Staatsanwaltschaft München: Antisemitische Straftaten haben stark zugenommen

München – Die Arbeit wird ihnen so bald nicht ausgehen: Nachdem die Zahl der Eingangszahlen im Bereich der links- oder rechtsextremistischen und politischen Strafsachen 2017 noch bei 1.884 lag, registrierte die politische Abteilung der Münchner Staatsanwaltschaft im Jahr 2018 eine Zunahme auf 2.207 Eingänge.

Zu diesem Trend passt auch die starke Zunahme antisemitischer Straftaten. In den Jahren davor hatte sich diese noch bei etwa 50 eingependelt, berichtet Oberstaatsanwalt Andreas Franck am Donnerstag in einem Pressegespräch. Doch im vergangenen Jahr stieg die Zahl um 56 Prozent auf 78 Eingänge. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf "rechtsextremistische" und "fremdenfeindliche" Straftaten stieg von 378 auf 437.
Was ist freie Meinungsäußerung, was Hetze?
Acht Staatsanwälte ermitteln bei Verdacht auf Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung aber auch bei politisch motivierten Sachbeschädigungen und Beleidigungen.
Die Ermittler arbeiten im Spannungsverhältnis zwischen freier Meinungsäußerung und illegalen Hetzparolen. So wie im Fall zweier Jugendlicher, die beim Oktoberfest 2018 Flugblätter aus dem Riesenrad warfen. Darauf zu sehen: Ein Glatzkopf, der den Hitlergruß zeigt. Darunter stand zwar "Nazi Scum" und die beiden wollten damit eigentlich gegen das Polizeiaufgabengesetz protestieren.
Da aber der durchschnittliche Wiesnbesucher nicht versteht, dass das englische "Scum" Abschaum bedeutet, hatten sich die beiden trotz entgegengesetzter Absicht wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen strafbar gemacht. In ihrem Fall beließ es der Jugendrichter bei einer Ermahnung.
Manchmal kommt es auf einzelne Worte an
Nicht so glimpflich ging das Verfahren gegen einen Somalier aus, der in einem Facebook-Beitrag 2016 die damaligen Waldbrände in Israel zum Anlass nahm, in einer Art Gebet Gott anzurufen, Juden zu verbrennen. Der Somalier wurde wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.
Hätte der Mann statt Jude Israel geschrieben, wäre er wohl freigesprochen worden, da sich seine Hetzparolen dann gegen die Institution des Staates Israel gerichtet hätte. Und das fällt unter die freie Meinungsäußerung.
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