„Spyro ist kein Krimineller“

Vierter Prozesstag gegen die U-Bahnschläger Serkan A. (21) und Spyridon L. (18): Die Mutter und die Freundin von Spyridion L. sagen aus: „Wenn er trank, war er ein anderer Mensch.“
von  Abendzeitung

Vierter Prozesstag gegen die U-Bahnschläger Serkan A. (21) und Spyridon L. (18): Die Mutter und die Freundin von Spyridion L. sagen aus: „Wenn er trank, war er ein anderer Mensch.“

MÜNCHEN Am Nachmittag sagten die Freundin und die Mutter von Spyridon aus, vormittags ging es um die Frage, ob die Behörden versagt haben könnten. Spyridons Mutter Evangelia L. (41) beklagte, das Jugendamt habe ihren Sohn aufgegeben, als sie um Hilfe gebeten hatte.

Die beiden Angeklagten, die wegen Mordversuchs vor der Münchner Jugendkammer stehen, waren als Kinder sozial auffällig und hatten schon vor dem Überfall auf den Rentner Bruno N. (76) Gewaltstraftaten begangen. Um Serkan A. kümmerten sich zwei Sozialarbeiter, ein Diplom-Sozialpädagoge und ein Bewährungshelfer. Spyridon L. war stationär in der Psychiatrie.

Psychologen und der Sozialdienst wussten, dass die beiden Angeklagten in gewaltbereiter Atmosphäre aufwuchsen. SpyridonL. wurde vom betrunkenen Vater mit dem Nudelholz verprügelt. Im November 2006 brach ihm der Vater damit eine Hand. Auch Serkan A. wurde vom betrunkenen Vater misshandelt, er brach seinem Sohn das Nasenbein. Die ältere Schwester habe ihn 2004 mit einem Messer angegriffen, Sehnen und Nerven an der linken Hand durchtrennt. Die Hand ist heute steif.

Sozialarbeiterin Katrin A. (33) betreute Serkan von seinem 14. bis zum 18. Lebensjahr und notierte am 18. Juni 2002: „Serkan ist extrem gewalttätig und hat eine geringe Frustrationstoleranz. Aufgrund der schwierigen Familiensituation besteht immer die Gefahr, dass Serkan ins kriminelle Milieu abrutscht.“ Als der Vater die Familie verließ, soll Serkan A. seine Mutter verprügelt haben. Obwohl beide Angeklagten wegen Körperverletzung vor Gericht standen, kamen sie immer mit einer Bewährung davon. Die Tatabläufe ähneln sich, wie im Fall Bruno N., der am 20. Dezember 2007 von den beiden fast tot geprügelt worden ist.

Spyridon L. hatte am 9. Januar 2007, gegen 20.20 Uhr, am Pasinger Bahnhof grundlos auf einen Mann eingeprügelt und getreten. Die Polizei griff sofort ein. Serkan A. hatte am 5. März 2005, nachts um kurz nach eins, einen Mann überfallen, auf ihn eingetreten und dessen Handy gestohlen.

Am Nachmittag tritt Spyridons Freundin SotiriaS. (17) in den Zeugenstand. Am Tatabend habe sie mit ihm gestritten, weil er erst nach Mitternacht zu ihm kam. „Ihm hat sein Fuß weh getan. Er hat mir aber nichts von dem Vorfall erzählt.“ Alkohol, so die Schülerin, würde bei ihm extrem wirken: „Wenn er trank, war er ein anderer Mensch.“

Zwei Tage später gab es eine Eifersuchtsszene in einem Club – Spyridon wurde von zwei Männern der Kiefer gebrochen. An sein Opfer Bruno N. schrieb er später: „Ich habe Gottes Strafe bekommen. Jetzt weiß ich wie das ist, wenn man von zwei Männern verprügelt wird.“

Sypridons Mutter, die 41-jährige Reinigungskraft Evangelia A., sagt vor Gericht: „Er war ein tolles Kind.“ Doch es gab Schicksalsschläge, der Vater verlor die Arbeit, ein enger Familienangehöriger starb, Spyridon brach die Hauptschule ab und wurde von der Polizei am Stachus aufgegriffen. Die Mutter sagt: „Er wurde melancholisch.“ Und auch extrem aggressiv: Denn laut Mutter schlug er die Eltern, wenn er Geld für Drogen brauchte. Das Jugendamt habe sie aber mit den Problemen allein gelassen. EvangeliaA. sagt: „Ich glaube, dass Spyro ein Opfer ist und kein Krimineller.“ jot/th

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