Staatsanwaltschaft wirft Münchner S-Bahn-Schlägern Mord vor
MÜNCHEN - Nach der Tötung eines 50-jährigen Mannes auf einem Münchner S-Bahnhof ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mordes gegen zwei 17 und 18 Jahre alte Jugendliche. Sie hatten ihn am Samstag nach Zeugenaussagen brutal niedergeschlagen und mit Füßen getreten, nachdem er sich schützend vor vier Kinder gestellt hatte.
Dominik B. hat vier Kinder vor ein paar üblen Rowdies beschützt – und seinen Mut mit dem Leben bezahlt. Ohne zu zögern, ging der 50-jährige Geschäftsmann dazwischen, als Markus Sch. (18) und Sebastian L. (17) am Samstagnachmittag in der S7 nach Wolfratshausen vier Schüler anpöbelten und Geld von ihnen verlangten.
Als der Geschäftsmann in Solln mit den beiden Buben (14 und 15) und deren Freundinnen (13 und 14) aus der S-Bahn stieg, fielen die beiden vorbestraften Schläger über Dominik B. her. Selbst als er bewusstlos zu Boden ging, traten sie immer wieder auf seinen Kopf ein. Dominik B. erlag am Samstagabend im Klinikum Großhadern seinen schweren Verletzungen. Gegen die Täter erging gestern Haftbefehl – wegen Mordes.
„Dominik war ein couragierter Mensch“, erzählt eine Freundin aus Niederbayern. Der 50-Jährige hat sich vorbildlich verhalten und eigentlich alles richtig gemacht. Er hat viel Mut bewiesen“, betont Polizeivizepräsident Robert Kopp, „um so tragischer ist sein Tod“.
Die beiden Schläger hatten zusammen mit ihrem Spezl, Christoph T., im Bahnhof Donnersbergerbrücke zwei Pärchen aufs Korn genommen. „Rückt sofort Geld raus!“ Läppische 15Euro wollten sie.
Als die Schüler sagten, dass sie so viel nicht bei sich haben, kassierten sie Prügel. Christoph T. schlug den Buben ins Gesicht und auf den Rücken. Anschließend machte sich der 17-Jährige Schläger aus dem Staub, gestern wurde er gefasst.
Markus Sch. und Sebastian L. ließen hingegen nicht locker. Sie stiegen zusammen mit den Kindern in die einfahrende S7. Im Zug ging der Terror weiter. „Sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie sich Geld holen würden“, betont Kriminalrat Markus Krauss.
Dominik B. versuchte zu schlichten. „Lasst die Kinder in Ruhe“, mahnte er. Schließlich verständigte er über Handy die Notrufzentrale. Als die Schläger immer aggressiver wurden, stellte sich Dominik B. schützend vor die beiden Buben und deren Freundinnen. „Ihr könnt mit mir nach Solln fahren und dort aussteigen“, bot er an. Die Kinder, die am Harras aussteigen wollten, nahmen das Angebot dankbar an.
Kaum war Dominik B. mit dem Quartett ausgestiegen, fielen die Schläger über ihn her. Vor den Augen der Kinder prügelten Markus Sch. (0,89 Promille) und Sebastian L. (0,0 Promille) auf den Geschäftsmann ein. „Die Kinder hatten nicht die geringste Chance, einzugreifen oder ihrem Retter zu helfen“, betont Markus Krauss, Chef der Münchner Mordkommission.
Passanten verständigten die Polizei. Zwei weitere leisteten erste Hilfe. Dominik B. erlangte kurzzeitig das Bewusstsein wieder. Er wurde noch ins Klinikum Großhadern gebracht. Um 18.20 Uhr erlag er dort seinen Verletzungen.
Die Täter flüchteten. Weil sie eine drei Meter hohe Lärmschutzwand nicht überwinden konnten, versteckten sie sich im Gebüsch an der Bahnstrecke, wo sie eine Kommissarin (22) der Bundespolizei schließlich aufstöberte.
Blumen und Kerzen schmücken inzwischen die Stelle auf dem Bahnsteig in Solln, an der Dominik B. zu Tode geprügelt wurde. „Die Täter haben aus Rache getötet, weil sich der 50-Jährige zwischen sie und die vier Kinder gestellt hat“, betont Staatsanwalt Lafleur.
Fast fünf Minuten prügelten und stiefelten Markus Sch. und Sebastian L. auf den 50-Jährigen ein. Wie im Fall des pensionierten Münchner Realschuldirektors Bruno N. traten die Täter dabei auch immer wieder mit voller Wucht gegen den Kopf des am Boden liegenden, wehrlosen Opfers ein. „Wir gehen davon aus, dass der Geschäftsmann in Folge der massiven Schläge und Tritte gegen den Kopf verstarb“, erklärte Laurent Lafleur, „Deshalb wird die Staatsanwaltschaft gegen beide Verdächtige Anklage wegen Mordes aus niederen Beweggründen erheben.“
Beide Schläger sind bereits vorbestraft. Markus Sch. (18), der als Haupttäter gilt, ist bereits wegen Diebstahls und Körperverletzung vorbestraft. Zuletzt war er im Frühjahr vom Münchner Jugendgericht wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung zu vier Wochen Dauerarrest verurteilt worden. Die Strafe saß er in der JVA Stadelheim ab.
Auch Sebastian L. hatte bereits früher schon Ärger mit der Polizei. Wegen Diebstahls und Drogenmissbrauchs war er zweimal erwischt worden. Wie auch sein Spezl hat Sebastian L. keine Berufsausbildung, beide sind derzeit arbeitslos. Im September sollte Sebastian L. ein Berufsvorbereitungsjahr absolvieren, um anschließend bessere Chancen bei der Suche nach einer Lehrstelle zu haben. Sollten beide nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, drohen ihnen als Höchststrafe zehn Jahre Gefängnis.
Bis Sonntagmorgen gegen 3Uhr wurden Markus Sch. und Sebastian L. von Beamten der Mordkommission vernommen. Sie gaben dabei zu, an einer „Auseinandersetzung“ beteiligt gewesen zu sein. Details nannten sie nicht. Auf Anraten ihrer Anwälte verweigern die beiden Münchner inzwischen jede weitere Aussage. Am Nachmittag erließ ein Ermittlungsrichter gegen beide Haftbefehl wegen Mordes. R. Hub, V. Duregger, V. Assmann, J. Lenders, J. Schneider