Sozialwohnungsvergabe in München: Erst Zusage - und dann die Enttäuschung

Endlich raus aus den 30 Quadratmetern: Die Online-Plattform für Sozialwohnungen gaukelte einer vierköpfigen Familie einen Volltreffer vor – dann hieß es aber: Leider schon vergeben.
von  Anja Perkuhn
Vier Zimmer in eins gequetscht: Auf 30 Quadratmetern leben Monika Schaftari und ihre drei Kinder seit einem halben Jahr. Mit dem Wohnungsangebot über Sowon schien sie endlich kurz vor dem Ziel – dann zerschlug sich die Hoffnung, wahrscheinlich wegen eines Formfehlers.
Vier Zimmer in eins gequetscht: Auf 30 Quadratmetern leben Monika Schaftari und ihre drei Kinder seit einem halben Jahr. Mit dem Wohnungsangebot über Sowon schien sie endlich kurz vor dem Ziel – dann zerschlug sich die Hoffnung, wahrscheinlich wegen eines Formfehlers. © Daniel von Loeper

Endlich raus aus den 30 Quadratmetern: Die Online-Plattform für Sozialwohnungen in München (Sowon) gaukelte einer vierköpfigen Familie einen Volltreffer vor – dann hieß es aber: Leider schon vergeben.

München - Der Spielteppich mit den aufgedruckten Comicstraßen für den Zweijährigen grenzt direkt an den kleinen türkisblauen Teppich, der das Büro markiert. Ein rotes Bobbycar steht direkt neben dem Sesselchen, der abends ausgeklappt und zu ihrem Bett wird – im richtigen Bett gleich daneben schlafen die beiden älteren Söhne, 15 und 20 Jahre. Direkt davor steht das Babybett für den Zweijährigen. Monika Schaftari hat im Grunde vier Zimmer in eins gequetscht, denn auch eine Küchenzeile kommt auf den 30 Quadratmetern unter, die sich die Familie seit einem knappen halben Jahr teilt.

"Ohne Arbeit ist man auf dem Mietmarkt ein Niemand"

Seit August sucht die Alleinerziehende in München eine Wohnung. Das kleine Appartement, in dem die vier gerade leben, vermietet ihr ihre Schwester. Ihre Scheidung läuft gerade – beim Wohnungsproblem will sie nicht auf ihren Ex-Mann setzen, "von ihm habe ich keine Unterstützung zu erwarten", sagt die 44-Jährige. Darum bewarb sie sich für geförderte Wohnungen. "Ich habe es auch auf dem freien Wohnungsmarkt probiert", sagt sie, "aber ohne Arbeit ist man da ein Niemand." Und ihren Job am Empfang einer Bank, den sie seit zehn Jahren hat, möchte sie erst nach ihrer Elternzeit am Ende des Jahres wieder aufnehmen.

Im Januar hat es endlich geklappt: Die Familie bekam einen Wohnungsbescheid. Dringlichkeitsstufe 1, die höchste. "Ohne die Hilfe aus dem Büro des Oberbürgermeisters hätte es nicht geklappt", sagt Schaftari, "nachdem ich mich dort gemeldet hatte und zum Wohnungsamt gegangen bin, um persönlich mit meiner Sachbearbeiterin zu sprechen, ging es dann." Sie hat sich auch schon auf mehrere Sozialwohnungen über das Online-System "Sowon" beworben, teilweise mit mehreren hundert Anderen. Einen Besichtigungstermin gab es bisher nie.

So läuft die Vergabe über Sowon ab

"Als dann der Brief kam, ich sei für eine Wohnung als Bewerberin benannt, habe ich es gar nicht fassen können, meine Schwester umarmt und geweint", erzählt die zierliche blonde Frau. Der Brief kam am vergangenen Freitagmittag. Sie rief sofort – wie es das Amt verlangt – bei der vermietenden Firma an, in deren Bauprojekt in Bogenhausen die Drei-Zimmer-Wohnung liegt, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Am Telefon teilte ihr aber eine Mitarbeiterin mit: Die Wohnung sei schon an jemand anderen vergeben. "Ich habe die Welt nicht mehr verstanden", sagt die Münchnerin. "Ich hatte doch alles richtig gemacht! Aber sie sagte sehr kurz angebunden, am Donnerstag sei schon jemand da gewesen. Die hätten ihr gefallen, darum habe sie ihnen die Wohnung gegeben." Als besonderen Hohn habe sie empfunden, dass die Frau noch nachfragte: "Sind Sie jetzt enttäuscht?" Monika Schaftari redet mit leiser, fester Stimme, aber bei diesem Teil der Geschichte versagt sie ihr kurz.

Wie der Vermieter vorgehen soll, ist klar – aber nicht gesetzlich

Wie die Vergabe der Wohnungen über Sowon eigentlich ablaufen sollte: Das Amt für Wohnen und Migration teilt dem Vermieter die fünf dringlichsten Haushalte mit. Aus denen muss der einen Kandidaten auswählen. Das ist gesetzlich vom Freistaat festgelegt. Dass er tatsächlich allen Kandidaten einen Besichtigungstermin geben muss, das ist allerdings nicht Gesetz – sondern nur der dringende Wunsch vom Wohnungsamt. "Wir legen das allen Vermietern mit sehr viel Nachdruck ans Herz", sagt Hedwig Thomalla, Sprecherin des Sozialreferates. "Rechtlich haben wir da aber keine Handhabe."

Ob da von der Immobilienfirma bewusst gegen das gewünschte Prozedere verstoßen wurde, will der zuständige Fachbereich im Sozialreferat noch klären. "Bei der betreffenden Firma handelt es sich um einen relativ neuen Vermieter", sagt Thomalla. "Der Großteil der Sozialwohnungen wird über die beiden städtischen Wohnungsgesellschaften verwaltet.

Wenn aber ein Anbieter nur recht wenige solcher Wohnungen hat, kann es schon mal sein, dass er nicht so verfahrenssicher ist." Man werde mit dem Vermieter dazu kommunizieren. Die zuständige Mitarbeiterin der Firma war gestern für die AZ nicht erreichbar. "Ich bin mir aber ziemlich sicher", sagt Thomalla, "dass jemand in der Wohnung gelandet ist, der auch die höchste Dringlichkeitsstufe hatte."

Noch ist die Wohnung "verfügbar"

Schaftari hat nun aber noch ein Problem: Beim Wohnungsamt selbst wusste man am Montag nichts davon, dass die Wohnung vergeben ist; auf Sowon steht sie noch als "verfügbar". Die Zusage für einen Kandidaten muss der Vermieter nämlich schriftlich mitteilen, dann ändert das Amt den Status. Solange das nicht geschieht und Schaftari dort nicht angibt, die Wohnung besichtigt zu haben, kann sie sich nicht auf andere Wohnungen bewerben.

"Ich bin enttäuscht, gedemütigt", sagt sie. "Ich war so kurz vor dem Ziel und dann so etwas." Natürlich hätte es sein können, dass sie die Wohnung nach der Besichtigung nicht gewollt oder aus anderen Gründen jemand anders den Zuschlag bekommen hätte. Aber eine Chance darauf, aus den 30 Quadratmetern zu entkommen, die wollte sie zumindest haben. "Dass ich abgeschossen wurde, ohne selbst etwas tun zu können", sagt sie, "das verstehe ich nicht."

Monika Schaftari hofft nun, sich bald wieder auf Wohnungen bewerben zu können. Gerade hat sie zumindest etwas mehr Raum und Ruhe: Die zwei Jüngsten sind in den Ferien beim jeweiligen Vater, der Große geht zur Uni. "Ich werde schon wieder auf meine Beine kommen", sagt sie, "und akzeptiere alles, was ich dafür tun muss. Aber so ist das einfach kein Zustand. Ich kann langsam nicht mehr."

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