"Ära geht zu Ende": Traditionsunternehmen verlässt München nach 100 Jahren – Viertel droht riesiger Leerstand

Die Agfa-Ära geht zu Ende: Obergiesings BA-Chefin Carmen Dullinger-Oßwald über den Abschied einer Legende aus dem Münchner Stadtviertel.
von  Eva von Steinburg
Der letzte Firmensitz vom Agfa Gevaert-Konzern in der Tegernseer Landstraße 161.
Der letzte Firmensitz vom Agfa Gevaert-Konzern in der Tegernseer Landstraße 161. © Imago

München - Über 10.000 Münchner haben am 17. Februar 2008 das Spektakel der Sprengung des Agfa-Turms an der Tegernseer Landstraße erlebt. Ein Detonationsknall hallte um 12.08 Uhr durch Giesing, dann neigte sich der 52 Meter hohe Turm.

In den Jahren danach baute auf dem Riesen-Gelände der ehemaligen Agfa-Kamerawerke die Büschl Unternehmensgruppe Büros und Wohnungen. Das typische Agfa-Logo war aber weiterhin von der Tegernseer Landstraße aus zu sehen. In den neuen Büros residierte die Agfa-Gevaert Health Care GmbH zuletzt.

Agfa verlässt Giesing: Droht nun der nächste Büroleerstand in München?

Jetzt hat Agfa Giesing verlassen. Das Unternehmen war Hauptmieter im Agfa-Park. Damit drohe der nächste große Büroleerstand in München, informiert die "Immobilien Zeitung".

Damit ist ein wichtiger Teil der Giesinger Geschichte Geschichte – und ein Teil der Münchner Industriegeschichte. "Eine Ära geht zu Ende. Dass Agfa aus dem Viertel ganz weg ist, finde ich sehr schade. Sie waren über 100 Jahre am Standort. Für viele Giesinger ist das ein emotionaler Abschied", sagt Carmen Dullinger-Oßwald, Bezirksausschuss-Chefin von Obergiesing.

Ein riesiges Fabrikgelände: Das Münchner Agfa-Werk um 1950 als Modell.
Ein riesiges Fabrikgelände: Das Münchner Agfa-Werk um 1950 als Modell. © Münchner Stadtarchiv

Einst arbeiteten 6.000 Menschen im Agfa-Werk in München

In den 60er und 70er Jahren boomte das Fotogeschäft von Agfa. Das Münchner Werk hatte bis zu 6.000 Mitarbeiter. Für zwei Familienmitglieder von Carmen Dullinger-Oßwald war Agfa ein "guter, sicherer und sozialer Arbeitgeber", erzählt die Lokalpolitikerin. Ihr Uropa war Teil des Wachpersonals an der Pforte.

Die Mutter arbeitete fast 30 Jahre lang als Einkäuferin im Giesinger Werk. "Von daher betrifft mich der Wegzug persönlich. Ich erinnere mich an die großen Weihnachtsfeiern für die Familien der Angestellten im Agfa-Sportverein, den es immer noch gibt", so die Giesingerin.

Made in München: eine Agfa-Kamera aus den späten 40er Jahren.
Made in München: eine Agfa-Kamera aus den späten 40er Jahren. © Imago

Die BA-Chefin war dabei, als das Hochhaus gesprengt wurde: "Da sind Tränen geflossen", weiß sie. Als die digitale Fotografie das Zelluloid verdrängte, war Agfa 2005 insolvent, wurde aufgekauft, und schwenkte mit dem belgischen Gevaert-Konzern auf Medizintechnik um. Am Standort Peißenberg werden die Gesundheitsaktivitäten jetzt fortgesetzt.

Bei der Einweihung vom Ella-Lingens-Platz, der an die weibliche Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg erinnert, war die grüne Stadtviertel-Politikerin federführend. Der Agfa-Park im Viertel wird Carmen Dullinger-Oßwald mit Nostalgie an den früheren Giesinger Weltkonzern denken lassen.

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