Staatsanwalt prüft Verträge: "Das ist ein handfester Skandal"
Entsetzen nach dem Bericht der Abendzeitung über die Vergabe von städtischen Beraterverträgen: Haben die Korruptionsbekämpfer im Rathaus versagt? Top-Juristen sprechen von einem "handfesten Skandal".
MÜNCHEN Nach dem AZ-Bericht über die Vergabepraxis bei städtischen Beraterverträgen hat jetzt die Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet. Es wird geprüft, ob Ermittlungen eingeleitet werden. Über Jahre hinweg wurden in der Verwaltung Beraterverträge in der Regel an allen Vorschriften vorbei vergeben. Allein von 1998 bis 2003 ging es um 275 Aufträge im Wert von 44 Millionen Euro, wie das Revisionsamt herausfand. Ein Top-Jurist zur AZ: „Das ist ein handfester Skandal.“ Die für das Rathaus peinliche Frage heißt: Funktioniert nach den großen Bestechungsskandalen die Korruptionsbekämpfung trotz aller Beteuerungen immer noch nicht?
Dabei gibt es bereits seit 1998 einen „Runden Tisch Beschaffungswesen“. Der hat offenbar nichts gebracht, wenn die Mitarbeiter bis in die Referatsspitzen hinein zugeben müssen, dass jahrelang die Vorschriften missachtet wurden. Dabei sitzt den Chefs auch das Ordnungsrecht im Nacken, weil sie es an der Aufsicht fehlen ließen. So wird erst jetzt auf Druck des Revisionsamtes ein Controlling eingeführt, außerdem soll es Schulungen geben. Zudem muss in Zukunft die zentrale Vergabestelle eingeschaltet werden.
In der Stadtspitze wurde am Mittwoch zuerst versucht, den Skandal herunterzuspielen: Es sei kein Schaden entstanden und ein Fall von Vorteilsnahme sei nicht bekannt. Kunststück – das hat auch noch keiner untersucht!
Da musste Bürgermeister Hep Monatzeder für den nach China verreisten OB Christian Ude erklären: Es habe bei den Mitarbeitern an „Sensibilität gemangelt“, dass man sich an Vorschriften halten muss. Das werde in Schulungen nachgeholt. Jetzt werde ein Jahr lang die Praxis beobachtet. Er gibt zu, dass bisher die Aufklärung der Mitarbeiter versäumt worden sei: „Das ist in der Tat richtig“. Ude räumte ein: „Vergabevorschriften sind zwingendes Recht. Die Verstöße sind schon schwerwiegend.“
Wie berichtet, wurden Beraterverträge meist ohne Ausschreibung nach Gutsherrenart an „Haus- und Hoflieferanten“ (so das Revisionsamt) vergeben. Oft genug kannte man sich. Oder „Bieter“ schrieben das Leistungsverzeichnis für den Auftrag gleich selbst.
Fachjuristen schütteln den Kopf: „Man muss sich fragen, ob die Anti-Korruptionsbeauftragten der Stadt genug getan haben. Und ob die Korruptionsbekämpfung der Stadt wirklich Hand und Fuß hat.“ Denn Einkauf und Vergaben seien „hochsensible Bereiche, die für Korruption und Vorteilsnahme anfällig“ seien. Offenbar seien diese Bereiche nicht immer geprüft worden.
„Diese Praxis beunruhigt mich“, so FDP-Fraktionschef Michael Mattar: „Das Vergabeunwesen muss sofort abgestellt werden.“ Es könne nicht sein, dass die Kompetenz der zentralen Vergabestelle ungenutzt bleibt. Es müsse auch nach der politischen Verantwortung gefragt werden. Dass erst jetzt ein Schulungs- und Controlling-System eingeführt werde, sei ein „Versäumnis des Oberbürgermeisters“, so die CSU-Stadträte Josef Schmid und Robert Brannekämper. Verärgerung auch in der Verwaltung: „Es ist erschreckend, dass wir dafür so einen Aufwand betreiben und soviel Geld ausgeben. Da muss intensiv gefragt werden, ob das alles nötig ist.“
Ausgelöst wurde die Untersuchung durch einen AZ-Bericht. Die AZ hatte erfahren, dass die Unternehmensberater von McKinsey kostenlos für den Tierpark ein Gutachten erstellt hatten. Da stutzte die CSU und forderte: Beraterverträge offen legen. Das Ergebnis ist der brisante Revisionsbericht.
Willi Bock
- Themen:
- CSU
- Christian Ude
- Josef Schmid