Stadt-Streit ums Sparen
MÜNCHEN - Obwohl München dramatisch sparen muss, kommen im Rathaus immer neue millionenteure Projekte auf den Tisch. Das gibt Ärger bei Rot-Grün. Der Kämmerer mahnt zu mehr Mut
Die Stadtkasse ist leer, die Steuereinnahmen gehen dramatisch zurück – doch nicht die Ansprüche. Mitten in der Finanzkrise werden in München immer noch millionenteure Wunsch-Projekte aus dem Hut gezogen, obwohl dramatisch gespart werden muss. Das Klima zwischen SPD und Grünen wird rauer.
In diesem Jahr nimmt Münchens Verschuldung allein durch das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ des Bundes rasant zu: minus 22 Millionen Euro. Im nächsten Jahr sollen es minus 50 Millionen werden, so die Kämmerei. Das ist noch längst nicht alles: Zwar kommt mehr Einkommenssteuer herein als kalkuliert (die Arbeitslosigkeit ist nicht so hoch wie befürchtet). Doch mit der Gewerbesteuer geht es weiter bergab. Die Prognose liegt bei knapp über einer Milliarde Euro –erhofft waren 1,38 Milliarden.
Ende Juni wird Kämmerer Ernst Wolowicz dem Stadtrat den ersten Nachtragshaushalt vorlegen. Wolowicz: „Angesichts der Krise müssen wir uns den Kopf darüber zerbrechen, ob das bisherige Konsolidierungsprogramm ausreichend ist.“ Er neigt dazu, es weiter zu verschärfen. Der Stadtrat müsse jetzt den Mut besitzen, um zu sparen.
„Ich habe den Eindruck, dass noch nicht alle die Zeichen der Zeit erkannt haben“, meint SPD-Fraktionschef Alexander Reissl.
Die aktuellen Beispiele: Vorige Woche wurde eine Vorlage zum weiteren Klimaschutz aus dem Verkehr gezogen: Das Paket sollte 46 Millionen Euro kosten. SPD und Grüne streiten, was davon wirklich notwendig ist. „Klimaschutz ist wichtig, aber wir dürfen nicht in die Schuldenfalle tappen“, mahnt Reissl.
Ebenfalls auf den letzten Drücker wurde ein Antrag zum Verkehrsmanagement zurückgezogen. Und ein Projekt aus dem Schulreferat: Umbau der alten Schule Balanstraße zur modernen Berufsschule – für 38 Millionen Euro. „Geht’s noch!“ hat Reissl gepoltert, als er das erfuhr. Der Sozialreferent will bei der Neuordnung der Arbeitsagentur das „Optionsmodell“. Nur dann müsste die Stadt obendrein auch die abgeordneten Mitarbeiter des Arbeitsamtes bezahlen.
Schließlich das rot-grüne Streitprojekt Großmarkthalle. Irgendwas zwischen 100 und 200 Millionen Euro soll es kosten. Im Kommunalausschuss haben die Grünen mit der CSU die SPD überstimmt. Die Genossen wollten erst einen Businessplan: Was gebraucht wird und wer zahlt. Da prallen im Hintergrund die grüne Großmarktchefin Gabriele Friderich und der rote Kämmerer Ernst Wolowicz aufeinander. Die Grünen meinen, die Stadt könne den Löwenanteil tragen. Die SPD will, dass vor allem die Nutznießer dafür zahlen. Reissl: „Diese Entscheidung ist koalitionsvertrags-relevant.“ Denn damit würde der Haushalt ausgeweitet. Jetzt müssen sich SPD und Grüne einigen. Wenn die Grünen mit der CSU durchmarschieren, kracht’s mit der SPD.
Als nächstes kommt die schwarz-grüne Idee von Ärzten an Hauptschulen wieder auf den Plan. Vom mehr als 20 Millionen Euro teuren Gasteig-Umbau redet derzeit niemand mehr.
Klar ist, der Stadtrat muss ein enormes Sparprogramm durchsetzen. Aber wo? Darüber wird hinter den Kulissen gefeilscht. Reissl: „Ich will mich nicht von der Regierung von Oberbayern zwingen lassen, Vermögen zu verkaufen, um den Haushalt zu sanieren.“ Dann müssten Wohnungen, Stadtwerke oder Kliniken versilbert werden. Willi Bock