Spritzige Kinderwelt mit Biss

Münchens Stille Parkanlagen - AZ-Serie Teil 9: Der Petuelpark
Für manchen in der Barlachstraße im Norden der Stadt war im Jahr 1996 gleich zweimal Weihnachten. Als im Juni eine knappe Mehrheit der Münchner in einem Bürgerentscheid für die Untertunnelung des Petuelrings votierte, die den dröhnenden Verkehrslärm verschlucken würde, stellten einige Anwohner vor Freude einen Christbaum auf. Und auf der ehemaligen Asphaltwüste entstand ein kleiner Park, noch heute eher ein Geheimtipp, über dessen Gestaltung sich die Münchner Landschaftsarchitekten Stefanie Jühling und Otto Bertram vier Jahre lang die Köpfe zerbrachen.
Wer den Petuelpark vom Westende aus betritt, wird über terrassenförmige Rasenstufen in einer kleinen Allee aus dem Strom der fahrenden Autos in die Natur gespült. Weil der Tunnel an einigen Stellen bis zu 2,60 Meter aus der Erde ragt und für die Bepflanzung noch zusätzlich Boden aufgeschüttet werden musste, liegt der Park bis zu 3,50 Meter über Straßenniveau.
Mit Treppen und sanft ansteigenden Rampen haben Jühling und Bertram die weiten offenen Rasenflächen auf dem Plateau, die im Sommer zum ausgiebigen Sonnenbaden einladen, mit den etwas tiefer liegenden Themengärten, Nischen und dem lang gezogenen „Spielband“ im Nordwesten vereint.
Reichhaltige Speise- und Getränkekarte
Das ist mit seinen Unmengen von Kletternetzen, einem Streetball- und einem Bolzplatz für viele Besucher das absolute Highlight des Parks – zum Beispiel für die anderthalbjährige Ajana. „Im Sommer sind wir sehr oft hier“, erzählt ihre Mutter Sabrina Schneider. „Besonders hat es ihr der große Wasserspielplatz angetan.“ Mit dem Ende der Badesaison freilich ist die freundlich dreinblickende Drachenfigur am Spielplatzeingang die letzte, die aus ihren Nüstern noch etwas Wasserdampf verspritzen darf. Auch der eindrucksvolle Fontänenplatz vor dem zentralen Café ist zur Zeit leider stillgelegt.
Drinnen gibt es eine reichhaltige Speise- und Getränkekarte, viele Mittagsgäste aus den nahe gelegenen Büros und einen Kubus, der vom Lenbachhaus als Ausstellungsraum genutzt wurde, dessen Zukunft aber momentan ungewiss ist.
Dennoch ist das künstlerische Konzept des Petuelparks wohl einmalig in der Stadt: Quer über das Areal verstreut begegnet man Werken, die den besonderen Charakter des Parks so intelligent wie augenzwinkernd reflektieren. „Der Park soll ein Begegnungspunkt sein, der Menschen aus Schwabing und Milbertshofen einen Treffpunkt bietet“, sagt Otto Bertram. Dazu hat Harald Klingelhöller ein „Rhetorisches Wäldchen“ errichtet, sechs Rednerpulte, die auch als Trinkbrunnen fungieren. Rodney Graham aus Vancouver hat Nachbauten von Stühlen aus dem Pariser Schlosspark Jardin de Luxembourg mit Eibenhecken eingezäunt und lässt dort jeden Nachmittag um 16.15 Uhr eine Coverversion von „I Am on an Island“ erklingen.
Bewusst linear
„Wir haben den Park bewusst linear angelegt, er soll an das Fließen des Straßenverkehrs erinnern“, sagt Stefanie Jühling. Hinter allem steckt also ein bis ins letzte ausgeklügeltes Konzept, das sich dem Besucher jedoch niemals aufdrängt.
Dass sie in einem von vier kleinen Gärten sitzt, die die Zimmer einer Wohnung darstellen sollen mit Waschbecken in der Küche, Liegen im Schlafzimmer und Bänken im Wohnzimmer, bei denen die Rückenlehne in einen Sonnenschutz übergeht – darauf wäre Rosemarie Embacher von alleine nicht gekommen. „Man kann's so sehen, wie man möchte“, sagt die zweifache Großmutter lächelnd. „Auf jeden Fall sind die Gärten und Spielplätze hier wunderbar angelegt.“
Tim Slagman
Auf einen Blick
Lage: Im Norden am Mittleren Ring, über dem Petueltunnel.
Größe: 7,4 Hektar.
Charakter: Lang gestreckte, streng komponierte Wiesenlandschaft mit sanften Höhenunterschieden und zahlreichen Nischen für Spiel und Kultur. Note: 2
Kinderspielplatz: Hervorragend ausgestattetes „Spielband“ im Nordwesten mit Rutschen, Karussell – sogar für Rollstuhlfahrer geeignet – und Sportmöglichkeiten, weitere kleine Plätze mit klassischen Spielgeräten entlang der Nordgrenze des Parks. Note: 1
Publikum: Bunt gemischt – Eltern mit ihren Kindern aus Schwabing und Milbertshofen, Schüler des angrenzenden Lion-Feuchtwanger-Gymnasiums, viele Besucher aus dem Reha-Zentrum der Stiftung Pfennigparade – und Gruppen aus aller Welt, die an Führungen teilnehmen.
Gastronomie: Ein zentrales Café und Restaurant in gediegenem, lässigem Ambiente, das es mit jedem Innenstadt-Café aufnehmen kann und ein großes Angebot für jeden Geschmack bietet. Note: 1
Erholungswert: Wunderbar zum Flanieren – aber ganz fern ist die Straße nie. Note: 3
Anfahrt: Mit der U 3 zum Scheidplatz, von da aus mit dem Stadtbus 142 zur Haltestelle Altenheim Schwabing und ein kleines Stück zu Fuß über die Klopstockstraße in den Park.