Baumfällung in Schwabing: Showdown am Ahorn
Pünktlich um 7:45 Uhr fahren zwei Männer in einem weißen Lastwagen vor dem Haus in der Heßstraße vor. Auf der Ladefläche liegen Sägen, Rechen und verschiedene Seile, also alles, was man braucht, um den Ahorn im Hof des Hauses so schnell wie möglich zu beseitigen. Doch schon recht schnell nach dem Aussteigen wird den Arbeitern klar, dass die morgendliche Fällung dann wohl doch nicht so schnell vonstattengehen wird. Denn die Zufahrt zum Hof wird durch einen schwarzen Mercedes blockiert.
Das motorisierte Bollwerk hat das Ehepaar Fischer dort abgestellt. Nicht aus Versehen, sondern aus Prinzip.
Der Mercedes soll den Baumfällern den Weg versperren
Die von der Hausverwaltung angeordnete Fällung des 50 Jahre alten Ahorns empfinden sie als "Frechheit", wie Ute Fischer sagt. Und auch ihr Ehemann Karl Ulrich bestätigt: Nein, aus dem Weg fahren werde man das Auto auf keinen Fall.
Um zu verstehen, wie es in der eigentlich idyllischen Schwabinger Wohnanlage zum Showdown kommen konnte, muss man weiter zurückgehen. Und zwar bis zur letzten Eigentümerversammlung Ende vergangenen Jahres. 17 Eigentümer teilen sich den Wohnkomplex, den Fischers gehören seit Ende der 70er Jahre einige Wohnungen im Vorderhaus. "Die Versammlung war eigentlich angesetzt, um über ein Tor für den Hof abzustimmen", erinnert sich Ute Fischer.
Das Tor wollten nahezu alle Parteien des Hauses, auch haben einige Eigentümer Abstimmungsvollmachten an die Hausverwaltung übergeben. Somit bleibt ein Teil der Versammlung fern. "Dann wurde aber in einer Art Ruck-Zuck-Aktion auf einmal auch über eine Fällung des Baumes abgestimmt", erzählt Ute Fischer.
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So ergab die Abstimmung letztlich 42 zu 34 Prozent für die Abholzung. "Da haben vor allem die dafür gestimmt, die überhaupt nicht hier wohnen", sagt Karl Ulrich Fischer.
Das Argument der Abholzungs-Befürworter, der Baum könnte benachbarte Mauern beschädigen, wollen die Fischers nicht gelten lassen. "Wenn man Alter und Standort des Baumes bedenkt, sieht man, dass er sich nicht mehr wesentlich ausbreiten wird", so Karl Ulrich Fischer. Auch seien Viele von der Abstimmung überrumpelt worden. Inzwischen hat Fischer sich umgehört und ist überzeugt: "Bei einer neuen Abstimmung hätten wir eine klare Mehrheit für den Baum."
Doch ob es dazu kommt, ist unklar. Die Fronten sind verhärtet. Zwar zeigt sich an diesem Morgen zumindest ein Abholzungsbefürworter gesprächsbereit, doch die wahren Probleme machen laut Karl Ulrich Fischer andere. Schon länger gebe es Bestrebungen die "grüne Oase" im Hof zu beseitigen, sagt er. Und tatsächlich: An einem Teil der Mauer klafft ein Loch im dichten Efeu, an den Eiben in der Mitte des Hofes wurden Äste entfernt. Dahinter, so glaubt Karl Ulrich Fischer, steckt ein Miteigentümer, den er nur "den Grünhasser" nennt. Dem will er nicht nachgeben.
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Dass die Fischers einen langen Atem haben, wissen auch die Baumfäller. Schon bei einem früheren Termin waren sie an dem Ehepaar und dessen strategisch geparktem Mercedes gescheitert. So ziehen die Arbeiter auch an diesem Morgen nach einer Dreiviertelstunde wieder ab.
Die Rechnung für den ergebnislosen Einsatz werden sie – wie beim letzten Mal auch – an Herrn Fischer schicken. Fast 500 Euro standen auf der letzten. Doch ihm ist es das wert: "Gerade in der Heßstraße gibt es doch sonst fast keine Bäume – und je mehr Grün desto besser."
Die rechtliche Lage: Wer entscheidet über Fällungen?
In Fällen, in denen es nicht um Um- oder Neubauten eines Gebäudes geht, entscheidet in München die untere Naturschutzbehörde über Baumfällungen.
Die Genehmigungen beantragen können sowohl die Eigentümer des Baumes, aber auch Nachbarn oder jeder, der sich nachvollziehbar durch den Baum beeinträchtigt fühlt.
Nach der Antragstellung prüfen Gutachter der Unteren Naturschutzbehörde vor Ort, ob ein ausreichender Grund für die Erteilung einer Genehmigung vorliegt. Außerdem wird festgelegt, ob als Ausgleich eine Ersatzpflanzung fällig wird. Zusätzlich beurteilt ein Beauftragter des örtlichen Bezirksausschusses die Situation und gibt gegenüber der Unteren Naturschutzbehörde eine Empfehlung ab.
Abgesehen von dieser öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedarf jede Fällung aber auch der privatrechtlichen Zustimmung des Baumeigentümers.
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