Ärger um Vario-Tram: Das große Quietschen

Die Vario-Tram sorgt erneut für Ärger. Diesmal: Lärmbelästigung. Als ob jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzt. Lärmmessungen sind bisher nicht geplant.
von  Myriam Siegert
Direkt unter Wittmanns Wohnzimmerfenster gabelt sich die Strecke der 19. Ein Gleis führt links, das andere rechts um den Platz herum.
Direkt unter Wittmanns Wohnzimmerfenster gabelt sich die Strecke der 19. Ein Gleis führt links, das andere rechts um den Platz herum. © Martha Schlüter

Haidhausen - Norbert Wittmann ist Lärm gewohnt. Seit 18 Jahren wohnt der Handelsberater an der Wörthstraße in Haidhausen. Täglich fährt hier alle 10 Minuten die 19er-Tram vorbei. Am Bordeauxplatz, direkt vor Wittmanns Haus, muss der Zug in einer sanften Biegung den Platz umrunden. Gerumpelt und gerattert hat’s in all den Jahren – und hat auch nicht gestört. Doch jetzt wird der Tramverkehr vor dem Haus zum Problem.

Auf der Linie 19 fahren seit Herbst die neuen Vario-Bahnen. Ein Tram-Modell, das schon für viel Ärger gesorgt hat.

Aber: „Die quietschen in einer Tonlage, das kann man nicht beschreiben“, sagt Norbert Wittmann. Wie viele Anwohner der Strecken, auf denen die Vario-Züge fahren, ist er genervt: „Man hört das sogar bei geschlossenem Fenster“, sagt Wittmann. Weil die 19er auch noch eine Nachtlinie ist, rauben die neuen Trambahnzüge dem Anwohner den Schlaf. Unter der Woche jede Stunde, Wochenends alle 30 Minuten, kreischt die Trambahn über die Biegung.

Die AZ hat sich vor Ort selbst überzeugt. Und tatsächlich: Man hört die Tram schon lange, bevor sie zu sehen ist. Es klingt, als ob man mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzt und geht durch Mark und Bein. Manche Trambahnfahrer bemühen sich offenbar die Geräusche zu mindern, indem sie nur im Schritttempo über die Biegung fahren. Es quietscht trotzdem.

Norbert Wittmann fragt sich, warum gerade neue Züge so ein Problem aufwerfen. Er vermutet, die Züge seien zu schwer und ihre Fahrgestelle für die kurvigen Münchner Routen nicht gemacht, eher für gerade Strecken. Daher das durchdringende Quietschen.

Auf das hat er auch einen Schaffner angesprochen: „Der sagte, ihm brummt jeden Abend der Schädel, weil er das ja täglich viele Stunden hört.“

Norbert Wittmann fragt sich, wie man diese Züge überhaupt auf die Schiene lassen konnte. „Das hätte man doch vorher wissen können.“

Die MVG sagt dazu, die Vario-Tram sei keinesfalls schwerer, als ihre Vorgänger. Der Zugtyp hat ein starres Fahrgestell und damit tatsächlich ein anderes als die letzten zwei Vorgängermodelle R3 und R2, die ein sogenanntes Drehgestell haben.

Außerdem erklärt die MVG: „Ein Vorab-Test der Bahnen ist in den seltensten Fällen möglich.“ Die Fahrzeuge würden für die jeweiligen Netzbedingungen hergestellt. Bahnen, wie sie für München gebraucht werden, waren zur Zeit der Bestellung nirgends in Betrieb, darum habe es keine Test-Möglichkeit gegeben. Dies sei der Regelfall, auch bei anderen Verkehrsbetrieben.

Die Bahnen wurden angeschafft, weil es zum Ausbau des Tramangebots mehr Züge braucht. Der Auftrag wurde europaweit ausgeschrieben – so verlangt es das Gesetz.

Lesen Sie hier: Weiter Ärger mit der neuen Tram

Die Probleme mit der Tram waren auch schon Thema im Haidhauser Bezirksausschuss. Dort ging es aber nicht nur um Lärm, sondern um Erschütterungen durch die Tram. Immerhin, die treffen Norbert Wittmann nicht so sehr: „Unser Haus ist wohl ziemlich massiv. Vibriert hat es hier schon immer, wenn die Tram vorbeifährt.“ Wegen Anwohnerbeschwerden lässt die MVG aber nun Schwingungsmessungen durchführen. In Sachen Lärm ist bisher nichts Derartiges geplant.

Den nächsten Schwung neuer Trambahnen hat die MVG nicht mehr beim Vario-Hersteller Stadler bestellt, sondern bei Siemens. Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember sollen die ersten sechs Fahrzeuge vom Typ Avenio einsatzbereit sein. Die Züge entsprächen dem Fahrzeugtyp R3.3, der sich in München schon seit 2000 bewährt hat, freut sich MVG-Chef Herbert König.

Die Anwohner freut’s sicher auch.

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