Bier-Spaziergang in München: Kneipentour durchs Schlachthofviertel

Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt - Nur Schnösel, nur Spritz, alles so satt und teuer und voller Poloshirts hier: Ja, es gibt viele genervte Klischees über das Ausgehen in München. Dabei ist es gar nicht so schlimm. Für Menschen, die sich auskennen, gibt es doch einige Ausnahmen. Wer sich für neue Bars interessiert, für eher alternative Szenen, aber auch für alten Charme, der anderswo längst verschwunden ist – und wer gerne Bier trinkt –, für den bietet sich ein Spaziergang durchs Schlachthofviertel an.
Und das eben auch deshalb, weil hier vieles nicht ewig Bestand haben wird. Das gilt für alte Boazn, die nach und nach verschwinden. Es gilt aber, wie es in der Natur der Sache liegt, natürlich auch für die eher junge Szene.
Im Schlachthofviertel lässt sich das urige München genießen
Der Bahnwärter Thiel zum Beispiel, mit seinen Open-Air-Partys, aber auch mit dem Biergarten zwischen vollgesprühten Containern, darf nur bis 2027 bleiben, dann soll dieses Areal bebaut werden. Und auch die Bierkiste in einem alten Flachbau wird es dem Vernehmen nach nicht ewig geben.
Also spazieren Sie lieber bald durchs Viertel und genießen ein paar kalte Biere. Und suchen Ihr nächstes Lieblingslokal, um zum Beispiel nach dem nächsten Volkstheater-Abend noch den ein oder anderen Absacker zu nehmen.
Station 1: Zum Bahnwärter Thiel
Ein Sinnbild des Wandels des Viertels hin zu einem jungen, kreativen Viertel: der Bahnwärter Thiel, jenes bunt zusammengewürfelte Containerdorf an der Tumblingerstraße. Sehenswert, ein bisserl un-münchnerisch - und irgendwie vielleicht dann doch viel münchnerischer als die Klischees über diese Stadt besagen mögen.

Bahnwärter-Gründer Daniel Hahn und seine Leute werden mit ihren Partys und Flohmärkten auf jeden Fall überrannt, weil das junge München so sehr nach Subkultur lechzt. Wer nicht mehr jung ist und nicht zu Techno tanzt: Der kleine Biergarten auf dem Areal lohnt trotzdem.
Station 2: Die Bierkiste
Was haben die jungen Münchner vor 20 Jahren noch gejammert über die fehlende Abends-noch-ein-Bier-zum-Mitnehmen-Kultur. Wer auch immer von Wochenenden aus Berlin oder Köln heimkehrte, schimpfte über Münchens Provinzialität.

Inzwischen ist Besserung in Sicht, viele alte Callshops haben sich zum Beispiel zu recht klassischen Spät-Kiosken entwickelt. Ganz besonders nett, entspannt und alternativ ist aber die Bierkiste in der Zenettistraße 43, ein täglich mindestens bis Mitternacht geöffneter Getränkemarkt mit Fassbier-Ausschank und sehr nettem Schanigarten.
Station 3: Zenetti Pils
Die Zenettistraße ist eh einen Spaziergang wert, sie bietet hübsche kleine Altbauten, skurrile kleine Geschäfte – aber auch den alten, noch etwas derberen Charme des Schlachthofviertels, etwa im Fiakerstüberl (Zenettistraße 30).

Oder im "Zenetti Pils" im alten Kühlhaus, wo auch der neue Edeka ist (Zenettistraße 20). Hier gibt es Augustiner aus der Flasche, alte griechische Stammgäste - und am Abend plötzlich Leute vom nahen Theater.
Station 4: Craft-Bier im "Frisches Bier"
Das Schlachthofviertel wird hipper, was da – wie in ähnlichen Stadtteilen von Berlin über London bis New York – nicht fehlen darf, ist eine kleine Craft-Beer-Szene. Ein sehr hübscher Laden ist unsere Station Nummer 4, das "Frische Bier" von Tilmans-Biere-Gründer Tilman Ludwig in der Thalkirchner Straße 53.

Montag bis Samstag ab 17 Uhr gibt es hier von 14 (!) Zapfhähnen allerlei, genau: frische Biere. Wechselnde Craft-Biere hat Ludwig im Angebot, aber natürlich auch sein eigenes, das sich in München immer größerer Beliebtheit erfreut.
Wem selbst das "Frische Bier" schon zu un-schlachthofig und schnöselig ist, kann ein paar Meter weiter in der Südstadt (Thalkirchner Straße 29) wie eh und je kickern, Punkrock und Britpop hören und sich ganz klassisch ein paar klassische Helle reinkippen. Und wer noch mehr Craft-Beer-Szene sehen will, kann auch noch ins True Brew (Dreimühlenstraße 25) rüber schauen.
Station 5: Einkehren im Valentin-Stüberl
Vielen Münchnern vielleicht gar nicht so bekannt, ist der Platz vorm Valentin Stüberl: an Sommerabenden einer der schönsten der Stadt. Mit den hohen Altbauten außenrum, den großen Freischankflächen und den vielen schlendernden Menschen ist der Platz belebt – und doch weit entfernt von Gärtnerplatz-Innenstadt-Hektik. Seit kurzem ist wieder mehr los am Platz, weil im alten Bavarese mit einem sehr passablen Griechen nach dem Missverständnis mit dem "Spaten-Sepp", der so gar nicht ins Viertel passen wollte, endlich wieder Leben eingekehrt ist.

Ein Klassiker an der Ecke Dreimühlenstraße/Ehrengutstraße ist auf jeden Fall das Valentin Stüberl, das seit Jahrzehnten eine alternative Stadtteil-Stehkneipe vom Feinsten ist. Wenn man am späten Abend dann halt doch noch rein muss, wird es hier schnell sehr eng und gemütlich und laut. Wie wunderbar.
Station 6: Essen im Yol
Während vorm Valentinstüberl zu sitzen abends der beste Platz im Viertel ist, gilt das tagsüber eher für den Roecklplatz ein paar Meter weiter. Die Eltern des oft bisserl überlaufenen Spielplatzes holen ihren Aperol Spritz beim Eiscafé Italia, vor dem selbst an grauen Münchner Sommermorgenden schon kurz nach 8 Uhr in der Früh die ersten Espresso-Trinker sitzen. Der Chef ist eine italienische Entertainment-Schau und Kinder kriegen oft mal noch eine Waffel aufs Haus.

Wenn es langsam Abend wird am Platz, empfiehlt sich auf jeden Fall ein Laden, der so gar nicht in die mittlerweile so rausgeputzte Nachbarschaft zu passen scheint.
Das "Yol" ist ein fantastischer Viertel-Türke! Draußen am Platz darf man auch ein wenig über die Preise staunen, das Pils gibt es hier zum Beispiel noch für 2,60 Euro(!). Und wenn es regnet, gibt es drinnen einen klassischen Wirtshausraum. Auch schön!
Station 7: Boazn-Glück bei der Geyerwally
Na gut, die Geyerwally liegt eigentlich gar nicht mehr im Schlachthofviertel. Aber erstens ist sie trotzdem ein sehr guter Schlusspunkt einer gastronomischen Tour durchs Viertel – und zweitens passt sie ja eigentlich auch so gar nicht ins Glockenbachviertel, auf dessen Grund sie in der Geyerstraße 17 offiziell liegt.
Wirt Maximilian Heisler – einst für sein Engagement als Untergiesinger Mieteraktivist mit einem AZ-Stern ausgezeichnet – hat hier in einem Abbruchhaus eine der letzten Boazn erhalten.

Kürzlich konnte die Wirtschaft ihr 66-jähriges Jubiläum feiern. Ein paar der alten Stammgäste sind tatsächlich noch dabei, trinken das Flaschenbier (hervorragende Auswahl! Faire Preise!) und tummeln sich unter den vielen jungen Menschen in leicht abgerocktem Ambiente. Im Sommer hat die Geyerwally durch den großen, bunten Schanigarten eh noch mal an Charme gewonnen.