Berg am Laim: The Bakery – Snowboards mit Liebe gebacken
Es herrscht reger Betrieb in dem schachtelartigen, mit Graffitis verzierten Gebäude hinterm Ostbahnhof. Obwohl es Freitagnachmittag ist, wird gebohrt, gesägt und geschweißt. Werkbox 3 nennt sich die offene Werkstatt in der alten Industriehalle – hier geht jeder 24 Stunden lang seinem Hobby nach, übt seinen Beruf aus – oder: baut sich eine Existenz auf.
Erste Bauversuche gehen total daneben – die Bretter verziehen sich
So wie Michael Mardofel und Johannes Nissen-Meyer. Ihr Schild klebt auf der Werkbox, schwarz auf weiß. The Bakery, die Bäckerei, steht da, und kleiner darunter:
Snowboards. Die beiden Brettl-Bauer sind weder Bäcker noch Schreiner: Der 31-jährige Nissen-Meyer macht seinen Doktor in Physik an der LMU, der 29-jährige Mardofel hat Medientechnik studiert. Beide verbindet die Liebe zum Handwerk und, klar: zum Snowboard fahren. "Vor acht oder neun Jahren habe ich im Internet gelesen, dass man Surfbretter selber bauen kann. Dann folgten Snowboards", erzählt Nissen-Meyer. "Also habe ich mir im Netz viel darüber angelesen. Vor drei Jahren habe ich das Michi gezeigt. Er war begeistert."
Seit 2014 bauen sie ihre Bretter in der Werkbox, mittlerweile haben sie mit Holzlager 30 Quadratmeter. Die erste Werkstatt, nur wenige Meter weiter, war nicht viel größer als ein Kleiderschrank. "Wir haben viele Werkzeuge und Maschinen von anderen Skifahrern und Snowboardern übernommen", erzählt Mardofel. So können sie ohne großes Startkapital bald mit der Produktion beginnen.
Um ein Snowboard zu bauen, braucht es sieben Schichten. Zuerst wird der Kern produziert, der die Mitte bildet. Bei der Bakery ist er aus Bambus, das sie von einem chinesischen Lieferanten beziehen, der mit kleinen Bauern zusammenarbeitet.
"Dieses Material hat die besten technischen Eigenschaften, wird aber von den großen Produzenten nicht verwendet, weil es zu teuer ist", erklärt Nissen-Meyer. Außerdem wächst Bambus schneller nach als andere Bäume.
Auch bei den anderen Schichten wollen sie auf Nachhaltigkeit achten: Die zwei Glasfasermatten, die den Kern umschließen, sollen durch Flachsfaser ersetzt werden. Dazu kommen der Belag, der Kontakt mit dem Schnee hat, eine Stahlkante, oben eine Schutzschicht für den Kern und die bedruckte Plastikhülle, die das Design ausmacht.
Wenn alle Schichten fertig sind, geht es an den Teil, den Nissen-Meyer die "Hochzeit" nennt: Im eingespieltem Rhythmus stehen die beiden an ihrer Werkbank und verstreichen das Bio-Epoxidharz gleichmäßig auf den Schichten, bevor sie zusammengesetzt werden.
Zwischen jede einzelne Schicht legen sie Gummifasern, damit das Ganze besser zusammenhält – auch das machen die großen Firmen nicht, die hauptsächlich in China und Taiwan produzieren. "Bei diesem Teil drehen wir immer laut Musik auf", erzählt Mardorfer. Die anderen Bastler in der Werkbox stört das nicht, im Gegenteil: Immer wieder kommt einer durch die Tür der Werkstatt und plaudert. Die beiden Snowboarder sind sich einig, dass sie es ohne die Tipps der Experten in der Werkbox nicht geschafft hätten.
Wenn die einzelnen Schichten veklebt sind, kommen sie in die selbstgebaute Presse: Für 30 Minuten werden die Boards hier bei 80 Grad mit 40 Tonnen Druck zusammengepresst– oder, wie sie sagen, "gebacken".
Die Nähe zu den Bergen ist ein Standortvorteil für die Brettl-Bäcker
Bis auf das leise Knacken der Luftblasen, die aus den Schichten gedrückt werden, ist nichts zu hören. Das ändert sich mit den nächsten Schritten, die allerdings erst erfolgen, nachdem das Board 24 Stunden ausgekühlt ist – damit es sich nicht verzieht. Für das Aussägen der Form, das Anschrägen der Außenkanten und das Abschleifen tragen die beiden Kopfhörer und Schutzbrillen. Zum Schluss werden noch die Löcher für die Bindung gebohrt – fertig.
Die Schutzfolie kann abgezogen werden. "Das ist der beste Moment!", sagt Nissen-Meyer lachend. Er erinnert sich noch gut an die ersten Bauversuche: "Die ersten Bretter waren total verzogen, weil wir noch nicht wussten, wie sich die Materialien bei Hitze verhalten."
Mittlerweile arbeiten sie an Prototypen für ihre Serienproduktion, die zwischen 550 bis 650 Euro pro Board kosten soll. Schon jetzt fertigen sie auf die Wünsche der Kunden zugeschnitten. Die Folien mit den Grafikdrucken bekommen sie momentan noch von extern, in Zukunft wollen sie selbst drucken. Mit den Münchner Snowboards wollen sie ihren Lebensunterhalt verdienen.
"Wir haben gegenüber den Billigproduzenten den Standortvorteil.", sagt Nissen-Meyer. "In 40 Minuten sind wir am Spitzing und können die Snowboards austesten. So haben die Leute eine emotionalere Bindung." Am Ende, so ist es der Plan, soll sich die Münchner Wertarbeit auch für die Snowboard-Bäcker selbst auszahlen.