Stadt lässt Stalking-Helfer hängen
Die Stadt hat die Deutsche Stalking-Opferhilfe lange auf finanzielle Unterstützung warten lassen. Nun ist ein Zuschuss gebilligt – zu spät allerdings. Der Verein hat sich bereits aufgelöst
Erika Schindecker klingt jetzt noch ganz erschöpft, wenn sie erzählt, wie sie in den vergangenen Jahren um finanzielle Unterstützung gekämpft hat.
Seit 2005 berät die 62-Jährige mit ihrem Verein, der Deutsche Stalking-Opferhilfe (DSOH), Opfer von Nachstellungen. Doch seit dem vergangenen Jahr haben die Fälle in einem Maß zugenommen, dass die Aufgabe mit ehrenamtlichen Mitarbeitern allein für den Verein nicht mehr zu bewältigen war.
Schindecker hat die Stadt deshalb frühzeitig um einen kleinen Zuschuss gebeten. Es ging um jährlich knapp 60 000 Euro für eine Bürokraft und ein paar andere Dinge, die die Verwaltung erleichtern sollten. Gestern hat der Stadtrat dieses Geld nun bewilligt – zu spät allerdings. Weil sie lange keine Unterstützung bekam, hat sich die Deutsche Stalking-Opferhilfe bereits Ende März aufgelöst – wegen Überlastung.
Schindecker fühlt sich von der Politik schlecht behandelt. „Ich habe nur Absagen bekommen“, sagt sie. Warum sich die Stadt erst jetzt dazu durchringen konnte, ein bisschen Geld locker zu machen, ist für sie unverständlich – zumal die Zahlen zeigen, dass für einen Verein wie die DSOH durchaus Bedarf da ist.
In den offiziellen Kriminalstatistiken ist die Zahl der Stalking-Fälle zwar leicht rückläufig. In München wurden vergangenes Jahr 184 Nachstellungen zur Anzeige gebracht, fast 14 Prozent weniger als im Vorjahr.
Doch die Dunkelziffer ist extrem groß. Aufgrund hoher gesetzlicher Hürden werden nur etwa fünf Prozent der Täter verurteilt. Viele Frauen sparen sich deshalb den Gang zur Polizei.
Um die 300 Beratungsgespräche haben die fünf Mitarbeiter von Schindecker im Schnitt jedes Jahr geführt. Nach einem Vorfall in Ingolstadt, bei dem im vergangenen Jahr ein Stalker seine Angebetete und drei weitere Personen im dortigen Rathaus als Geiseln genommen hat, ist die Zahl der Hilfesuchenden sogar rapide nach oben geschnellt.
So weit wie bis zu einer Geiselnahme muss es aber gar nicht erst kommen. Wenn jemand einem nachstellt, immer wieder auflauert oder ständig mit Telefonanrufen terrorisiert, kann das schnell zu Angstzuständen und Panikattacken führen, konstatiert die Münchner Polizei in ihrem Jahresbericht 2013.
Stalking ist also ein überaus ernst zu nehmendes Problem. Die Stadt stellt im Jahr deshalb nun auch rund 60 000 Euro als finanzielle Unterstützung zur Verfügung – welcher Verein auch immer das Geld nun abrufen mag. Die Deutsche Stalking-Opferhilfe werde sie jedenfalls nicht mehr wiederbeleben, sagt Schindecker. Auch nicht unter den neuen Bedingungen.
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