Stadtrat beschließt: München will die Verkehrswende
München - Durchs Tal, über die Maxburgstraße oder auf der Dienerstraße: Wer nicht so gerne mit der U-Bahn oder dem Bus fährt, der kommt in München auch mit dem Auto auf sehr vielen Wegen fast bis zum Marienplatz. Wie lange das noch geht, ist derzeit die große Frage.
Die Große Koalition im Rathaus jedenfalls hat sich nun offiziell zur großen Verkehrswende bekannt. Ein Teil davon: die Vision einer autofreien Altstadt. Bis zum Sommer soll Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) mögliche Maßnahmen vorschlagen. Danach will der Stadtrat entscheiden, wie man das Verkehrsaufkommen im Herzen der Stadt reduzieren kann.
Altstadt könnte bald autofrei - nur wie?
Bis die Altstadt tatsächlich autofrei ist, wird es aber noch dauern. In den nächsten Jahren werden wegen der Baustelle für die Zweite Stammstrecke jeden Tag noch 60 bis 70 Laster täglich durchs Tal donnern. "Da wird es schwer, bis 2020 da eine Fußgängerzone hinzuzaubern", merkte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch im Stadtrat süffisant an.
Wie autofrei die Altstadt letztlich überhaupt sein kann, ist ohnehin offen. Denn natürlich wird es Ausnahmen geben müssen, für Anwohner, den Lieferverkehr, Linienbusse oder auch Einsatzfahrzeuge.
Viele sprechen daher lieber von einer autoarmen oder verkehrsberuhigten Altstadt, so auch die CSU. Absolut autofrei – das wird sich nicht machen lassen, prognostiziert deren Fraktionschef und Bürgermeister Manuel Pretzl. Alleine schon für den ÖPNV. "Den Busfahrer möchte ich erst einmal sehen, der durch eine Fußgängerzone fährt, ohne eine eigene Fahrspur zu haben", so Pretzl.
Idee erntet nicht nur Zustimmung
Bei der Rathaus-Opposition fiel die Reaktion auf die rot-schwarzen Planspiele am Mittwoch hingegen unterschiedlich aus. Bei der durch Neuzugänge zur großen Rathaus-Kraft erstarkten Bayernpartei hält man von einer autofreien Altstadt wenig. Erst würden in der Innenstadt noch und nöcher Hotels gebaut und dann dürfe hinterher keiner mehr reinfahren, monierte Fraktionschef Johann Altmann wütend. "So geht’s nicht!" Bei der FDP favorisiert man die Idee vorgebuchter Parktickets. Wenn nur in die Altstadt einfahren dürfe, wer vorher einen Parkplatz reserviert habe, dann könne man immerhin den Park-Suchverkehr verhindern, sagte Fraktionschef Michael Mattar.
Den Grünen und der ÖDP gehen die Plänen der Groko nicht weit genug – und zu langsam voran. Erstere kritisierten eine "Vollbremsung". Von der autofreien Altstadt, wie sie bei der Diskussion um die "Modellstadt 2030" kürzlich auch von der SPD gefordert worden sei, "ist heute nichts mehr übrig geblieben", sagte Fraktionschef Florian Roth. Die Vision habe sich die SPD von der CSU "bis zur Unkenntlichkeit verbiegen lassen". Man könne nun noch allenfalls von einer verkehrsberuhigten Altstadt sprechen.
Auch Fraktionschefin Katrin Habenschaden kritisierte, OB Reiter und die SPD seien "anscheinend zu weit vorgeprescht und wurden von ihrem Koalitionspartner wieder eingefangen." Eine klare Umverteilung des Straßenraums zugunsten von Fuß-, Rad- und Nahverkehr sei "mit der CSU-Fraktion offenkundig nicht möglich", so Habenschaden.
Mehr Busse und Radwege gegen den Verkehrsinfarkt
Neben der autofreien Altstadt sind bis 2030 diverse Maßnahmen geplant, die München fit für den Verkehr der Zukunft machen und den totalen Kollaps verhindern sollen. Im Rahmen der sogenannten Inzell-Initiative arbeiten unter anderem BMW, Siemens und die Industrie- und Handelskammer gemeinsam mit der Stadt seit langem an der "Modellstadt 2030".
Dreh- und Angelpunkt der Mobilität soll dann der öffentliche Personennahverkehr sein. Er wird ergänzt um zahlreiche individuelle, teils auch neue Mobilitätsformen wie E-Tretroller, zum Verleih stehende Lastenfahrräder oder Bedarfsbusse - sowie um automatisierte Lösungen für den Lieferverkehr.
Mehr Park-and-Ride-Parkplätze, S-Bahn-Tangenten und autonome Busse
Von den vielen Ideen wären einige relativ schnell umzusetzen: Große Park-and-Ride-Parkplätze an den Außenästen der S-Bahn etwa, die um Radlgaragen an den Innenstadt-Bahnhöfen ergänzt werden. "Dann greife ich die Pendlerströme schon deutlich weiter draußen ab", erläutert Stadtbaurätin Elisabeth Merk den Gedankengang dahinter.
Perspektivisch brauche es auch mehr Ring- und Tangentialverbindungen, damit die Menschen nicht länger sternförmig in die Stadt hinein- und dann wieder herausfahren, um zu ihrem Ziel zu kommen.
Anderes hingegen klingt noch nach Zukunftsmusik. So kann sich Merk autonom fahrende Busse vorstellen, die Pendler von Sammelstellen in der Region direkt zu den großen Firmen bringen. Mit WLAN an Bord könnten die Beschäftigten sich dann bereits ins Firmennetzwerk einloggen, die Fahrt würde zur offiziellen Arbeitszeit - und damit zur attraktiven Alternative zum Auto.
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