Ärger um Neubau in Haidhausen: "Eine Luxus-Nachverdichtung"

Am Rande Haidhausens baut Euroboden ein schickes Neubauprojekt. Im Viertel kommt das nicht überall gut an. Man will mehr mitreden.
von  Myriam Siegert
Hier an der Franziskanerstraße 15 sollen die neuen Vorder- und Rückgebäude entstehen.
Hier an der Franziskanerstraße 15 sollen die neuen Vorder- und Rückgebäude entstehen. © my

Haidhausen - Dunkle, verstaubte Fenster, das Hoftor versperrt und mit einer unansehnlichen Plane verhängt. Trist sah es zuletzt an der Franziskanerstraße 15 aus – mitten in einer Häuserzeile, die sonst aus pittoresken Jugendstilfassaden besteht.

Haidhausen: Keine neuen Mieter mehr eingezogen

Das asiatische Restaurant ist schon vor Jahren einige Hausnummern weitergezogen, auch die Bewohner haben das Haus nach und verlassen. Neu vermietet wurde nicht, denn hier sollen neue und weitaus schickere Wohnungen entstehen als bisher.

Schon 2018 hat die AZ über das Projekt des Edel-Immobilien-Entwicklers Euroboden hier an der Grenze von Haidhausen und Oberer Au berichtet. 2020/21 werde Baubeginn sein, hieß es damals. Tatsächlich wurde seit Ende vergangenen Jahres im Hinterhof gewerkelt, mehrere kleinere Rückgebäude und Garagen abgerissen. Seit kurzem ist nun auch das Vorderhaus, ein schlichter Nachkriegsbau, verschwunden.

Diese Rückgebäude und Garagen gegenüber mussten weichen.
Diese Rückgebäude und Garagen gegenüber mussten weichen. © my

Zum Vorschein kommt eine stattliche Baulücke, in dieser Lage ein Schmankerl-Grundstück. Der Grund erstreckt sich parallel hinter mehreren Anwesen der ums Eck gelegenen Rablstraße entlang weit in die Hinterhoflandschaft hinein. Er endet auf Höhe des Hinterhofs des Hauses Rablstraße 43. Dies hat Euroboden ebenfalls gekauft und in das Projekt eingegliedert. Auch hier konnte man in den vergangenen zwei Jahren dabei zuschauen, wie sich das Wohnhaus nach und nach leerte.

Weitere neue Gebäude an der Rablstraße

Euroboden, in München bekannt für architektonisch anspruchsvolle, aber auch sehr gehobene Projekte, hat auch hier Großes vor: Das Vorderhaus an der Franziskanerstraße wird durch einen Neubau mit einer "handwerklich gearbeiteten Putzfassade, die sich dezent in den Straßenzug eingliedert" ersetzt, so der Bauherr.

Die Rablstraße: Das gelb-grüne Haus links ist die Nummer 43.
Die Rablstraße: Das gelb-grüne Haus links ist die Nummer 43. © my

Dahinter werden entlang der Grundstücke an der Rablstraße weitere neue Gebäude gesetzt. Durch diese Hofbebauung entstehen drei Innenhöfe hintereinander, die auch eine Wegeverbindung zwischen Franziskanerstraße und Rablstraße schaffen sollen, heißt es bei Euroboden.

Das Haus Rablstraße 43, laut Denkmalliste ein Jugendstilbau mit Putzgliederung und Stuck von 1908, werde "denkmalgerecht saniert".

68 Wohnungen in unterschiedlichen Größen

Die beiden Vorderhäuser bilden die Kopfbauten des Ensembles, in dem insgesamt 68 Wohnungen unterschiedlicher Größe entstehen. Davon seien 20 familiengerecht, zuvor seien es nur neun gewesen, betont Euroboden, 22 Wohnungen unterliegen den Vorgaben der Erhaltungssatzung. Das macht es zum Beispiel schwieriger, sie in Eigentumswohnungen umzuwandeln.

So soll das neue Vorderhaus an der Adresse einmal aussehen.
So soll das neue Vorderhaus an der Adresse einmal aussehen. © Sergison Bates Architects/Euroboden

Zudem sei der Innenhof durch Asphalt, Parkplätze und Garagen zu etwa 93 Prozent versiegelt gewesen, künftig würden 53 Prozent der unbebauten Fläche unversiegelt sein, damit die Bäume ihr Wurzelwerk ausbilden können und mehr Sickerfläche mit zusätzlichen Pflanzbereiche entstünden. Dies sei mit Lokalbaukommission und Unterer Naturschutzbehörde abgestimmt, erklärt Euroboden. Bei der Bepflanzung werde etwa auf Klimaresistenz geachtet, es würden zusätzliche Bäume, Sträucher, Gräser gepflanzt sowie eine Fassadenbegrünung, die Lebensraum für Insekten und Vögel bietet.

Tiefgarage mit Ladestationen für E-Autos

Geplant ist auch eine Tiefgarage, eine Auflage der Stadt. Um die Garagenfläche zu reduzieren, ist ein Mobilitätskonzept mit gemeinschaftlichen E-Lastenradln und Ladestationen für E-Autos geplant.

Der Tiefgaragenbau sei ein Grund gewesen, so Euroboden, warum man sich für den Abriss des Vorderhauses in der Franziskanerstraße entscheiden habe. Auch habe sich dessen Bausubstanz als nicht tauglich erwiesen.

Haidhauser Bezirksausschuss sieht Projekt kritisch

Das Projekt, das in der Sprache des Immobilienentwicklers hübsch klingt, sieht der Haidhauser Bezirksausschuss (BA) höchst kritisch. In einem Protokoll vom Oktober 2021 ist festgehalten: "Der Bezirksausschuss Au-Haidhausen hat diese massive Luxus-Nachverdichtung bisher immer abgelehnt." Man werde das "leider per Vorbescheid genehmigte Vorhaben kritisch begleiten".

Lena Sterzer von der SPD-Fraktion im BA erklärt, das Bauvorhaben sei seit 2019 in Form von diversen Anträgen und Vorbescheiden immer wieder Thema gewesen. "Da wurde in jede Richtung abgeklopft, was baurechtlich auf dem Grund möglich ist", so Sterzer. "Man merkt an der ganzen Vorgeschichte, dass versucht wird, das Maximum rauszuholen."

Dass die Bauherren in ihrer Projektbeschreibung damit werben, dass auch Wohnungen nach den Vorgaben der Erhaltungssatzung entstehen, findet Sterzer "bemerkenswert". Dies sei ja nicht deren Verdienst, sondern auferlegt durch die "Schutzbestimmungen der Erhaltungssatzung". Diese greife leider ohnehin nur für das Bestandsgebäude an der Rablstraße. "Wir gehen davon aus, dass im restlichen Projekt reine Luxuswohnungen entstehen", sagt Sterzer.

Nicht ausreichend Rücksicht auf die Nachbarschaft?

Und der BA hat noch weitere Bedenken. Er "bezweifelt nach wie vor, dass dieses Neubauvorhaben auf die Nachbarschaft ausreichend Rücksicht nimmt", ist dem besagten Protokoll vom Herbst zu entnehmen. Mehrmals hatten sich Nachbarn an das Stadtviertelgremium gewandt, etwa wegen Bedenken um Abstandsflächen oder gemeinsame Wände. Manche klagten, "einige Klagen sind noch anhängig", so Sterzer.

Das bestätigt das Planungsreferat auf AZ-Anfrage. Die Planung, so heißt es, basiere auf einem überwiegend positiven Vorbescheid vom April 2020, der aber aufgrund von Nachbarklagen noch nicht bestandskräftig sei. Der aktuelle Bauantrag stamme vom Juni 2021, dessen Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

Euroboden hingegen wirbt auf seiner Webseite mit der "gewachsenen Nachbarschaft" und verweist darauf, dass die Lokalbaukommission nach der Bauvoranfrage des Unternehmens "sehr genau geprüft" habe, "inwieweit das Bauvorhaben zur Beeinträchtigung seiner Umgebung, der Nachbarn und der Natur führen könnte". Diese sei "klar zugunsten der Planung von Euroboden ausgefallen", danach habe man den Bauantrag gestellt.


Forderung des BA: Bebauungsplan und Erhaltungssatzung – Mehr Mitsprache für die Stadt

Luxusbauprojekte gibt es in München viele. Wer sich umschaut, stellt schnell fest, es wird nicht wenig gebaut, aber wenig Bezahlbares. Viertel wie Haidhausen, die Isar- oder Maxvorstadt zeigen, in Sachen Mietpreisspirale und Gentrifizierung geht immer noch mehr.

Auch dem Haidhauser Bezirksausschuss (BA) ist dieses Problem bewusst, doch die Einflussmöglichkeiten auf kommunaler Ebene sind begrenzt. Ein Instrument, um "als Stadt wenigstens ein bisschen mitsteuern zu können, was da so passiert in den Vierteln", so erklärt Lena Sterzer, wäre ein "sektoraler Bebauungsplan", den der Haidhauser BA im letzten Jahr für sein Viertel gefordert hat.

Dieser würde Vorgaben ähnlich der sogenannten Sobon ("Sozialgerechte Bodennutzung") ermöglichen, aber für einen ganzen Bereich anstelle eines einzelnen Grundstücks. So könne man etwa vorgeben, dass bei Neubauvorhaben in einem bestimmten Bereich ein gewisser Prozentsatz an bezahlbarem Wohnraum entstehen müsse.

Lena Sterzer: "Das ist Neuland"

In der Bundesgesetzgebung, so Sterzer, sei dieses Instrument neu geschaffen worden, doch noch fehlten Erfahrungswerte. "Wir haben noch keine Rückmeldung vom Planungsreferat, ob so etwas grundsätzlich möglich ist. Das ist Neuland", so Sterzer.

Bisher gilt, wenn im Bestand gebaut wird, muss sich die neue Bebauung an der Umgebung orientieren (Paragraf 34), daraus resultiert das Baurecht. Hingegen bei größeren Gebieten, wie z. B. den Orleanshöfen, ist es oft möglich, einen Bebauungsplan aufzustellen. Dann gilt die Sobon, "dann kann die Stadt Investoren Auflagen machen", erklärt Sterzer. "Etwa, einen gewissen Anteil an gefördertem Wohnraum oder auch, dass sich die Bauträger an den Kosten für die soziale Infrastruktur in der Umgebung beteiligen".

Baurecht aus dem Bestand ohne Bebauungsplan: Stadt hat keine Eingriffsmöglichkeiten

Beim Baurecht aus dem Bestand ohne Bebauungsplan aber, wie nun in der Franziskanerstraße, so Sterzer, "hat man als Stadt überhaupt keine Eingriffsmöglichkeiten". Das Problem: Sind teure Wohnungen einmal geschaffen, wirkt sich dies langfristig und unumkehrbar auf die Umgebung aus. Etwa auf die Erhaltungssatzung. Sterzer erklärt: "Wenn zu viele solcher teuren Neubauten dazukommen oder die Erhaltungssatzung über Abbruch und Neubau ausgehebelt wird, besteht irgendwann die Gefahr, dass sie gekippt wird."

In Haidhausen wurde sie immer befristet erlassen, neu geprüft und erlassen. Voraussetzung dafür: eine Bestandsstruktur, die geschützt werden muss. Ist diese Bestandsstruktur aber nicht mehr oder kaum noch da, weil schon zu viele teure Wohnungen da sind, ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt. So fallen Gebiete aus der Erhaltungssatzung heraus.

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