Alles Gute zum 90. Geburtstag, Genossin

Laim - Vom Gratulationsbesuch bei Gerda Bürger fuhren Werner Brandl und Margit Meier in nachdenklicher Stimmung wieder zurück. Durch die Schilderungen der 90jährigen waren sie gedanklich in die Zeit nach dem Krieg versetzt worden, als Gerda 1947 als 23-Jährige in Neustadt an der Weinstraße in die SPD eintrat und bald das Amt der Kassiererin bekam. Die Beiträge hat sie dabei monatlich kassiert, oft bei Versammlungen, aber zu anderen Mitgliedern musste hingegangen werden.
Frauen zahlten monatlich 0.50 DM, Männer 1.- oder 2.- DM, je nach Verdienst. Ein paar Pfennige gab es für das Austragen der SPD-Zeitung „Die Freiheit“, die zweimal wöchentlich erschien. Dabei hatte sie 15 Abonnenten zu beliefern. Dass sie von dem Erlös in Raten ein Küchenschränkchen abbezahlen konnte, freut sie noch heute. Auf Anfrage hatte sie sich mit handschriftlichen Notizen vorbereitet - klar und einfach:
„Geboren bin ich 1924 in der Pfalz, die damals noch zu Bayern gehörte. Meine Eltern waren einfache Arbeitersleute - also Sozialdemokraten. Mit diesem Hintergrund bin ich aufgewachsen. Von meinem Vater weiß ich, er war bei der Papierfabrik Engelmann beschäftigt und hatte sich 1926 mit seinen Kollegen zur Maifeier verabredet. Zum ausgemachten Zeitpunkt war er aber von der Belegschaft alleine vor Ort - keiner von den anderen war gekommen. Er ist daraufhin entlassen worden und hat hinterher keine Arbeit mehr bekommen. Da die Eltern einen Garten hatten, kam die Familie mit angebautem Gemüse, Obst und den Hühnern gerade knapp über die Runden.
Die Mutter ging Putzen im Gymnasium, samstags holten wir sie ab, um gemeinsam bei Thams & Garfs einkaufen zu gehen. Dort hat mein zwei Jahre älterer Bruder später Kaufmann gelernt, musste dann zum Arbeitsdienst an die Nordsee und zum Westwall. Im Krieg kam er mit der Wehrmacht nach Russland und ist dort bei Juchnow gefallen. In seinem letzten Brief schrieb er, dass sie die Türme von Moskau sehen kann.
Er hat von seinem Leben gar nichts gehabt. Im Juli 1944 wurde ich mit Kurt kriegsgetraut. Dafür bekam er drei Tage Urlaub. Im August 1945 kam Kurt aus der englischen Gefangenschaft in unsere französisch besetzte Zone heim. Die zweite Tochter kam im September '46 zur Welt. Wir hatten es nicht einfach. Es war eine Hungerzeit, die Franzosen hatten ja selber nichts. Und es gab eine Missernte.
Kurt war als gelernter Bauschlosser nach dem Krieg bei einer Handwerksfirma beschäftigt. Dabei bekam er mehrmals Aufträge, für die französische Besatzung Tresore zu öffnen, zum Beispiel in Rathäusern. Die Drehschlösser widerstanden ihm als Fachmann nicht, 'aber es war nirgends was wertvolles drin'. 1946 wurden wieder Parteien zugelassen und es war unser Bestreben, hier etwas zu bewegen. Es sammelten sich junge Menschen. Treffpunkt war die neu gegründete Volkshochschule. Dort gab es Kurse, die uns die Demokratie erklärten.
Hier holten wir uns das Wissen. Auch die alten Genossen kamen wieder. So bildete sich der Ortsverein mit erstmals 400 Mitgliedern. Später entstand auch eine Gruppe 'Falken', mit denen mir die Arbeit soviel Spaß machte, dass sogar unsere Zeitung 'Die Freiheit' mal davon berichtete. Für zwei Jahre war ich dann Vorsitzende der SPD Frauengruppe und konnte in dieser Zeit einmal die Berliner Oberbürgermeisterin Luise Schröder bei einer Kundgebung begrüßen. Das war ein großes Erlebnis. 1956 gab es ein Volksbegehren in der Pfalz.
Es ging darum, wie die Länder neu gegliedert werden sollten, da die Pfalz zu klein war, um selbständig zu sein. Bayern hat sich sehr bemüht um die Zustimmung, da die Pfalz ja früher zu Bayern gehört hat. Wir haben uns für diesen Zusammenschluss sehr eingesetzt. Kurt war Organisationsleiter. Aber das Volksbegehren für Bayern scheiterte. 1964 zogen wir als Familie nach München, wo wir am Beginn der Dachauer Straße eine Wohnung fanden. Ich erinnere mich an das Datum wegen der Gedenkfeier im Cuvilliés - Theater für den gerade verstorbenen OB Thomas Wimmer.
Kurt wurde in den Bezirksausschuss Altstadt berufen und später dessen Vorsitzender. Mit dem Umzug nach Laim konnte er seine Erfahrungen in den dortigen Bezirksausschuss einbringen. Beruflich arbeitete er als Entgeltprüfer für Heimarbeiter und konnte dabei für die Leute, die manchmal fast für 'Gotteslohn' zum Beispiel Rosenkränze anfertigten, viel Gutes tun.“
Da die Töchter mit Familien angekündigt sind, verabschieden wir uns von Gerda Bürger und bedanken uns herzlich für den gemeinsamen Ausflug in ihre Vergangenheit. Dabei entdecken wir das Präsent der Landeshauptstadt von OB Christian Ude für die Jubilarin. Mit 90 Jahren – rüstig und wach, zeigt sie uns voll Freude, dass ihr Vogelhäuschen auf dem Balkon gerade hungrigen Besuch bekommen hat.
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