Sozialprojekt: Mund-Nasen-Masken nähen als Wiedergutmachung
München - Corona hat auch für jugendliche Straftäter, die auf richterliche Weisung hin Sozialstunden leisten sollen, Konsequenzen. Bei der Brücke München konnten auch aufgrund des Kontaktverbots keine Einteilungen zu gemeinnützigen Sozialstunden mehr vorgenommen werden.
Doch Sozialpädagogin Miriam Wutte und ihre Kollegen (unter anderen Sophia Edelmann und Michael Steininger) hatten einen Plan: Die straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden können, je nach Fähigkeiten und Ausstattung, Mund-Nasen-Masken herstellen oder dafür notwendige Vorarbeiten übernehmen. Zu Hause oder in den Räumen der Brücke im Eins-zuEins-Setting mit den Pädagoginnen zusammen. Natürlich unter Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften.

AZ: Frau Wutte, wer hatte die Idee?
MIRIAM WUTTE: Die Idee entstand im Gespräch des Sozialpädagogen Michael Steininger mit einer Kollegin in Elternzeit, die zur Zeit selbst Masken näht.
Seit wann wird genäht?
Begonnen wurde das Projekt Anfang April 2020. Wie viele Jugendliche sind dabei? Bisher beteiligen sich etwa 30 Jugendliche und Heranwachsende im Alter zwischen 14 und 21 Jahren. Sie haben teilweise nur wenige Reststunden und können somit schnell die Weisung erfüllen. Die Teilnahme schließt kein Delikt aus, das heißt alle Klienten können sich beteiligen.
Miriam Wutte: "Die Jungen sind genauso engagiert"
Wie stellen sich die Jugendlichen beim Nähen an?
Die Lust und das Können beim Vorbereiten und Nähen der Masken ist tatsächlich geschlechterunabhängig. Es beteiligen sich momentan sogar mehr Jungen als Mädchen an diesem Projekt. Ein junger Mann stellt sogar ganz alleine und sehr professionell die Masken mit seiner eigenen Nähmaschine zu Hause her. Im Ergebnis gibt es also keine Unterschiede, es kommt auf eine korrekte Umsetzung an. Die Jungen sind genauso engagiert wie die Mädchen und erkennen die Wichtigkeit ihrer Arbeit.
Gibt es Verweigerer?
Bisher gab es keine Klienten, die die Teilnahme an dem Projekt abgelehnt haben, weil sie keine Lust hatten. Einige haben es sich nicht zugetraut, so genau zu arbeiten, denn für manche bedeutet das korrekte Zuschneiden und Zusammennähen eine zu große Herausforderung, und sie möchten nichts verderben. Alle anderen finden es toll, ein Teil des großen Helfersystems zu sein und ihren Beitrag in dieser Zeit an der Gesellschaft zu leisten und schätzen die Möglichkeit, dies tun zu können, sehr.
Miriam Wutte: "Jugendliche sind stolz auf ihre Leistung"
Gibt es Sanktionen, etwa Rücknahme der Bewährung für die Jugendlichen?
Da es sich bei dem Projekt um ein Angebot und kein "Muss" handelt, gibt es bei Absagen keine Konsequenzen. Das Jugendgericht München hat sämtliche Fristen verlängert, bis wieder zu den normalen Abläufen zurückgekehrt werden kann.
Was sagen die Jungs und Mädchen zu der ungewöhnlichen Aufgabe?
Die Erfahrungen und Rückmeldungen sind durchweg positiv. Die Mitarbeit wird von den Jugendlichen als unglaublich sinnvoll angesehen. Sie begreifen, dass sie mithelfen können, andere zu schützen und sind stolz auf ihre Leistung. Sie geben sich sehr viel Mühe und bekommen auch einen ganz anderen Bezug zu älteren und kranken Menschen, zu denen sie in der Regel eher weniger Kontakt haben. Die jungen Menschen erleben in diesem Projekt eine besondere Art der Wiedergutmachung und sind der Ansicht, die Gesellschaft in dieser Krisensituation zu unterstützen und ihr etwas zurückzugeben.
Miriam Wutte: "Die Nachfrage ist groß"
Warum wurden die Barmherzigen Schwestern als Empfänger auserkoren?
Das Altenheim St. Michael unter der Leitung von Anna Pfenninger ist eine langjährige Einsatzstelle der Brücke München und gehört zu einer Gruppe von sechs Senioren- und Pflegeheimen der Barmherzigen Schwestern in München. Michael Steininger hat diese Stelle angefragt und unsere Masken angeboten. Diese wurden mehr als dankend angenommen, da die regelmäßige Versorgung mit Alltagsmasken sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Bewohner und Patienten wie momentan an vielen Stellen schwierig ist. Die Masken werden bei Fertigstellung über eine zentrale Stelle an alle sechs Heime verteilt. Zur Unterstützung spendete das Altenheim Bettlaken beziehungsweise Bettwäsche an unser Projekt.
Wie lange soll das Projekt laufen?
Es besteht die Möglichkeit das Projekt durchzuführen, solange der Bedarf da ist, zum Beispiel im Rahmen von IBA. Die Nachfrage ist groß und da in nicht absehbarer Zeit noch viele Mund-Nasen-Masken benötigt werden, ist auch kein Ende dieses Angebots geplant.
Zur Nachahmung empfohlen?
Unsere Ansicht ist: Je mehr Masken der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, umso besser. Die Arbeit in unserem Projekt ist besonders pädagogisch wertvoll und somit unbedingt nachahmenswert.
Bunt oder einfarbig: Hier in München gibt es Masken
Stoffmasken aus Baumwolle kann man in München inzwischen bei verschiedenen Geschäften erwerben. Zum Beispiel hat das Trachtengeschäft Angermaier verschiedene Modelle im Angebot (Landsberger Str. 101-103 oder Rosental 10, Mo-Sa 10-19 Uhr).
Bei Lirutti Holzkultur (www.lirutti-holzkultur.de) bekommen Kunden, die dort Zirbenprodukte kaufen, zum Beispiel ihr Zirbenöl in einem Baumwollsackerl, das man zu einer Maske umfunktionieren kann.
Weitere Hersteller: Maski (Lindwurmstr. 175, 15.18 Uhr), Engel und Bengel (Innere Wiener Str. 61, Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 10-16 Uhr), Fensterkleider (Görrestr. 16, Mo-Mi 12-18 Uhr, Do/Fr 12-19, Sa 10-13 Uhr).
Lesen Sie hier: Münchner Club "Pacha" plant Party für Corona-Helfer
- Themen:
- Trachten Angermaier