Spitzenkandidaten der Grünen Jugend München: Autos sind absolut überflüssig

Sie wollen Stadträte werden: Clara Nitsche und Pascal Dintner, die neuen Spitzenkandidaten der Grünen Jugend München. Und sie wünschen sich 25 neue Fußgängerzonen in München.
von  Irene Kleber
Wollen ins Rathaus: Clara Nitsche und Pascal Dintner, die Grüne-Jugend-Spitzenkandidaten für die Stadtratsliste.
Wollen ins Rathaus: Clara Nitsche und Pascal Dintner, die Grüne-Jugend-Spitzenkandidaten für die Stadtratsliste. © Daniel von Loeper

Sie wollen Stadträte werden: Clara Nitsche und Pascal Dintner, die neuen Spitzenkandidaten der Grünen Jugend München. Und sie wünschen sich 25 neue Fußgängerzonen in München. Lesen Sie hier das AZ-Interview.

München - Die Münchner Grünen im Höhenflug. Nach den sensationellen 31,2 Prozent, die sie bei der Europawahl in der Stadt eingefahren haben, könnten sie nach der Stadtratswahl im kommenden März ihre Fraktion im Rathaus (aktuell 13 grüne Stadträte) womöglich verdoppeln. Nachwuchsmangel gibt es in München nicht - anders als auf dem Land.

Die Grüne Jugend München (600 Mitglieder), die künftig hörbar mitreden will im Rathaus, hat jetzt ein Spitzenkandidaten-Duo aufgestellt, das gute Plätze möglichst vorne auf der Liste bekommen soll: die Sozialpädagogik-Studentin Clara Nitsche und den Chemielaboranten Pascal Dintner (beide 22). Was treibt die jungen Leute an?

Der AfD will die Grüne Jugend nicht das Feld überlassen

AZ: Frau Nitsche, Herr Dintner, Sie sind beide 22. Da reisen viele junge Leute durch die Weltgeschichte, machen Party, genießen ihr Leben. Was treibt Sie in die Politik?
CLARA NITSCHE: Wir feiern und chillen auch mal. Aber seit ich im Studium und in den Ehrenämtern viel mit den sozial Schwächeren in München zu tun habe, Suchtkranken, Obdachlosen, psychisch Kranken, und sehe, wie wenig Platz ihre Sorgen in dieser Stadt haben, merke ich, dass ich Verantwortung übernehmen und etwas verändern will.
PASCAL DINTNER: Ich denke schon lange grün. Als sich in dem Dorf bei Ingolstadt, aus dem ich komme, abgezeichnet hat, dass bei der Bundestagswahl 23,6 Prozent AfD wählen wollten, war für mich klar: Denen will ich nicht das Feld überlassen. Dann kam in München der Moment, in dem mir als Landkind die Betonwüste aufgefallen ist. So viel ist zubetoniert, überall stellen und stinken Autos alles zu. Es gibt so wenig Grün und Bewegungsfreiheit. Und diese Mietpreise! Da hat es für mich Klick gemacht. Wenn keiner was tut, um was zu ändern, muss ich’s halt selber machen. Also bin ich zur Grünen Jugend gegangen.

Sie sind beide im Vorstand, organisieren Events, haben auch Ehrenämter. Wie viel Zeit frisst Ihr Engagement jetzt schon?
NITSCHE: 25 Stunden die Woche, schätze ich.
DINTNER: Schwer zu schätzen, aber schon viel Zeit. Ich habe aber ziemlich viel Spaß dabei.

"Ich habe keine Angst, vor einem Mikrophon zu verstummen"

Wie passt da noch ein Stadtratsmandat hinein?
NITSCHE: Ich bin mit dem Studium bald durch und will dann Vollzeitstadträtin sein. Als Neuling muss man sich reinhängen.
DINTNER: Ich gebe meinen Job dann erst mal auf.

Schon mal eine Sitzungsvorlage gesehen?
NITSCHE: Klar. Bevor ich mich für die Spitzenkandidatur beworben habe, habe ich mich in einen Kinder- und Jugendhilfeausschuss mit reingesetzt.
DINTNER: Und ich saß im Umweltausschuss.

Wie hat sich das angefühlt im Sitzungssaal im Rathaus?
NITSCHE: Beeindruckend mit dem Kronleuchter und dem riesigen Gemälde der Monachia an der Wand.
DINTNER: Das ist eine kraftvolle Kulisse, um wirkungsvolle Politik zu machen. Solche Räume sucht man sich ja nicht aus, um kleine Entscheidungen zu treffen. Ich freu mich schon, da vielleicht bald selber zu sitzen.
NITSCHE: Ich habe jedenfalls keine Angst, da vor einem Mikrofon zu verstummen.

"Wir fordern eine autofreie Innenstadt"

Welche Themen wollen Sie mitbringen?
NITSCHE: Wir müssen sie noch mit unserer Mitgliederversammlung beschließen. Aber ein paar Ideen erzählen können wir ja schon mal - oder, Pascal?
DINTNER: Ja, machen wir.
NITSCHE: Wir fordern natürlich eine autofreie Innenstadt und einen kostenlosen ÖPNV. Aber wir wollen insgesamt weiter gehen.

Wohin denn?
NITSCHE: Wir wollen 25 Lebensadern schaffen. Also je eine autofreie Straße für jeden der 25 Stadtbezirke.

25 neue Fußgängerzonen für München?
DINTNER: Genau. Ohne parkende Fahrzeuge, frei für Fahrräder, mit Blumenwiesen, Urban Gardening, großen Freischankflächen aber auch normalen Sitzplätzen für alle, die nichts konsumieren wollen.
NITSCHE: Damit alle Menschen dort zusammenkommen und sich treffen können. Wo das Leben pulsieren kann auch für sozial Schwächere, Ältere, Behinderte, die nicht an den Ammersee oder in den Englischen Garten fahren können.

Welche Straßen konkret?
NITSCHE: Das sollen sich die Bezirksausschüsse mit den Viertelbewohnern überlegen, sie kennen ihre Viertel ja am besten. Und es ist wichtig, dass die Bewohner mitentscheiden.

Bis wann soll das fertig sein?
NITSCHE: Vor Ende unserer ersten sechsjährigen Amtszeit.
DINTNER: Ich finde auch, dass München jedes Neubaugebiet autofrei planen sollte. Dann muss man nachher nicht mühsam überlegen, wie man die Autos aus den neuen Vierteln wieder herausbringt.

"Autos sind in München absolut überflüssig"

Wie sollen sich dann ältere Menschen dort bewegen oder Geschäfte beliefert werden?
DINTNER: Wenn man statt einem riesigen Supermarkt im Viertel viele kleine Tante-Emma-Läden plant, so wie es früher war, müssten Senioren sich im Alltag viel weniger weit bewegen. Ansonsten: Radl-Rikschas, E-Autos für den Lieferverkehr, urbane Seilbahnen.
NITSCHE: Und viele Mehrgenerationenhäuser, wo Junge und Alte sich gegenseitig helfen. Und vernünftige Trassen als Anschluss fürs Viertel an die Reststadt - wie Busse, Trams, U-Bahnen. Alles was geht, das Autos überflüssig macht.

Halten Sie denn die Münchner reif für ein weitgehend autofreies Leben?
NITSCHE: Ja.

Wieviele Leute in Ihrem Alter fahren noch Auto?
NITSCHE: Ich kenne in meinem Alter keinen mehr in der Stadt, der überhaupt ein Auto hat.
DINTNER: Autos sind in München absolut überflüssig. Wirklich.

Haben Sie Ideen für ein plastikfreies München?
NITSCHE: Wenn wir in München weniger Plastik verwenden wollen, brauchen wir ein einheitliches Pfandsystem für Kaffeebecher, viele Läden, die plastikfreie Lebensmittel verkaufen, in jedem Viertel. Ich denke, die Stadt hat genug Immobilien, um überall günstige Mieten ausdrücklich für solche Läden anzubieten.

Verstehen Sie die Münchner, denen Forderungen wie Ihre Angst machen? Die lieber alles so bewahren wollen, wie es ist?
NITSCHE: Verstehen kann ich das schon.
DINTNER: Aber es hilft ja nicht. Wir können nicht weiter so leben, als wenn wir zwei weitere Planeten im Kofferraum hätten. Nur immer reden rettet das Klima nicht, wir müssen was machen. Und zwar jetzt.

 

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