Stadt München lehnt Frauentaxis ab - weil sie Männer diskriminieren

Sollen Frauen nachts einen günstigeren Tarif bekommen? Der Stadtrat hat eine endgültige Entscheidung über die Frauentaxis nun vertagt.
von  Felix Müller
Ein nächtliches Taxi – für die, die es sich leisten können.
Ein nächtliches Taxi – für die, die es sich leisten können. © dpa

Update vom 18. Dezember 2018: Entscheidung vertagt

Der Stadtrat hat die Entscheidung über Frauentaxis gestern vertagt. Nun hätten SPD und CSU noch einmal die Gelegenheit, grundsätzlich über das Thema nachzudenken, hieß es bei den Grünen. "Die mangelnde Selbstkontrolle vieler Männer macht auch im ach so sicheren München Frauen immer wieder zu Opfern sexueller Übergriffe", schimpft Stadträtin Anja Berger. Frauentaxis seien deshalb sinnvoll. KVR-Chef Thomas Böhle (SPD) lehnt deren Einführung bislang allerdings ab

Artikel vom 15. Dezember 2018: Stadt lehnt Frauentaxis ab – weil sie Männer diskriminieren

Wer nachts ein Taxi bestellt, wählt bewusst einen sicheren Heimweg. Doch was ist mit Frauen, die sich kein Taxi leisten können oder wollen? Die Grünen haben schon vor Jahren beantragt, besonders günstige Frauentaxis für München nach dem Vorbild von Hannover zu untersuchen. Dort gibt es seit 1994 sogenannte Frauentaxis.

Frauentaxis: Wie ist das Konzept?

Das heißt, die Stadt bezuschusst Fahrten von Frauen nach Einbruch der Dunkelheit bis zur nächsten Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel oder von dort nach Hause. In Hannover sind das derzeit 2,50 Euro, die die Stadt für Frauentaxifahrten springen lässt. Am Dienstag kommt nun die Antwort der Verwaltung auf die Grünen-Anfrage in den Stadtrat. Und was Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD) da schreibt, dürfte im Rathaus für hitzige Diskussionen sorgen.

Kreisverwaltungsreferent lehnt Frauentaxis in München ab

Böhle lehnt die Idee des Frauentaxis ab – aus praktischen und aus grundsätzlichen Erwägungen. Böhle betont zwar, dass nach einer Erhebung auch in München das Unsicherheitsgefühl von Frauen nachts größer sei als das von Männern. Er verweist aber explizit darauf, dass ein Frauentaxi Männer diskriminieren würde.

"Eine Bezuschussung eines Frauen-Nacht-Taxis durch die Stadt München würde ausschließlich Frauen zugute kommen", kritisiert er. "Männer dürften diese Dienstleistung aufgrund ihres Geschlechts nicht nutzen." Das findet Böhle "unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung" problematisch. Außerdem verweist er darauf, dass an jeder ÖPNV-Haltestelle eine Haltemöglichkeit für das Taxi geschaffen werden müsse und Beschilderungen nötig seien. "Mit der derzeit bestehenden Infrastruktur" sei eine Kombination von ÖPNV und Frauen-Nacht-Taxi in München "nicht ohne weiteres praktikabel".

München: Isartiger statt Frauentaxi

Böhle verweist alternativ auf den so genannten Isartiger, ein Projekt, das derzeit im Zentrum und im Westen der Stadt erprobt wird. Fahrgäste können dabei in dem Probegebiet samstagabends ab 19 (und bis 2 Uhr) an Haltestellen von U-Bahn, Bus und Tram in vorher per App bestellte "Tiger" einsteigen und sich nach Hause fahren lassen.

Der Preis soll auch nach der Probephase deutlich unter dem normalen Taxipreis liegen. Allerdings fahren auch andere Fahrgäste mit, je nachdem, wo diese hin wollen, kann die Heimreise also deutlich länger dauern als mit einem direkten, herkömmlichen Taxi. In einer zweiten Phase soll das Angebot auf Freitagabende ausgeweitet werden.

Das Frauentaxi kommt also erstmal nicht – anders übrigens, als es sich die Gleichstellungsstelle der Stadt gewünscht hatte, die sich unter anderem ein Angebot bis deutlich tiefer in die Nacht (im Sommer bis 5 Uhr, im Winter bis 6 Uhr früh) hatte vorstellen können. Die SPD im Stadtrat wird einen ergänzenden Änderungsantrag einbringen. "Der Isartiger könnte ein adäquates Angebot sein", sagte Stadtrat Christian Vorländer auf Anfrage der AZ. "Er ist aber eben in der Erprobungsphase. Wir wünschen uns, dass der Stadtrat danach noch einmal damit befasst wird. Und wir dann schauen, wie wirksam die Maßnahme ist – und, wie das bei den Frauen ankommt."

Die Grünen wollen Frauentaxis

Die Grünen hingegen sind entsetzt von Böhles Vorlage. "Uns ging es um ein Frauentaxi", sagte Stadträtin Anja Berger. "Die Frauen werden am Heimweg belästigt, da ist Männer-Diskriminierung doch kein Argument." Natürlich koste es, wenn die Stadt zum Beispiel die Hälfte der Fahrtkosten übernehme. "Aber das muss es uns wert sein." Der Isartiger sei sicher kein adäquater Ersatz. "Er geht nur in einem bestimmten Gebiet – und nur per App. Das alleine schließt doch viele Frauen aus."

Viele von ihnen werden so wohl weiter auf herkömmliche Taxis ausweichen. Für diese hat die Taxiinnung spezielle Frauentaxis angekündigt, nachdem es im November zu Übergriffen durch als Taxler getarnte Männer gekommen war. Über eine eigene Hotline sollen Frauen künftig gezielt ein Taxi bestellen können, das von einer Frau gefahren wird. Wenn sie es sich denn leisten können.

Lesen Sie hier: AZ-Kommentar: Ablehnung von Frauentaxis: Wirklichkeitsfremd

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