Bei Einsatz bedroht: Polizist setzt Elektroschocker gegen "Reichsbürger" ein

Bogenhausen - Der Münchner ist als Anhänger der "Reichsbürger"-Szene bekannt. Er gilt als Querulant. Regelmäßig schrieb er Briefe an verschiedene Stellen und Personen mit wenig freundlichem Inhalt.
Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen den 63-Jährigen, weil er versucht haben soll, eine Firma zu erpressen. Donnerstagmorgen um 7 Uhr standen Polizisten mit einem richterlichen Beschluss vor der Wohnung des Verdächtigen in einem Mehrfamilienhaus zwischen Einstein- und Zaubzerstraße. Der Mann öffnete die Tür und zeigte sich zunächst kooperativ. "Kurz nach Beginn der Maßnahme wurde der 63-Jährige allerdings zunehmend aggressiv", so Polizeisprecher Michael Marienwald.
Polizei setzt Taser gegen "Reichsbürger" ein
Der Münchner reagierte irrational auf die Durchsuchung. Die Beamten hatten bei ihm einen Computer und verschiedene elektronische Speichermedien sichergestellt. Als die Polizisten die Beweismittel abtransportieren wollten, versuchte der Münchner, sie am Verlassen der Wohnung zu hindern.
Plötzlich hielt er zwei größere Küchenmesser in den Händen, mit denen er die Polizisten bedrohte. Die Lage wurde immer gefährlicher.
Die Beamten forderten Verstärkung an. Rund 60 Polizisten waren schließlich vor Ort, mehr als 25 Einsatzfahrzeuge standen rund um die Einsteinstraße, darunter auch ein Notarztfahrzeug. Die Polizisten wollten den Mann beruhigen. Mehrmals forderten sie den "Reichsbürger" auf, die Messer wegzulegen. Doch der 63-Jährige blieb stur, er war nicht bereit nachzugeben.
"Reichsbürger" muss in U-Haft
Schließlich zog einer der Polizisten einen Taser und setzte den Münchner mit Hilfe des Elektroschockers außer Gefecht. Der 63-Jährige ging zu Boden. Das bereitstehende Notarztteam versorgte den Mann medizinisch und brachte ihn anschließend zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus.
Am Donnerstag wurde der 63-Jährige in die Haftanstalt gebracht. Am Freitag soll er einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Der entscheidet über einen Haftbefehl und die weitere Unterbringung des Verdächtigen in der JVA Stadelheim. Gegen den "Reichsbürger" wird nach Angaben des Präsidiums jetzt auch wegen Freiheitsberaubung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt.
2016 erschoss ein "Reichsbürger" einen Polizisten
Bei einer ähnlichen Durchsuchungsaktion im Oktober 2016 im mittelfränkischen Georgensgmünd hat ein damals 49-jähriger "Reichsbürger" einen SEK-Beamten erschossen. Er feuerte durch die geschlossene Haustür und verletzte dabei drei weitere Beamte. Die Polizisten hatten den Auftrag, rund 30 Waffen des Verdächtigen zu beschlagnahmen.
Der Fall löste damals bundesweit eine Diskussion über die bis dahin vielerorts belächelte "Reichsbürger"-Szene und deren Verbindungen zum aktiven Rechtsextremismus aus, sowie über die Überwachung der Szene durch den Verfassungsschutz.
Als sogenannte Reichsbürger gelten Anhänger einer Ideologie, die die Bundesrepublik ablehnen und sich als Bürger eines Deutschen Reichs ansehen. Motiv ist oft Verdrossenheit gegenüber der Politik und dem Staat.
Nicht jeder in der "Reichsbürger"-Szene zählt dabei zum rechten Spektrum. Unter den Anhängern befinden sich auch Aussteiger, Querulanten sowie Menschen, die sich laut Verfassungsschutz unter anderem „auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht“ berufen. Die Verschwörungsmythen von "Reichsbürgern" finden infolge der Coronapandemie zunehmend Verbreitung, stellte der Verfassungsschutz 2020 fest.