Spanien der drei Kulturen
Américo Castro: Das Insituto Cervantes und die LMU würdigen den großen spanischen Historiker in München.
Samuel Huntinton prophezeit ihn als unvermeidlich: den blutigen Kampf der Kulturen. Die Vorstellung eines friedlichen Zusammenlebens der drei monotheistischen Religionen scheint also ein „süßer Wahn“, wie Lessing es in seinem Nathan nannte.
Am ehesten noch scheint dieser Traum aber in al Andalus, im maurischen Spanien des Mittelalters, Wirklichkeit gewesen zu sein – bis 1492 mit dem Fall Granadas und der Vertreibung der Juden aus Spanien auch dies Synthese der drei Kulturen in Europa kriegerisch und grausam endete.
Das multikulturelle früh- mittelalterliche Erbe unterdrückte die traditionalistische spanische Geschichtsschreibung: Für sie war Grundlage des Spaniertums das Gegenteil: die Reconquista, die Vertreibung der Muslime von der iberischen Halbinsel.
Erst der Philologe und Kulturphilosoph Américo Castro wird in seinem Hauptwerk La realidad histórica de Espana (dt. Illusion und Wirklichkeit) 1948 das sieben Jahrhunderte dauernde maurische Spanien gegen heftigen Widerstand würdigen. Castro, 1885 in Rio de Janeiro geboren, beginnt als Literaturwissenschaftler am Centro de estudios históricos (CEH) in Madrid mit Arbeiten zu Cervantes und Lope de Vega und relativiert das „Goldene Jahrhundert“ zwischen Renaissance und Barock, indem er einen Großteil der spanischen Elite in den Conversos, den getauften Juden, erkennt. So rehabilitiert Castro das vom Katholizismus und der Gegenreformation Ausgeschlossene: Zur eigentliche Blütezeit steigt so das Hochmittelalter auf: von der Übersetzer-Schule von Toledo, den Aristoteles-Kommentaren des Averroes und dem jüdischen Philosophen Maimonides aus Cordoba bis zur Kunst und Architektur. Heute teilen die meisten Historiker Castros Ansicht, wenn auch die Vorstellung eines weitgehend harmonischen Zusammenlebens unhaltbar ist.
Américo Castro kämpfte auf Seiten der Republik im spanischen Bürgerkrieg, emigrierte und lehrte bis zu seiner Emeritierung in Princeton. Dem 1972 verstorbenen Gelehrten widmen das spanische Kulturinstitut, das Institut für Romanistik und das Historische Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität eine Homage.
Christen, Araber und Juden. Américo Castro und das Spanien der drei Kulturen. 23.-25. November, Insituto Cervantes, Alfons-Goppel-Str. 7, Tel.290718 0
Alle Termine
Ensemble Fontegara: De Músicas Viajeras. So, 23.11., Gasteig, Black Box, Rosenheimer Str. 20 Uhr, 18/15 Euro.
Einführungsvortrag von Hans Ulrich Gumbrecht zu Leben und Werk Américo Castros, Instituto Cervantes, Kultursaal, Mo, 24.11., 18.15 Uhr, Eintritt frei
Vorträge: „Spanien und die drei Kulturen“, 25.11., 10-13 Uhr, Ludwigstr. 25, 2. OG, Zi. 2010, Eintritt frei
Dokumentarfilm über das von Daniel Barenboim begründete West-Östliche Diwan-Orchester, 25.11., Instituto Cervantes, Kultursaal, 16 Uhr, Eintritt frei
Vortrag und Debatte: „Staat, Religion und Identität im heutigen Spanien“. Di, 25.11., 19.30 Uhr, Instituto Cervantes, Kultursaal, Dt. und Spanisch, Eintritt frei
Sebastian Heidrich