AZ-Spaziergang in München – wo man in Untergiesing zur Ruhe kommen kann: "Fast noch ein Geheimtipp"
Untergiesing - So richtig schön ist der Anblick erstmal nicht, wenn man von der Wittelsbacherbrücke in die Humboldtstraße läuft. Auch die Pilgersheimer Straße strotzt nicht gerade vor Charme. Und dennoch: Untergiesing hat ganz wunderbare Ecken, urige Kneipen und viele grüne Oasen, die nicht überlaufen sind und Ruhe ausstrahlen; die Nähe zur Isar zählt zu den großen Vorteilen.
"Hier ist das Arbeiterviertel noch spürbar", sagt Stephanie Dilba, die lange im Viertel gewohnt und als Stadtführerin gearbeitet hat, "hier wurde rot gewählt. Die KPD war lange sehr stark im Viertel." Sie kennt die Geschichte des Viertels, weiß, wo es sich besonders schön verweilen lässt.
Spaziergang in Untergiesing: Wo sich in München ein "Klein-Venedig" findet
Der AZ-Spaziergang beleuchtet aber nur einen Teil der schönen Ecken des ehemaligen Arbeiterviertels. Denn auch ein Blick von der Mondstraße auf den Auer Mühlbach – im Internet sogar als "Klein-Venedig" bezeichnet – lohnt allemal. Wer sich stärken möchte, schaut im Hexenhäuschen, dem "Gans Woanders" auf eine Pizza oder eine Portion köstliche Rosmarin-Pommes vorbei. Die schiefe Architektur des Häuschens ist ein Hingucker.
In der Freibadstraße zwischen Hexenhäuschen und Schyrenbad findet sich die Boazeria – eine Mischung aus bayerischer Kneipe und italienischer Aperitif-Bar. Dort trifft man sich auf ein Feierabendbier. Neben all dem Grün finden sich natürlich an jeder Ecke die Sechzger. Aber das dürfen Sie beim Spazieren selber entdecken.
Station 1: Warum nicht einen Spaziergang durch das Viertel erfrischt beginnen?
Das Schyrenbad ist Münchens älteste Badeanstalt, bereits 1847 wurde sie als reines Männerbad eröffnet. Natürlich ist dort im Sommer viel Betrieb, trotzdem findet sich fast immer noch ein ruhiges – oft schattiges – Plätzchen im hinteren Bereich der Liegewiese.
Im Vergleich zu anderen Bädern geht es hier etwas ruhiger zu. Vor allem morgens findet sich am Radlständer noch ein Plätzchen, im Bad lassen sich idyllisch ein paar Bahnen ziehen. Geöffnet ist es ab 7 Uhr, im August bleibt's bei Temperaturen über 25 Grad bis 20 Uhr offen.
Station 2: Nur wenige Minuten vom Schwimmbad entfernt – der Rosengarten
Hier ist von Trubel und Hektik der Stadt nichts mehr zu spüren. Abends wird hier Badminton gespielt, gepicknickt oder gelesen. Am Vormittag ist es ruhig, die Stühle im Wasser des Freibadbächls sind frei. Mit den Füßen im Wasser unter der großen Weide sitzt es sich ganz hervorragend. Etwas weiter hinten im Rosengarten beginnen die Beete.

Bunte Blumen verströmen hier ihren Duft, kleine Schilder verraten die Namen der Gewächse. Hunderte Rosenarten gibt es zu entdecken. Neben dem Rosengarten gibt es noch einen Tastgarten, einen Duftgarten, einen Garten mit Giftpflanzen und einen Fliedergarten. Je nach Saison blühen andere Pflanzen. Regelmäßig werden Führungen durch das Areal angeboten. Die AZ führt der Spaziergang am westlichen Ausgang in Richtung Isar.
Station 3: Unscheinbarer Anlaufpunkt – der Kiosk an der Braunauer Eisenbahnbrücke
Folgt man dem schattigen Weg aus dem Rosengarten parallel der Isar weiter, gelangt man nach wenigen Minuten zum Kiosk Braunauer Eisenbahnbrücke. Am Vormittag ist er geschlossen und wirkt nicht unbedingt wie ein beliebter Anlaufpunkt. Aber das täuscht. Ab Nachmittag tummeln sich hier Spaziergänger, Sonnenanbeter, Familien und Studenten.

Längst nicht so überlaufen wie an der Reichenbachbrücke, holen sich hier Gäste ein für München sehr bezahlbares Getränk oder ein paar Wiener bei Wirtin Christa Fingerle. Die ist für sich schon eine Marke. Seit fast 40 Jahren betreibt sie den Kiosk. Wer sich nicht ins Gras setzen mag, der findet vielleicht noch einen freien Platz am Stehtisch.
Station 4: "Dieser Ort ist ein Geheimtipp"
Der Spaziergang führt uns weiter über das mit Bäumen gesäumte Wegerl entlang an der Isar. Das Landschaftsschutzgebiet Isarauen tut sich auf. Das Freibadbächl fließt aus dem Entenweiher und dann weiter Richtung Schyrenbad unter dem der Aubach – in diesem Bereich Freibadbächl genannt. "Dieser Ort ist fast noch ein Geheimtipp", sagt Stephanie Dilba.

Überlaufen ist es hier nie. Viele Familien kommen mit Kindern hierher, Rentner zum Zeitung lesen, andere zum Joggen. Ein freies Bankerl findet sich trotzdem fast immer. Wir nehmen Platz direkt am Entenweiher. Dort tummeln sich Schwäne, Wasserhühner und – eben – Enten, die neugierig auf die Besucher zuschwimmen und auf ein paar Brotkrumen hoffen. Füttern ist hier aber verboten.
Im Hintergrund rauscht das Wasser über ein kleines Wehr: ein wirklich lauschiges Plätzchen fernab von aller Hektik. Über das Wehr-Brücklein verlassen wir das Landschaftsschutzgebiet in Richtung der Teutoburger Straße mit der schönen Eisenbahnunterführung. Statt hindurchzugehen, führt der Spaziergang weiter die Teutoburger Straße entlang bis zur nächsten Station.
Station 5: Markttag mit Brathendl-Duft
Die AZ besucht den Hans-Mielich-Platz am Donnerstag – dann ist nämlich Markt und der Platz zeigt sich von seiner belebten Seite, es riecht nach Brathendl. Es gibt frisches Obst und Gemüse, orientalische Aufstriche und italienische Spezialitäten zu kaufen.
Besonders mittags trifft sich hier das Viertel für eine kurze Pause. Dilba: "Der Platz soll ja das Herz von Untergiesing darstellen. Wenn kein Markt ist, ist es aber weniger einladend." Schön sei aber, dass hier Kinder und Jugendliche mit Rollern oder Skateboards unterwegs sind.

Aber auch einige Herrschaften lassen sich beim Schachfeld nieder und trinken Bier. Das führte schon zu Spannungen mit den Anwohnern. Vor rund zehn Jahren wurde der Platz neugestaltet. Man habe alles rausgeholt, hieß es damals.
Ein Fauxpas im Sechzger-Viertel: "Die Bänke waren rot. Es hat nicht lange gedauert, da waren die Bänke plötzlich blau angemalt. Natürlich nicht fachmännisch", sagt Dilba und lacht. Man habe sich dann dafür entschieden, die Bänke schließlich in Naturholzoptik zu gestalten.
Station 6: Gentrifizierung in der Birkenau
Errichtet wurde die Kolonie Birkenau zwischen 1840 und 1845, damals auf einem Acker. Die fast durchwegs eingeschossigen Häuser wurden vor allem für Kleingewerbe und Arbeiter gebaut. Das ehemalige Überschwemmungsgebiet war auch zu Bauzeiten sumpfig nass.
"Das roch nicht immer besonders gut", erklärt Dilba. Für eine bestimmte Baumart aber der perfekte Boden: Die Birken geben der Siedlung ihren Namen. Auch Weiden fühlen sich hier wohl.

"Vor allem Fiaker und Geflügelzüchter waren hier ansässig", sagt die Stadtführerin. Heute sind die Bewohner der Birkenau bunt gemischt. Die Gentrifizierung macht hier nicht halt. Anders als in der Feldmüllersiedlung in Obergiesing wurde der Denkmalschutz aufgehoben.
Zu wenig Häuser seien erhalten. In der Feldmüller gilt ein Ensembleschutz. Auch wenn sich unter die kleinen Häuschen längst neue noble Bauten geschlichen haben, ist es dennoch eine Freude, durch die Birkenau zu laufen.
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