Anwesen am Preysingplatz: Was droht den Mietern hier?

In Haidhausen lehnt der Bezirksausschuss ein Bauprojekt als zu massiv ab. Man fürchtet zudem die Vertreibung alteingesessener Mieter. Das Haus hatte die Stadt einst per Vorkaufsrecht erworben und dann weiterverkauft.
von  Myriam Siegert
Das Haus am Preysingplatz soll erweitert werden.
Das Haus am Preysingplatz soll erweitert werden. © Daniel von Loeper

Haidhausen - Ein großes Wohnhaus in bester Haidhauser Lage, ruhig, aber zentral im Viertel, am idyllischen Preysingplatz mit Blick auf die neoromanische Kirche St. Johannes. Eine begehrte Ecke, in einem der begehrtesten Viertel der Stadt – die dem örtlichen Bezirksausschuss (BA) aktuell Sorgen bereitet.

Das Gremium befasste sich vergangene Woche mit einem großen Bauvorhaben am Preysingplatz 3 bis 7. Dort sollen zwei Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage entstehen.

Die Lokalpolitiker haben hier gleich mehrere Bedenken. Es geht um Gentrifizierung, Ökologie und Denkmalschutz. Der BA sprach sich daher einstimmig gegen das Projekt aus und richtete eine von der SPD formulierte Anfrage mit mehreren kritischen Nachfragen zu dem Projekt an die Stadt.

Zu hohe Mieten vertreiben Altmieter

Doch von vorne: Das Anwesen am Preysingplatz erstreckt sich über die Hausnummern 3, 4, 5, 6 und 7. Die geplanten Neubauten mit 70 Wohnungen sollen hofseitig an die Häuser Nummer 4 und 6 angebaut werden. Einer der Neubauten soll als Boardinghaus genutzt werden.

Mieter berichteten dem BA, so wird es in der erwähnten Anfrage ausgeführt, dass hier schon seit Jahren Mieten über dem Mietspiegel verlangt werden. Erst im Mai habe es eine weitere Mieterhöhung gegeben. Laut mündlichen Aussagen der Hausverwaltung gegenüber Bewohnern sollen so Altmieter aus dem Haus vertrieben werden. Zudem geht das Gerücht um, das Ziel sei, künftig nur noch befristete Mietverträge abzuschließen. "Wir fürchten, dass hier etwas Größeres im Gange ist", sagt Nina Reitz, Sprecherin der SPD im BA.

Alteingesessene Mieter, die man auf die Art rechtzeitig loswerden könnte, gibt es in dem Anwesen einige. In dem Haus befinden sich fast 60 ehemalige Werkswohnungen des Unternehmens Kathreiner. Das Münchner Traditionsunternehmen, einst bekannt für den Kneipp'schen Malzkaffee und Caro Landkaffee, hatte seinen Sitz bis 1971 in der Mühldorfstraße hinterm Ostbahnhof, bevor es nach Poing umzog.

Viele der Mieter wohnen seit Jahrzehnten hier

Kathreiner betrieb ab 1970 mehrere, teils riesige Warenhäuser und Supermärkte, etwa Katra, KOMM und Krone, auch Baumärkte gehörten zum Unternehmen. Ab 1990 expandierte man in die damals neuen Bundesländer – und verspekulierte sich. Die Lidl & Schwarz-Gruppe (Kaufland) und die Spar AG (Eurospar) übernahmen die Märkte, 1997 stellte die Kathreiner AG, die damals noch über 3.000 Mitarbeiter hatte, einen Insolvenzantrag.

Besitzerwechsel bedeutet steigende Mieten

Am Preysingplatz stammen noch heute viele Mietparteien aus dieser Zeit. Das Haus wurde damals, Ende der 90er Jahre, ebenfalls verkauft. Die Stadt München übte ihr Vorkaufsrecht aus. Sie verkaufte das Haus, das sich schon damals im Erhaltungssatzungsgebiet befand, nach einer Abwendungserklärung allerdings weiter; an einen Architekten, dessen Söhne wohl heute die Geschäfte führen. Gerüchten zufolge war der Verkaufspreis mit einem einstelligen Millionenbetrag für das gesamte Anwesen damals recht günstig.

Mit der Anfrage an die Stadtverwaltung will man jetzt klären, welcher Schutz für die Mieter noch besteht. Etwa, unter welchen Bedingungen und mit welchen Auflagen der Hausbesitzer in den 90er Jahren das Wohnhaus Preysingplatz 3 bis 7 gekauft hat. Es sei leider gut möglich, so Nina Reitz, dass die Mieterschutzklauseln, die die Abwendungserklärung beinhaltete, mittlerweile ausgelaufen sind.

Außerdem fragt der BA, ob der Stadt Beschwerden wegen Mietwucher aus dem Anwesen vorliegen, und was dagegen unternommen wurde und ob Beschwerden über widerrechtlichen Wohnraum-Leerstandvorliegen.

Neubau fordert Opfer: Abriss mehrerer Bäume

Und auch das Bauprojekt an sich ist aus Sicht des BA, der bei Bauvorhaben grundsätzlich nur beratende Funktion hat, ablehnenswert. Für die Neubauten und die Tiefgarage sollen etliche Bäume gefällt, eine Werkshalle im Hof und bestehende Kelleranlagen abgerissen werden.

Mindestens die Keller stehen allerdings unter Denkmalschutz, denn sie sind Teil der ehemaligen Kellerstadt der Münchner Brauereien in Haidhausen. Die vierschiffigen, langgestreckten Tonnengewölbe aus Ziegelmauerwerk stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Weinkeller von historischem Wert

Zu Kathreiners Zeiten lagerte in den 30 Meter tiefen Kellern unter dem Haus und Hof Wein. Die riesigen Tanks wurden vom Hof aus mit Schläuchen befüllt.

Der BA lehnt die Beseitigung der historischen Keller ab. Als "rare Reste" eines wichtigen Kapitels Viertelgeschichte stellten sie wichtige architektonische Zeugnisse dar, auch wenn sie nicht öffentlich zugänglich seien, heißt es im BA-Beschluss.

Vor einer Entscheidung über einen Abriss der Kellergewölbe solle eine fotografische Dokumentation des Bestandes und eine Begehung des BA erfolgen.

Die geplante Bebauung im Hof ist dem BA "zu massiv". Sie entspräche nicht dem Gedanken des gerade erst erarbeiteten Stadtentwicklungsplans 2040 (STEP2040), mit Blick auf Gentrifizierung, Stadtentwicklung Freiraum, Klimawandel und Klimaanpassung.

Durch den Anbau würden Wohnungen Fenster verlieren

Zudem sei unklar, wie in dem Umfeld, bei einem Zuwachs von 70 Wohnungen, die Zu- und Abwegung erfolgen sollten, ohne den Bestand erheblich zu beeinträchtigen. Die Pläne an sich – vor allem die Boardingnutzung von Teilen des Gebäudes und die Fällung der Bäume – werden abgelehnt.

Durch die Anbauten würden einige Wohnungen Fenster verlieren, zum Ausgleich ist zusätzliche Wohnfläche vorgesehen. Dies sei nur überlegenswert, so der BA, wenn dieser für die Bestandsmieter kostenfrei ist und bleibt.

Sollte die Stadt den Bau dennoch genehmigen, dann müsse die Untere Denkmalschutzbehörde eingebunden werden, fordert der BA. Zudem müssten Freiflächen entsiegelt werden sowie Solartechnik, Fassadenbegrünung und Dachbegrünung in die architektonische Gestaltung einfließen. Außerdem sei zu prüfen, ob bei dem geplanten Bauvolumen ein sektoraler Bebauungsplan realisierbar ist, heißt es weiter.

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