Stadtrat nimmt sich das Erbe vor: Harsche Kritik an Graffe

MÜNCHEN - Sozialreferent gibt im Stadtrat Fehler zum Erbskandal zu. Schelte auch von OB Ude. Jetzt soll die Rechtsberatung im Rathaus verbessert werden.
So blass hat man Frieder Graffe im Stadtrat selten erlebt, als er sich am Mittwoch der Debatte um den Erbskandal (AZ berichtete) stellte. „Ich akzeptiere die Kritik“, begann er und streute Asche auf sein Haupt: „Ich stimme den Feststellungen des Revisionsamtes im wesentlichen zu und werde dessen Empfehlungen um setzen.“
Haben Graffe und die Stiftungsverwaltung den Stadtrat vorsätzlich getäuscht? „Täuschen kann nur einer, der sich selber auskennt“, sagte OB Christian Ude schonungslos: „Der Vorwurf ist schlimm genug, dass das Problem nicht erkannt worden ist.“ Graffe gab zu, dass zu zwei wesentlichen gesetzliche Vorschriften keine „großen Überlegungen stattgefunden“ hätten. Außerdem wurde auch in früheren Fällen gegen die Geschäftsordnung des Stadtrats verstoßen. Ude: „Es ist tatsächlich nicht nur schlampig, sondern rechtswidrig gehandelt worden. Die Erbschaft hätte so nicht angenommen werden dürfen.“ Die Rechtsabteilung der Stadt war nicht einmal gefragt worden.
"Das Risiko ist unvertretbar groß"
Dabei geht es um das Erbe einer Münchnerin, das die Stadt im Februar 2008 angenommen hatte: Rund 730000 Euro und die Beteiligung an einer Bau- und Boden OHG in Brandenburg - die seit 2004 pleite ist. Dabei hat die Stadt Anteile an 122 Sozialwohnungen und zwölf Gewerbeeinheiten samt Garagen geerbt. Die Angst: Als finanzkräftigster Teilhaber könnte die Stadt für die Schulden von geschätzten 16 Millionen Euro aufkommen müssen. Ude: „Da gibt es nichts zu beschönigen, das Risiko ist unvertretbar groß.“
Das Erbe war übereilt angenommen und ungenügend geprüft worden. Ude stellte fest: Erst durch das hartnäckige Nachfragen der Stadträte (und Juristen) Evelyne Menges, Mechthild Wittmann und Christian Amlong sei in der Dezember-Sitzung des Stadtrats das dramatische Ausmaß herausgekommen. Das Referat hatte wichtige Informationen verschwiegen. Selbst Grünen-Chef Siegfried Benker meinte: „Die Information des Stadtrats war suboptimal.“ Jetzt will Ude die Rechtsberatung in der Stadt verbessern.
Willi Bock