Ausstellung: Schwarze Witwen, Mütter, Amazonen
Tschetschenien. Dagestan. Inguschetien: Ein explosives Krisengebiet. Die Künstlerin Ira Blazejewska bearbeitet diese Krisen mehrschichtigen Papierarbeiten und stellt im Cafe Kosmos aus.
Maxvorstadt - Seit dem zweiten Tschetschenienkrieg ist Russland massiv mit Militär, Polizei und Geheimdiensten in der Nordkaukasus-Region aktiv. Mit der Begründung, die verfassungsmäßige Ordnung in Tschetschenien wiederherzustellen und den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, wird eine Politik legitimiert, die darauf zu zielen scheint, die Rebellen physisch zu vernichten. Doch tatsächlich wird zwischen unbeteiligter Bevölkerung und nichtstaatlichen Gewaltakteuren nicht unterschieden, Rechtsbrüche werden nicht geahndet. Es scheint, dass es vielmehr um eine Ausrottung dieser Völker geht, und welche Regierungen und Organe daran Interesse haben, ist gänzlich undurchsichtig . All dies evoziert eine Atmosphäre der Willkür und Rechtlosigkeit, die die Bevölkerung in Ohnmacht und Wut zurücklässt.
Angesichts der Skrupellosigkeit der russischen Sicherheitsorgane im "Kampf gegen den Terrorismus" wächst innerhalb der Bevölkerung des Nordkaukasus die Sympathie für gewaltsame Formen des Widerstands und, insbesondere unter jungen Menschen, die Bereitschaft, sich den islamistischen Gruppen anzuschließen.
Dazwischen die Frauen. Frauen wie die Taube Coca. Die tschetschenische Menschenrechtlerin Zainap Gaschajewa und mit ihr viele andere unermüdliche und unerschrockene Frauen erstellen ein umfangreiches Archiv über Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land. Oft unter Lebensgefahr suchen sie Orte auf, an denen wieder einmal ein oder mehrere Menschen, meist ganz gezielt junge Männer, „hingerichtet“, in die Luft gesprengt, oder nach Entführung und Folterung entsorgt wurden.
Frauen wie die „Schwarzen Witwen“, „Bräute Allahs“, Gotteskriegerinnen, meist in Inguschetien und Dagestan rekrutiert. Auch dieses Bewegung ist absolut undurchsichtig: welche dieser Frauen sich freiwillig radikalisieren lassen, aus Schmerz über ihre getöteten Väter, Brüder, Cousins, welche Frauen von ihren Familien als Pfand den radikalen Kräften, die sie später oft „fernzünden“, ausgeliefert werden und welche Mädchen ganz einfach geraubt, vergewaltigt und, teils unter fremden Namen, als lebendige Bomben missbraucht werden, ist oft nicht mehr nachzuvollziehen.
Frauen wie die Mütter, die ihre Söhne verloren haben, nicht mehr schweigen, auf der Straße demonstrieren, an die Öffentlichkeit appellieren. Zu einem dieser Länder, Inguschetien, hat die Künstlerin einen persönlichen Bezug.
Unruhig ist es in diesem Land der Türme, der Sonnengräber, der Amazonen, der heiligen Rituale der Gastfreundschaft schon lange. Die Sprache ist uralt, ähnelt dem Sumerischen. Die Radikalisierung des Islam, das Wachsen des Einflusses der Wahhabiten ist alles andere als verwunderlich. Die Loyalität der Sowjetunion gegenüber wurde den Inguscheten mit einer Deportation im Jahre 1942 belohnt, trotz der offiziellen Rehabilitierung des Volkes unter Jelzin wurde dieselbe nie ganz vollzogen. Jetzt herrschen in dem kleinsten Kaukasusland höchste Korruption, Armut, die Rasse wird systematisch ausgerottet durch Entführungen, Folterung und Tötung ihrer jungen Männer.
Das Volk ist hilfloser Spielball der Interessengruppen. Die Wahhabiten werben unter den Verzweifelten neue Anhänger, dies führt zu immer stärkeren kriminellen Repressionen von Seiten der russischen Regierung, ein unausweichlicher Teufelskreis ist im Gange. Ein Image von nordkaukasischen Terroristinnen wird systematisch aufgebaut, um andere innerstaatliche Entwicklungen zu verdecken. In diesem Höllenchaos wird es unmöglich, einen richtigen Einblick zu gewinnen.
Ira Blazejewska versucht, darauf zu schauen. Sie bearbeitet dieses Thema vor allem in kleineren, mehrschichtigen Papierarbeiten, die in ihrer Korrespondenz zwischen einer abstrakten Schicht und einer archivarischen, graphischen Dokumentation die Ebenen der zugänglichen Information, und der undurchschaubaren Hintergründe, Umstände und Dynamiken widerspiegeln.
Die Ausstellung ist vom 5. April, Vernissage um 17 Uhr, bis zum 4.Mai im Cafe Kosmos, Dachauer Straße 7, zu sehen. Zur Vernissage gibt es eine Einführung.
- Themen:
- Polizei
- Terrorismus