Stadtmuseum- Chef geht: „Ich bin wie ein Joghurtbecher“

Der Chef des Stadtmuseums Wolfgang Till geht nach 21 Jahren in den Ruhestand: Der AZ sagte er zum Schluss, warum es immer noch keinen Nachfolger für ihn gibt und er jetzt eine Fahrradschule aufbauen will.
von  Abendzeitung
Sein großes Zukunftsprojekt: Wolfgang Till will mit dem Radl Migranten integrieren.
Sein großes Zukunftsprojekt: Wolfgang Till will mit dem Radl Migranten integrieren. © Gregor Feindt

MÜNCHEN - Der Chef des Stadtmuseums Wolfgang Till geht nach 21 Jahren in den Ruhestand: Der AZ sagte er zum Schluss, warum es immer noch keinen Nachfolger für ihn gibt und er jetzt eine Fahrradschule aufbauen will.

Wolfgang Till ist jetzt im Ruhestand – am Freitag war sein letzter Arbeitstag als Direktor des Münchner Stadtmuseums. Er steuerte das Haus durch bewegte Zeiten.

AZ: Herr Till, an Ihrem Revers heftet ein Sticker, auf dem „Elvis has left the building“ steht. Sie sind zufrieden mit Ihrem Abgang?

WOLFGANG TILL: Den Button habe nicht ich mir ausgesucht, den hat mir der Künstler Hias Schaschko geschenkt. Der Spruch ist natürlich ironisch gemeint. Ich sehe meinen Abgang eher so, wie es der Dichter Peter Rühmkorf mal mit dem Bild eines Joghurtbechers im Supermarkt beschrieben hat: Das Mindesthaltbarkeitsdatum läuft ab – und von hinten drückt einen die Neuware allmählich aus dem Regal.

Nun sind Sie weg, aber weit und breit ist kein Nachfolger in Sicht. Ist die Stadt noch ganz bei Trost?

Das liegt an den sehr langen und sorgfältigen Verfahren mit allen beteiligten Referaten. Was wir dazu beitragen konnten, ist rechtzeitig in die Wege geleitet worden. Die Prüfung und alles weitere dauern eben.

Wie geht’s weiter?

Mitte November ist eine Sitzung mit dem Stadtrat, in der sich Bewerber vorstellen.

Ist ein interner oder ein externer Kandidat besser fürs Haus?

Das ist wie die Frage nach Salz- oder Petersilienkartoffel: Beides ist gut. Ich war ja damals ein Interner und habe gesehen, wie lange man sich in dieses riesige Haus erstmal einarbeiten muss. Jetzt ist es aber der ausdrückliche Wunsch der Entscheidungsträger, dass meine Stelle extern besetzt werden soll.

Wie sehen Sie selbst ihre Bilanz?

Schon in den ersten Jahren und auch später hatte ich sehr stark mit der Bewältigung von Um- und Neubauten zu tun. Wir haben hier auch einiges dafür getan, dass das jüdische Gemeindezentrum entstehen konnte. Und wir bekommen ab 2012 ein neues Depot – das beseitigt viele große Probleme, mit denen das Haus bislang zu kämpfen hatte.

Sie waren mehr als Ihre Vorgänger ein Bau-Chef.

Gut, es gab aber auch die 80er Jahre, in denen wir die volle Kraft in die Ausstellungen legen konnten. Da konnten wir ganz anders arbeiten.

Hat die Stadtspitze das genügend gewürdigt? Es hieß immer wieder, im Stadtmuseum müsse endlich alles anders werden.

So ist das halt: Plötzlich hat man eine solche Diskussion am Hals – das fliegt einen an wie die Schweinegrippe. Der Vorteil an der zum Teil überzogenen Kritik war aber, dass sie die Bereitschaft steigerte, dringende Projekte zu finanzieren.

Hat die Stadt Sie in den letzten Jahren hängen lassen?

Nein, gar nicht. Das sage ich nicht nur aus diplomatischen Gründen, sondern weil es so nicht war. Was unser Haus manchmal ins Hintertreffen gebracht hat, war die Gleichzeitigkeit vieler dringender Projekte wie Lenbachhaus oder Villa Stuck. Aber das ist ganz einfach Schicksal.

Was machen Sie ab Montag?

Ich hänge an der Idee, Fahrradfahren als Integrationsmodell in München einzuführen.

Was heißt das?

Ich habe das in Amsterdam erlebt: Dort werden Migranten aus aller Welt über Fahrradkurse in die Gesellschaft integriert. Das ist kein Kuriosum, sondern eine konkrete soziale Idee, die ich gerne ehrenamtlich verfolgen würde. Aber ich brauche dafür noch politische und finanzielle Unterstützung. Ansonsten könnte es sein, dass ich hier und da als freier Kurator auftauche. Und zuerst gehe ich für eine Weile nach Paris, wo ein Teil meiner Familie lebt.

Int.: Michael Grill

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