Aufstand gegen Groß-Labor für Tierversuche
Rechts der Isar: 6000 Mäuse und 200 Rattenkäfige für Forschungen der TU. Nachbarn stört der Gestank - und Tierschützer sind empört.
Haidhausen - Es ist ein Wissenschaftsbau der Superlative: Mindestens 50 Millionen Euro wird das neue Krebsforschungszentrum Translatum der TU in Haidhausen kosten. Auf 5600 Quadratmetern sollen auf dem Gelände des Klinikums rechts der Isar bis 2016 modernste Labors und Forschungseinrichtungen entstehen.
Die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern stuft das Zentrum als „Projekt von nationaler Bedeutung“ ein. Trotzdem laufen Anwohner und Tierschützer Sturm gegen das Vorhaben. Denn in einem der Translatum-Untergeschosse sind Tierversuche geplant.
6000 Mäuse- und 200 Rattenkäfige sollen dort aufgestellt werden, belegt jeweils mit bis zu sechs genetisch veränderten Nagern. „Um nachteilige Effekte und mögliche Risiken neuer Diagnoseverfahren und Therapiestrategien gegen Krebs zu ermitteln, sind In-vivo-Versuche an Mäusen und Ratten unerlässlich“, erklärt TU-Sprecher Klaus Becker. Sie seien sogar gesetzlich vorgeschrieben.
„Tierversuche sind für mich absolut inakzeptabel, die armen Viecherl“, sagt hingegen Anwohner Ernst Diller. Vor allem aber stört er sich an dem Geruch, der schon jetzt bei Ostwind vom Campus her über sein Grundstück zieht. „Die machen ja bereits Versuche mit Mäusen und Ratten“, sagt er. „Wenn der Wind ungünstig steht, stinkt es bei uns nach Mist. Aber nicht so, wie auf dem Land, sondern süßlich, penetrant, nach toten Tieren, einfach unangenehm.“
Er sei laufend im Gespräch mit dem Klinikum, sagt Diller. „Außerdem war das Umweltamt da und hat festgestellt, dass es stinkt, obwohl die Filter normal laufen.“ Der zuständige TU-Techniker könne nichts dagegen tun. Wenn es noch mehr Tierversuche gebe, würde die Geruchsbelästigung unerträglich, befürchtet Diller. Eine solche Anlage habe deshalb in einem Wohngebiet nichts zu suchen.
„Die Tierhaltung wird in nach modernsten Standards abgedichteten Räumlichkeiten erfolgen, so dass Partikel weder von außen nach innen noch von innen nach außen gelangen können“, versucht TU-Sprecher Becker die aufgebrachten Gemüter zu besänftigen. Jeder geplante Eingriff an Tieren werde der Regierung von Oberbayern zur Genehmigung vorgelegt. Man werde mögliche Alternativen zu Tierversuchen nutzen und an den Nagern nur so viele Experimente durchführen, „wie zwingend nötig sind, um zu wissenschaftlich fundierten Ergebnissen zu gelangen“.
„Zu glauben, man könne den Krebs besiegen, indem man Mäuse manipuliert, ist absurd“, entgegnet Corina Gericke von „Ärzte gegen Tierversuche“. Krebs beim Menschen werde in vielen Fällen durch äußere Einflüsse wie Rauchen oder falsche Ernährung ausgelöst, „und das sind Faktoren, die man im Tierversuch nicht simulieren kann“. Deshalb seien diese Ergebnisse – anders als bei Experimenten mit Zellkulturen oder Biochips – nicht auf den Menschen übertragbar.
„Auf Biochips kann man ganze Organe nachstellen und die Wirksamkeit von Medikamenten daran testen“, sagt Corina Gericke. „In diese Methoden sollte man Millionen investieren – nicht in Tierversuche!“ Eine Meinung, die auch Christian Grundmann vom Arbeitskreis Tierschutz der Grünen vertritt: „Die Relation zwischen Tierleid und medizinischem Nutzen bei Tierversuchen stimmt einfach nicht.“
Der Zustimmungsantrag für den Neubau (Bauherr ist das bayerische Forschungsministerium) liegt derzeit bei der Regierung von Oberbayern. „Geplant ist die Erschließung des Geländes ab Ende 2013 und Baubeginn Mitte 2014“, sagt Klaus Becker. Im Haidhauser Bezirksausschuss ist man alles andere als erfreut. „Wir haben beantragt, dass die Forschung nach Garching verlegt wird“, sagt die Vorsitzende Adelheid Dietz-Will (SPD). „Aber rechtlich ist da nichts zu machen. Das ist allein Sache des Freistaats.“