ein Perspektivwechsel ist allgemein notwendig.
Was fasziniert Sie eigentlich an den Naturwissenschaften?
Mich fasziniert, dass die Naturwissenschaft es möglich macht, Dinge zu erforschen, die bei der Lösung von sehr aktuellen und akuten Problemen heute helfen können. Da ist ein Potenzial, das mich begeistert. Wenn junge Menschen verstehen, wie etwas funktioniert, finden sie einen Ansatz, um Umweltthemen anzugehen und den Klimawandel. Wissenschaft ist so wertvoll und nebenbei macht sie viel Spaß.

Das neue und moderne Biotopia Naturkundemuseum Bayern soll in einigen Jahren eröffnen.
Wir sind in den Startlöchern, die Entwurfsplanung für den Neubau ist abgeschlossen und ich freue mich auf die Umsetzung. Es gibt in ganz Bayern kein modernes Naturkundemuseum dieses Formats. Das ist eine Lücke, in Frankfurt und Berlin ist das anders. Was viele nicht wissen: Die Räumlichkeiten vom Museum Mensch und Natur waren von Anfang an nur ein Provisorium.
Warum wird ein Naturkundemuseum im modernen Gewand gebraucht?
Relevante Themen und große Neuerungen können über diese Institution wie auf einer Plattform gezeigt werden. Wissenschaftliche Inhalte einfach und verständlich zu vermitteln, ist Biotopias Aufgabe. Es geht darum, eine Brücke von der Wissenschaft zur Öffentlichkeit zu haben - eine Brücke, die seltener da ist, als man denkt.
Das Festivalprogramm - einige Highlights
Das Biotopia-Festival steht dieses Mal unter dem Motto "Sinne - Die Welt durch andere Augen sehen". An diesem Samstag und Sonntag gibt es mehr als 60 Programmpunkte, die Sie kostenfrei erleben können. Wichtig: Als Erstes müssen Sie sich am Schloss Nymphenburg/Hubertussaal ein Einlassbändchen abholen.

- Samstag, 13.30 Uhr: Tänzer in der Nacht, wie Fledermäuse sich orientieren (Anna Vogler, Koordinationsstelle für Fledermausschutz Südbayern)
- Samstag, 14 Uhr: Wie nehmen mobile Roboter ihre Umgebung wahr? (Stefan Leutenegger, Technische Universität München)
- Sonntag, 12.15 Uhr: Ein Fisch sieht was, was du nicht siehst (Martin Heß, Ludwig-Maximilians-Universität München)
- Sonntag, 14.30 Uhr: Tuning out: Hören im Alter (Conny Kopp-Scheinpflug, Ludwig-Maximilians-Universität München)
- Orangeriesaal (Schloss Nymphenburg) Mitmachprogramm: Sehen Sie die Welt durch andere Augen! Sehen wie ein Chamäleon, Blumen erleben wie eine Biene oder erleben Sie die Welt der Eulen (Sa/So, 10 - 18 Uhr)
- Johannissaal (Schloss Nymphenburg) Erleben Sie, wie ein Roboter seine Umgebung wahrnimmt
- Museumshof Probieren Sie die Helme der Wahrnehmung aus und sehen Sie, wie ein Tier sieht (10 - 18 Uhr)
Programm: www.biotopia.net