Interview

Stadtmuseum in München bald für viele Jahre dicht: Die Sanierung wird richtig teurer

Am 7. Januar schließt das Stadtmuseum am Jakobsplatz in München für mindestens sieben Jahre. Die AZ hat vorher mit der Direktorin Frauke von der Haar gesprochen.
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Das Münchner Stadtmuseum vom Rindermarkt aus gesehen. Die energetisch problematischen Fassaden aus den 1950er und frühen 60er Jahren sind aus Sicht der Denkmalpflege unbedingt zu erhalten.
Das Münchner Stadtmuseum vom Rindermarkt aus gesehen. Die energetisch problematischen Fassaden aus den 1950er und frühen 60er Jahren sind aus Sicht der Denkmalpflege unbedingt zu erhalten. © Auer Weber Architekten Landeshauptstadt München

Eine unendliche Geschichte kommt zu ihrem vorläufigen Schlusspunkt: Das Münchner Stadtmuseum wird sich am 7. Januar von seinem Publikum verabschieden – mit allem Pipapo. Bis die Sanierung beginnt, ist noch einiges zu tun. Direktorin Frauke von der Haar spricht mit der AZ über die Energiekrise und den Umzug, wie ihr Haus präsent bleiben kann und das Loslassen.

AZ: Frau von der Haar, wachen Sie manchmal nachts auf und überlegen, ob das Stadtmuseum nun wirklich saniert wird?
FRAUKE VON DER HAAR: Ich nehme gerne das, was da ist: Wir schließen, wir räumen aus, und das Baureferat bestätigt mir immer wieder, dass wir im Zeitplan sind. Daran halte ich mich fest, sonst würde ich ja verrückt werden.

Frauke von der Haar vor dem Stadtmuseum.
Frauke von der Haar vor dem Stadtmuseum. © Archiv/LHM

Wird man durch das lange Hin und Her zur Stoikerin?
Das hat eher mit der Erfahrung zu tun, die ich von größeren Projekten her habe.

Sie schließen am 8. Januar, und dann?
Haben wir das ganze Jahr 2024, um abzubauen, Dinge zu säubern, einzupacken, umzuziehen, dort wieder auszupacken. Gleichzeitig planen wir an der Architektur weiter und zum Teil bereits das Leitsystem. Außerdem haben wir vom Frühjahr an im Marstall eine Dachsanierung. Anfang 2025 beginnt der Rückbau in zwei Phasen, und Mitte 2025 übergeben wir den Schlüssel und damit auch die Verantwortung.

Stadtmuseum in München wird saniert: Was zunächst geöffnet bleibt

Sie ziehen bereits seit Monaten aus. Die Schaustellerei oder die Musiksammlung sind länger schon geschlossen.
Auch die Fotografie, Grafik und Gemälde, die Reklamekunst und ein Teil der Stadtkultur sind bereits umgezogen. Die sehr komplexen Sammlungen der Angewandten Kunst und der Schaustellerei folgen im kommenden Jahr. Momentan läuft noch die Ausstellung "(K)Ein Puppenheim" in Kooperation mit der Sammlung Goetz. Wir sind also an vielem parallel zugange. Dass dieser Umzug ein Jahr dauert, hat schlicht mit den Dimensionen zu tun. Und es ziehen fast 100 Menschen aufs Arri-Gelände um.

Wer bleibt?
Ein Teil wird im Ignaz-Günther-Haus bleiben, wir müssen ja auch vor Ort sein. Und wichtig fürs Publikum: Das Filmmuseum und das Stadtcafé werden bis Mitte 2027 geöffnet haben. Außerdem steht im Zeughaus, also dort, wo derzeit noch "Typisch München" beginnt, ab Ende März 2025 eine Fläche von etwa 500 Quadratmetern zur Verfügung, die wir mit einer Ausstellung bespielen wollen. Dieser Bereich ist ebenerdig und vom Jakobsplatz aus gut zu erreichen. Also barrierefrei wie ab 2031 das ganze Museum.

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Was zeigen Sie im Zeughaus?
Das wird bis Mitte 2027 eine Art Versuchslabor für die künftige Dauerausstellung "Münchner Welten" zu den verschiedenen Aspekten des Stadtlebens sein. In kleinerem Umfang versuchen wir, Themen wie "eine grüne Stadt", "eine reiche Stadt" oder "eine wachsende Stadt" zu setzen und zu überlegen, ob das wirklich so ist und was das für München bedeutet. Es geht darum, Bilder und damit auch das Image Münchens zu hinterfragen. Der Eintritt wird frei sein, dadurch können wir beobachten, welche Formate angenommen werden.

So teuer wird die Sanierung des Münchner Stadtmuseums

Die gemeinsame Jugendstil-Ausstellung mit der Kunsthalle steht fest. Werden Sie sonst noch in der Stadt präsent sein?
Da gibt es natürlich Überlegungen und Gespräche, aber wir haben in der Zeit der Schließung einen echten Kraftakt vor uns: 4700 Quadratmeter Fläche für die neuen Dauerausstellungen müssen bis ins Detail geplant werden, ab Mitte 2026 mit dem Atelier Brückner. Und nach 2028 wird ein Teil der Kolleginnen und Kollegen Sonderausstellungen für die Zeit nach der Eröffnung vorbereiten. Sichtbar sein ist schön, und im Haus gibt es fantastische Ideen. Aber die Einrichtung des neuen Museums hat absolute Priorität.

Im Zuge der Energiediskussion wirft das große Atrium Fragen auf. Sind die Pläne von Auer und Weber angepasst worden?
Die energetische Situation wurde auch vom Baureferat angesprochen, und es gibt tatsächlich eine Veränderung. Auf dem Dach darf inzwischen mehr Fotovoltaik verortet werden. Die Vorgaben in der Denkmalpflege haben sich geändert. Abgesehen davon grenzen an vier Seiten des Atriums historische Fassaden. Allein der Gsaenger-Trakt aus den 1950er Jahren ist energetisch gesehen eine Katastrophe. Würde oben kein Dach eingezogen, hätten Sie über diese Außenmauern einen immensen Energieaustrag. Mit dem Foyer haben wir also die bessere Lösung.

Von oben sieht man erst, wie groß das Stadtmuseum ist. Die eher unterschiedlichen Trakte stammen aus nicht weniger als fünf Jahrhunderten.
Von oben sieht man erst, wie groß das Stadtmuseum ist. Die eher unterschiedlichen Trakte stammen aus nicht weniger als fünf Jahrhunderten. © Auer Weber Architekten Landeshauptstadt München

Und die Fassade entsprechend zu "präparieren"?
Das ist für die Denkmalpflege ein Tabu. Gerade die "Curtain Wall" zum Rosental hin und die Fassade am Oberanger dürfen quasi nicht angetastet werden.

Für die Klimatechnik ist der Bereich der Tiefgarage angedacht. Sind da archäologische Funde zu erwarten.
Bislang gab es noch keine Bohrungen, die Tiefgarage wird aktuell noch genutzt. Allerdings sind bei laufendem Betrieb einige Aufschlüsse an Wänden und Decken gemacht worden, um Fragen der Statik zu klären. Man versucht, so viel wie möglich im Vorfeld zu prüfen, aber wie bei jeder Sanierung kann es Überraschungen geben.

Die Kostensteigerung ist dagegen keine Überraschung.
Kulturreferent Anton Biebl hat die neue Zahl bereits genannt: 271 Millionen Euro.

Direktorin Frauke von der Haar: "Wir wissen, dass das ein langes Projekt ist"

2019 hat der Stadtrat 203,5 Millionen Euro genehmigt, das sind jetzt schon fast 70 Millionen mehr – vor allem durch das lange Verzögern der Sanierung.
Dennoch fallen wir damit nicht aus dem Rahmen, es sind ja keine goldenen Schlösser, die wir da bauen. Nur ein Beispiel: Im denkmalgeschützten Behrensbau in Düsseldorf entsteht das Haus der nordrheinwestfälischen Geschichte. Momentan sind um die 280 Millionen Euro dafür veranschlagt, die Fläche für die Dauerausstellungen liegt bei 3000, die für die Sonderausstellungen bei 1500 Quadratmetern. Das Haus beherberg aber keine Sammlungen. Dagegen ist das Münchner Stadtmuseum ein riesiger Komplex, und ja, wir haben großartige, prestigeträchtige Sammlungen. Wir sind als Leihgeber sehr gefragt, geben unsere Objekte auch an den Louvre und in die großen anderen Häuser wie die Hamburger Kunsthalle oder das Museum Barberini in Potsdam. Das Stadtmuseum hat außerhalb Münchens einen hervorragenden Stand.

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Gibt es Überlegungen, das Haus umzubenennen, um das Universale besser herauszustellen?
Das haben in den letzten Jahren einige Häuser unternommen, manche sind diesen Schritt wieder zurückgegangen. Wir haben einen lange eingeführten Namen, im Moment über eine Umbenennung nachzudenken, macht keinen Sinn. Im Zuge der Wiedereröffnung planen wir eine neue Corporate Identity. Da ist natürlich zu überlegen, welches Bild vermittelt werden soll und ob der Name Münchner Stadtmuseum dazu passt.

Im künftigen Foyer haben Sie die Chance, die enorme Vielfalt des Museums vorzuführen.
Dort können wir auf einer riesigen LED-Fläche Einblicke ins Museum geben, ja. Bilder und Filme sind dann zu sehen, die den Tag über wechseln. Und jetzt nutzen wir bis zum 7. Januar die Gelegenheit, das Potenzial des Hauses zu zeigen. Das betrifft nicht nur die Dauer- und Sonderausstellungen, sondern auch neue Formate. Lesungen an besonderen Stellen zum Beispiel, und dass man hinterher den Autor in der Lounge treffen kann. Der Austausch ist in den letzten Jahren überhaupt intensiver geworden, daran knüpfen wir an.

Auf einer LED-Wand erscheinen Inhalte des Museums, vom Foyer aus geht es nach oben in die Sammlungen.
Auf einer LED-Wand erscheinen Inhalte des Museums, vom Foyer aus geht es nach oben in die Sammlungen. © Auer Weber Architekten Landeshauptstadt München

Wie ist der Zuspruch beim Abschiedsprogramm "Hin und weg"?
Sehr gut. Es kommen ganz unterschiedliche Menschen und auch neues Publikum. Viele nutzen die Gelegenheit, bei freiem Eintritt mehrmals vorbeizuschauen. Wir haben bereits 23.000 Besucher, das dürfte sich zum Schluss hin noch steigern, und mit dieser Bilanz können wir am 8. Januar gut loslassen.

Apropos loslassen: Helmut Friedel hat im Lenbachhaus verlängert, um 2013 noch zu eröffnen.
Mir ist das Museum sehr wichtig, und ich bin bereit, mich in jeder Hinsicht einzubringen, aber ich werde nicht bis 2031 hier sein. Auch wenn Eröffnungen immer das Schönste sind. Wir wissen, dass das ein langes Projekt ist. Der Erfolg hat viele Mütter und Väter, und es wäre nicht normal, wenn ich 2031 noch hier sitzen würde. Mit 71 Jahren.

Das von einem Glasdach geschützte Foyer steht jedem offen und soll zum Verweilen einladen.
Das von einem Glasdach geschützte Foyer steht jedem offen und soll zum Verweilen einladen. © Auer Weber Architekten Landeshauptstadt München

Münchner Stadtmuseum, geöffnet bis 7. Januar tägl. 10 bis 18 (Silvester geschlossen, Neujahr ab 12), 6. Januar bis 1 Uhr nachts, Eintritt frei, Programm auf muenchner-stadtmuseum.de

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